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# taz.de -- Neue Enthüllungen über Springer-Chef: Skrupelloser Herr Döpfner
> Der Springer-Vorstand deckte Julian Reichelt wohl länger als zugegeben.
> Für sein Haus mag er der richtige Chef sein – für die Zeitungsverleger
> nicht.
Bild: Immer schön lächeln: Mathias Döpfner und Friede Springer im Oktober 20…
Mathias Döpfner ist ein mächtiger Mann. Er ist Top-Manager und heimlicher
Erbe eines der größten Medienunternehmen in Deutschland und Europa: des
Axel Springer Verlags. Er sitzt in den Verwaltungsräten von Warner Music
und Netflix. Döpfner ist auch Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher
und Zeitungsverleger (BDZV), er vertritt also offiziell die deutsche
Presse.
Mathias Döpfner soll aber auch ein Vertuscher und Komplize im Skandal um
seinen Mitarbeiter, den [1][Ex-Bild-Chef Julian Reichelt], sein. Dies legt
eine Recherche der britischen Financial Times (FT) nahe, [2][die diese
Woche erschienen ist]. Die Recherche legt eindrucksvoll offen, dass die
Führungsriege bei Springer, was Reichelts Verhalten angeht, längst nicht so
ahnungslos war, wie sie ein halbes Jahr lang behauptet hatte. Vielmehr übte
sie sich im Versuch, Betroffene und Kritiker mit schmierigen Mitteln zu
bekämpfen.
Im Fall Reichelt geht es um Vorwürfe mehrerer Mitarbeiterinnen, der
Chefredakteur habe sexuelle Gefälligkeiten gegen berufliches Vorankommen
und andere Vorteile getauscht. Darüber [3][berichtete im März 2021 zuerst
der Spiegel]. Springer beauftragte die Kanzlei Freshfields danach mit einer
Untersuchung und verbreitete anschließend, Reichelt habe „Fehler gemacht“,
setzte ihn aber erneut als Chefredakteur der Bild ein – alles noch im März.
Im Oktober dann zwangen Recherchen der New York Times und des damaligen
Investigativteams beim Ippen-Verlag die Springer-Führung, Reichelt doch zu
kündigen. Von „neuen Erkenntnissen“ sprach Springer da. Reichelt habe „n…
Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr“ erneut Privates und
Berufliches nicht klar getrennt. So stellte sich der Verlag als der
Betrogene dar. Kurz bevor Döpfner im Oktober zur Politico-Redaktion nach
Washington flog, die Springer da gerade gekauft hatte, wandte er sich mit
einem Video an die Belegschaft. Er bestritt, schon länger etwas über die
Beziehungen Reichelts gewusst zu haben; gab den Unwissenden, der Reichelt
einmal zu oft vertraut hatte. Fast reumütig sagte er: „Hinterher ist man
immer klüger.“
## Untragbare Führungskraft
Nun aber zeigt die FT, dass Döpfner und dem Springer-Vorstand die Tragweite
des Problems Reichelt zwischen März und Oktober durchaus bewusst gewesen
sein muss. Die schwerwiegendsten Vorwürfe gegen Reichelt waren ihnen
bekannt, spätestens nach dem Compliance-Verfahren und definitiv vor dem
Erscheinen der New-York-Times-Recherche.
Anstatt sich aber von einer professionell und menschlich untragbaren
Führungskraft zu trennen, muss Döpfner versucht haben, alles zu kaschieren.
Mit großem Aufwand: Er engagierte offenbar einen Anwalt eigens dafür, gegen
betroffene Mitarbeiterinnen zu ermitteln – sowie gegen die Satiriker Jan
Böhmermann und Friedrich Küppersbusch, die über die Vorwürfe öffentlich
Andeutungen gemacht hatten.
Döpfner war entschlossen, so scheint es, alles als böse Verschwörung gegen
sich und den Verlag darzustellen. Das zeugt von Skrupellosigkeit gegenüber
der eigenen Belegschaft. Selbst jetzt, wo die FT-Recherche die Rolle von
Springers Spitze in der Causa Reichelt offengelegt hat, behauptet der
Verlag weiterhin, die FT zeichne „ein irreführendes Bild“. So steht es in
einer internen Mail des Vorstands an die Belegschaft. Eine detaillierte
Stellungnahme fehlt jedoch. Stattdessen solle gemeinsam daran gearbeitet
werden, Springer „zu einem besseren Unternehmen zu machen“.
Über die erste, interne Untersuchung durch die Kanzlei Freshfields wurde
Reichelt laut FT laufend unterrichtet. Details aus dem Bericht sollen es
Reichelt möglich gemacht haben, Zeuginnen zu identifizieren. Er soll die
Mutter einer Betroffenen angerufen und unter Druck gesetzt haben. Denn
sollte die Untersuchung bekannt werden, wird ein Vorstandsmitglied bei
Springer zitiert, würde das Unternehmen das nicht überstehen.
## Unternehmen reinwaschen
Diese Vertuschungsstrategie scheiterte erst mit der
New-York-Times-Recherche im Oktober. Denn nun stand das Ansehen des Verlags
bei gegenwärtigen und künftigen US-Partnern auf dem Spiel. Bei Affären mit
Untergebenen versteht Corporate America keinen Spaß. Reichelt war nicht
länger tragbar, das Unternehmen dagegen musste reingewaschen werden.
Döpfners Skrupellosigkeit traf nun auch seinen eigenen „besten Mann“.
Wäre dies eine Parabel über Gerechtigkeit, würde diese Skrupellosigkeit
irgendwann auch Döpfner selbst zum Verhängnis werden. Döpfner müsse
gestürzt werden, liest man nun auch bei jeder Gelegenheit. Seine Macht ist
jedoch sicherer, als viele sich das vorstellen.
Denn die Basis seiner Herrschaft ist komplex. Döpfner ist gleich Springer –
oder wie es die dpa im September 2020 schrieb: „Springer ist jetzt
Döpfner.“ Da war gerade bekannt geworden, dass Friede Springer Döpfner rund
15 Prozent ihrer Anteile am Unternehmen geschenkt hatte. Anders
ausgedrückt: Sie hat ihm einen Batzen Macht rübergeschoben. Mit weiteren
Anteilen zusammen ist Döpfner nun gleichauf mit der Verlegerin. Von ihm
verspricht sich Friede Springer, dass er für Kontinuität sorgt, wie sie in
einem Interview sagte. Diesen Auftrag erfüllt er – mit allen Mitteln.
Seine Macht besteht aber auch in der Ehrfurcht, die man ihm und Springer in
Deutschland entgegenbringt. Man muss den ausländischen Kolleg:innen
dankbar sein: New York Times und Financial Times treiben Döpfner vor sich
her, während mit [4][Ippen ein großer deutscher Verlag] seine Recherche
einfach versenkte.
## Selber Politbüro
Drittens ist es das Ansehen, das Döpfner hierzulande als Person genießt.
Anders als Provokateure wie Julian Reichelt und Ulf Poschardt gilt der
Kunstkenner Döpfner als kultivierter, verlässlicher Partner, so auch als
Vertreter der freien Presse im BDZV.
Das Präsidium des Verbands sprach ihm selbst noch dann das Vertrauen aus,
als bekannt wurde, dass Döpfner eine wirr verschwörungsgläubige
Textnachricht an seinen damaligen Freund, den Schriftsteller Benjamin von
Stuckrad-Barre, geschrieben hatte – in der er fabulierte, Reichelt sei „der
letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den
neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ aufbegehre, während „fast alle anderen zu
Propaganda-Assistenten geworden“ seien.
Mathias Döpfner hat seine Glaubwürdigkeit längst verloren. Einer, der sich
und seinen Verlag als letzte Bastion der Unabhängigkeit begreift, wie ihn
die FT zitiert, und der sich umzingelt sieht von Feinden, wird immer mehr
selbst zu dieser von ihm verabscheuten Diktatur, die, im Politbüro sitzend,
nicht einsehen will, dass ihr System das Problem ist. Das Problem eines
Verrückten, der überall eine Verschwörung wittert, ist ja, dass er selbst
nicht merkt, verrückt zu sein.
In einem Unternehmen, dessen prominenteste Marke Bild mit Ängsten Geld
verdient und das zur Selbsterhaltung offenbar über Leichen geht, ist er
damit weiterhin der perfekte Chef; als Sprecher deutscher journalistischer
Unternehmen hingegen längst nicht mehr. [5][Am kommenden Montag soll auf
einer Versammlung des BDZV vermutlich darüber gesprochen werden, ob Döpfner
noch tragbar ist.] Die Funke-Mediengruppe hat gegenüber dem Spiegel nun
schon klargestellt, dass sie eine „Neuaufstellung der ehrenamtlichen
Strukturen“ im BDZV „für unerlässlich“ halte. Diesmal muss eben klar se…
Döpfner sollte seinen Posten räumen.
11 Feb 2022
## LINKS
[1] /Neues-von-Julian-Reichelt/!5817057
[2] https://www.ft.com/content/0317edd2-cf37-4d32-9e03-e7288904126c
[3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/julian-reichelt-compliance-ve…
[4] /Dirk-Ippen-und-der-Springer-Verlag/!5807209
[5] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/funke-mediengruppe-schiesst-g…
## AUTOREN
Erica Zingher
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