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# taz.de -- Modrows Relativierung des Ukrainekriegs: Linkspartei geht auf Dista…
> Mit einer Äußerung zum Ukrainekrieg sorgt Hans Modrow für Empörung. Jetzt
> will die Linkspartei ihn als Vorsitzenden ihres Ältestenrats ablösen.
Bild: Bald kein Teil des Linken-Ältestenrats mehr: Hans Modrow, hier auf dem P…
Berlin taz | Hans Modrow wird künftig nicht mehr dem Ältestenrat der
Linkspartei vorstehen. Das Gremium soll in den kommenden zwei Monaten
neubesetzt werden. Darauf hat sich der Vorstand der Partei auf seiner
Sitzung am Samstag verständigt. Er zieht damit die Konsequenzen aus einem
Papier, in dem der 94-jährige frühere DDR-Ministerpräsident den Überfall
Russlands auf die Ukraine relativiert hatte.
Die Auslassungen Modrows seien „inakzeptabel und stehen in Widerspruch
[1][zur gemeinsamen Position von Bundespartei und Bundestagsfraktion]“,
heißt es in dem ohne Gegenstimmen gefassten Beschluss des Parteivorstands,
der der taz vorliegt. „Dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg ist durch
nichts zu rechtfertigen“.
Modrow hatte Mitte vergangener Woche eine von ihm selbst verfasste
„Mitteilung über die Beratung des Ältestenrates“ an den Parteivorstand und
weitere Mitglieder der Linkspartei verschickt. In Bezug auf den Krieg in
der Ukraine war dort zu lesen: „Die Frage, wie weit der Krieg in der
Ukraine nun ein Einmarsch russischer Truppen ist oder sich als ein innerer
Bürgerkrieg der Kräfte in den neuen Ost-Staaten und faschistischen
Elementen im Westen der Ukraine darstellt, steht im Raum.“
Dieser äußerst eigenwillige Blick auf die russische Aggression sorgte für
heftige Empörung in der Linkspartei und auch innerhalb des Ältestenrats
selbst, in dessen Namen Modrow seine „Mitteilung“ verfasst hatte. Nicht nur
Ulrich Maurer, [2][einst SPD-Präsidiumsmitglied] und später
[3][parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion] im Bundestag, soll
einen Wutanfall bekommen haben.
## Widerspruch aus dem Ältestenrat
Das Papier habe dem 18-köpfigen Berater:innengremium weder
vorgelegen noch sei es mit ihm abgestimmt worden, teilten die
Ältestenrat-Mitglieder Anni Seidl, Friederun Fessen und Sybille Stamm in
einer schriftlichen Erklärung mit. „Wir stellen fest: Wir sind der Meinung,
es handelt sich um einen verbrecherischen Angriffskrieg Russlands gegen die
Ukraine“. Das stehe für sie „außer Frage und darf nicht relativiert
werden“.
Erst nach heftigem Druck aus den Reihen des Ältestenrats und aus der
Bundesgeschäftsstelle der Linkspartei soll sich Modrow zur
Schadensbegrenzung zu einer Neufassung seiner „Mitteilung“ bereit erklärt
haben. Der fragwürdige Satz wurde ersetzt: „Mit dem völkerrechtswidrigen
Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine sind größte Gefahren für die
Erweiterung des Krieges verbunden“, heißt es jetzt stattdessen. Inhaltlich
habe Modrow allerdings keine Einsicht gezeigt, ist aus dem
Karl-Liebknecht-Haus zu vernehmen.
Die Turbulenzen um den Bericht des Ältestenrates würden zeigen, dass
Arbeitsweise und -form dieses Gremiums „dysfunktional“ seien, konstatiert
nun der Linkspartei-Vorstand. Auf seiner nächsten Sitzung im April soll
zunächst über die künftige Arbeitsweise und Struktur des Ältestenrats
entschieden werden.
Bei der darauffolgenden Parteivorstandssitzung im Mai soll dann die
Neuberufung seiner Mitglieder stattfinden. Dass Modrow nicht mehr zu dem
Kreis gehören werde, darüber habe eine große Einigkeit bestanden, heißt es
aus Vorstandskreisen.
## In der Schlusskurve eines langen politischen Lebens
Hans Modrow gehörte von 1958 bis 1990 der Volkskammer der DDR und von 1967
bis 1989 dem Zentralkomitee der SED an. [4][Damals als „Reformer“ geltend],
wurde er im Herbst 1989 Vorsitzender des Ministerrats der DDR. Bei der
Umwandlung der SED zur PDS spielte er neben Gregor Gysi und Lothar Bisky
eine zentrale Rolle.
Nach der Wiedervereinigung saß Modrow zunächst von 1990 bis 1994 im
Bundestag und anschließend von 1999 bis 2004 im Europarlament. In der PDS
Ehrenvorsitzender, wurde er nach der Fusion mit der WASG 2007 zum
Vorsitzenden des Ältestenrats der Linkspartei berufen.
Innerhalb der Linkspartei sorgt Modrow schon seit einiger Zeit vor allem
für Kopfschütteln. Er erscheine zunehmend verbittert, seine Ansichten
würden immer skurriler und befremdlicher, beklagt ein führender Funktionär.
Das habe etwas Tragisches. Modrow erfasse offenkundig die Realität nur noch
verzerrt, vor allem die außenpolitische.
Ein Beleg dafür ist ein Schreiben Modrows an Susanne Hennig-Wellsow und
Janine Wissler von Mitte Januar. Darin attackiert er die Parteivorsitzenden
und beklagt eine „absurde Äquidistanz zur Außenwelt“: Man könne nicht zu
allen Staaten „den vermeintlich gleichen ideologischen Abstand halten“,
kritisiert er – und lässt keinen Zweifel daran, was er damit meint: „Wer in
das gleiche Horn stößt wie die kapitalistischen Kritiker Russlands und
Chinas, Kubas, Venezuelas usw., macht sich objektiv mit ihren erklärten
wirtschaftlichen und politischen Gegnern gemein.“ Im Kampf um den Frieden
dürfe es „keine Neutralität geben“.
Das war vor dem Einfall der russischen Truppen in die Ukraine. Nun scheinen
auch Wohlmeinendere in der Linkspartei die Geduld mit ihm verloren zu
haben. In Zukunft solle es „eine engere Zusammenarbeit zwischen
Parteivorstand und Ältestenrat geben“, heißt es in dem Beschluss des
Parteivorstands. Ohne Hans Modrow.
27 Mar 2022
## LINKS
[1] /Linkspartei-zur-Russland-Ukraine-Krise/!5837300
[2] /Krise-der-Sozialdemokratie/!5547792
[3] https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2013/44957566_wege_aus_politi…
[4] /Friedliche-Wende-in-der-DDR/!5628564
## AUTOREN
Pascal Beucker
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