# taz.de -- Letzter SED-Regierungschef der DDR: Hans Modrow ist tot | |
> Kurz führte er den Arbeiter- und Bauernstaat, später saß er für die PDS | |
> im Bundestag. Die Wiedervereinigung sah er stets kritisch. Am Samstag | |
> starb er 95-jährig. | |
Bild: Hans Modrow beim Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf dem F… | |
BERLIN dpa/taz | Der letzte DDR-Ministerpräsident der Staatspartei SED, | |
Hans Modrow, ist tot. Er starb in der Nacht zum Samstag im Alter von 95 | |
Jahren, wie die Linke im Bundestag mitteilte. „Damit verliert unsere Partei | |
eine bedeutende Persönlichkeit“, erklärten der Fraktionsvorsitzende Dietmar | |
Bartsch und der frühere Fraktionschef Gregor Gysi. Von November 1989 bis | |
April 1990 lenkte Modrow die Geschicke der DDR. Er verhandelte nach dem | |
Fall der Mauer die ersten Annäherungsschritte mit der Bundesregierung. | |
Der langjährige SED-Funktionär und spätere PDS- und Linke-Politiker galt | |
als überzeugter Sozialist, der sich zu DDR-Zeiten ein kleines Stück | |
kritische Distanz zur allmächtigen SED bewahrt hatte. In den 1970er Jahren | |
wurde Modrow deshalb von der Machtzentrale in Berlin als 1. Bezirkssekretär | |
in die Provinz nach Dresden geschickt. Nach dem Fall der Mauer | |
qualifizierte ihn das für Führungsaufgaben in der sich erneuernden SED. Nur | |
vier Tage danach wurde Modrow am 13. November 1989 zum Vorsitzenden des | |
Ministerrates der DDR als Nachfolger von [1][Willi Stoph] gewählt – für | |
rund 150 Tage. | |
Bei den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 verlor die SED-PDS | |
die Macht und Modrow einen Monat später sein Amt. Ihm folgte als letzter | |
Ministerpräsident der DDR bis zur Wiedervereinigung der CDU-Politiker | |
Lothar de Maizière. | |
In seiner fünfmonatigen Amtszeit versuchte Modrow mit seinem | |
Drei-Stufen-Plan noch, ein Stück DDR zu retten. Als Preis für die deutsche | |
Einheit forderte er eine militärische Neutralität des neuen Staates. Im | |
März 1990 gründete seine Regierung die [2][Treuhandanstalt], die den | |
Übergang von der Plan- in die Marktwirtschaft organisieren sollte. Mit dem | |
sogenannten Modrow-Gesetz ermöglichte der DDR-Ministerpräsident zahlreichen | |
Haus- und Hof-Besitzern, die Grundstücke, auf denen ihre Häuser standen und | |
die oft nach dem Krieg enteignet worden waren, sehr preiswert zu kaufen. | |
„Der gesamte [3][friedliche Verlauf der Herstellung der Deutschen Einheit] | |
war gerade ein besonderes Verdienst von ihm. Das wird sein politisches | |
Vermächtnis bleiben“, schrieben Bartsch und Gysi in ihrem Nachruf. | |
Nach der Wiedervereinigung saß Modrow von 1990 bis 1994 für die PDS im | |
Deutschen Bundestag und vertrat sie von 1999 bis 2004 im Europaparlament. | |
Den neuen Staat sah der Sozialist durchaus kritisch. Zu schnell sei die | |
deutsche Einheit vollzogen worden, zu bedingungslos sei die DDR | |
untergegangen, und zu einseitig sei sie als „Unrechtsstaat“ verdammt | |
worden, rügte Modrow in vielen Interviews. Als Mann der alten Garde | |
trauerte er den einstigen kommunistischen Idealen der DDR hinterher. | |
Bis ins hohe Alter beriet er die Linke als Vorsitzender deren Ältestenrats. | |
Er machte dabei deutlich, dass er sich als früherer Ministerpräsident | |
„weiter in Verantwortung auch den ehemaligen DDR-Bürgern gegenüber“ sehe. | |
Zuletzt hatte er [4][allerdings mit Auslassungen zum Ukraine-Krieg für | |
große Empörung in der Linkspartei gesorgt]. In einer „Mitteilung über die | |
Beratung des Ältestenrates“ relativierte er den Überfall Russlands auf | |
seinen Nachbarn. Der Parteivorstand distanzierte sich daraufhin von Modrow | |
und berief ihn als Vorsitzenden des Ältestenrates ab. Parteimitglieder | |
werteten insbesondere seine außenpolitischen Ansichten als zunehmend | |
skurriler und befremdlicher. | |
11 Feb 2023 | |
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