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# taz.de -- Debatte um Aufrüstung: CDU will Wehrpflicht zurück
> Angst vor Atomkrieg und Aufrüstung nutzen Politiker der CDU, um eine neue
> Wehrpflicht zu fordern – oder wie sie es nennen: ein „Gesellschaftsjahr�…
Bild: Nicht mal eine Woche nach Beginn von Putins Ukraine-Krieg will die CDU ü…
Für einige scheinen Ukrainekrieg, atomare Drohungen Putins und die
geplante Aufrüstung der Bundeswehr eine günstige Gelegenheit zu sein, um
tief in die Mottenkiste zu greifen. Im politischen Berlin sind plötzlich
wieder Forderungen nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht zu hören.
Nur dass diese diesmal „allgemeine Dienstpflicht“ oder „Gesellschaftsjahr…
heißt und nicht nur für Männer, sondern für alle gelten soll.
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann fordert eine solche
Dienstpflicht regelmäßig und findet angesichts von Russlands Angriffskrieg
gegen die Ukraine plötzlich wieder Gehör. Er plädierte über die Bild für
die „Einführung eines Gesellschaftsjahres“, das sich verpflichtend an junge
Männer und Frauen nach Beendigung ihrer Schulzeit richten solle. Die
Pflicht gegenüber dem Staat solle neben der Bundeswehr auch im Pflege- und
Sozialbereich, im Technischen Hilfswerk, bei der Feuerwehr oder in Vereinen
abgeleistet werden können, auch um die „Krisenresilienz“ der Gesellschaft
zu stärken.
Diesen CDU-Vorschlag hatte so ähnlich auch schon die ehemalige
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer 2019 eingebracht. Zur
Erinnerung: Ausgesetzt hatte Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die
Wehrpflicht 2011 – auch, um die Parlamentsarmee zu modernisieren und zu
einer stärkeren Berufsarmee umzufunktionieren.
Auch Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) sekundiert nun und schlägt
gleich finanzielle und soziale Anreize vor wie Rentenpunkte und
erleichterten Zugang zu Studien- und Ausbildungsplätzen. Garniert wird der
Diskurs in den Springermedien mit der Forderung, die Bundeswehr generell
„mehr in die Gesellschaft“ hereinzuholen – schließlich garantiere sie
Sicherheit und Freiheit und sei damit „Grundvoraussetzung für unser Leben“.
Und selbst der SPD-Verteidigungssprecher Wolfgang Hellmich forderte eine
gesellschaftliche Debatte über eine Dienstpflicht, die „den Gemeinsinn
fördern“ könne.
## „Total gefährlich und völlig verantwortungslos“
Außen vor bleiben in der Diskussion bisher junge Menschen, die gerade noch
coronagebeutelt im Klassenzimmer oder Seminarraum ohne Luftfilter saßen und
gefühlt im nächsten Schritt plötzlich in einer hochgerüsteten Armee gen
Osten ziehen sollen. Karl Müller-Bahlke, stellvertretender
Bundesvorsitzender des SPD-nahen sozialistischen Jugendverbands SJD – Die
Falken, klingt jedenfalls etwas verdattert, wenn er der taz sagt: „Wir
sehen sowohl Wiederaufrüstung als auch die Diskussion um eine neue
Wehrpflicht als total gefährlich und völlig verantwortungslos an.“ Es sei
absurd, diese Debatte jetzt aufzumachen. „Das kann nicht die Antwort auf
die Konflikte aktuell sein“, so der 28-Jährige. „Unsere feste Überzeugung
ist, dass man jungen Menschen nicht anerziehen soll, für ihr Land zu töten
oder zu sterben.“
Immerhin gibt es bereits erste Anzeichen, dass die Debatte wieder verpuffen
wird: Denn Mehrheiten zeichnen sich für eine Verfassungsänderung, die für
eine allgemeine Dienstpflicht erforderlich wäre, nicht ab. Sowohl Linnemann
als auch Hellmich erfuhren direkten Widerspruch aus ihren eigenen Parteien.
CSU-Verteidigungssprecher Florian Hahn sagte, dass die Forderung am Bedarf
der Bundeswehr vorbeigehe. Die Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Eva
Högl (SPD), nannte die Debatte eine „theoretische Diskussion“, die aktuell
nicht weiterhelfe.
Sara Nanni, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, sagte: „Es
spricht auch heute alles dafür, es bei der Aussetzung der Wehrpflicht zu
belassen: Kosten, Nutzen, aber auch das Recht auf Selbstbestimmung junger
Menschen.“ Es werde zudem der Lage nicht gerecht, dass die Debatte bei
nationalen Themen angekommen sei, so Nanni. Auch der
FDP-Verteidigungssprecher Marcus Faber sprach von einem „falschen Signal“.
Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow sagte, Putins Krieg stelle vieles
infrage, eine Wehrpflicht aber gehöre nicht dazu. „Es gab gute Gründe, sie
aufzuheben: Unter anderem verletzt sie Grundrechte und ist im Zweifel der
Zwang zu töten.“
1 Mar 2022
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Wehrpflicht
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