# taz.de -- Kontroverse um Surfpark in Stade: Großer Spaß oder großer Mist? | |
> In Stade soll mitten auf dem Acker ein Surfpark entstehen. Die | |
> Initiatoren versprechen Nachhaltigkeit, aber Umweltschützer*innen | |
> protestieren. | |
Bild: Perfekte Welle: Hund beim Surfwettbewerb „Surf City Surf Dog“ in Hunt… | |
HANNOVER TAZ Es klang doch alles so gut am Anfang: Zwei Brüder aus der | |
Region, selbst passionierte Surfer, planen ein riesiges Spaßprojekt auf | |
einem Acker hinter Stade. Der war ursprünglich für Gewerbeansiedlungen | |
vorgesehen – ein BMW-Standort war dort im Gespräch, der dann aber nach | |
Leipzig wanderte. In der Nähe liegen das Airbus-Werk und der Flugplatz. | |
Wenn es nach Jan und Dirk Podbielski geht, könnte dort nun bald eine 20.000 | |
Quadratmeter große Wasserfläche die Landschaft schmücken. In den | |
Projektpräsentationen sieht sie aus wie ein riesiges blaues Tortenstück. | |
Versehen mit einer Wellenmaschine des spanischen Herstellers Wavegarden, | |
die auf Knopfdruck die perfekten Wellen für Surfer erzeugt – von | |
anfängertauglichen 0,5 bis wettkampftauglichen zwei Metern Höhe. | |
Rundherum sollen eine Surfschule und ein Surfshop entstehen, ein | |
Abenteuerspielplatz und weitere Sportflächen für Beachvolleyball, Klettern, | |
Skaten oder sonstiges, ein Hauptgebäude mit sanitären Anlagen, Kursräumen, | |
Gastronomie, die auch für Events vermietet werden soll, später sogar | |
Übernachtungsmöglichkeiten in kleinen Hütten oder im eigenen Camper. | |
Die Podbielskis kennen sich mit Großprojekten aus: Der eine ist Physiker | |
und war bisher mit der Planung von Offshore-Windparks beschäftigt, der | |
andere ist Betriebswirt. Von Anfang an haben sie betont, wie grün und | |
nachhaltig alles sein soll. | |
Und Politik und Stadtverwaltung zeigten sich zunächst entzückt. [1][Stade | |
könnte diese touristische Attraktion gut gebrauchen], hieß es in den ersten | |
Stellungnahmen. Die Stadt würde gern versuchen, in der Nachbarschaft des | |
Projekts einen Gewerbepark zu entwickeln, vielleicht mit einer ähnliche | |
Stoßrichtung, Nachhaltigkeit, Freizeit- und Sportsektor. | |
## Fridays for Future gehören zu den ersten Kritikern | |
Noch die erste Öffentlichkeitsbeteiligung zur Änderung des | |
Flächennutzungsplanes ging ziemlich glatt durch, es gab kaum Einwände. Doch | |
dann wachten die ersten Kritiker auf. Die örtlichen „Fridays for Future“ | |
merkten an, dass dieses Projekt doch wohl überhaupt nicht mehr in die Zeit | |
passe – vor allem, da die Stadt sich doch verpflichtet habe, CO2-Ausstoss | |
und Flächenverbrauch zu reduzieren. | |
Die Linken in Stade begannen, das Geschäftsmodell infrage zu stellen: Woher | |
sollen eigentlich diese 200.000 Surfer kommen, die die Macher anpeilen, mit | |
welchen Verkehrsmitteln reisen die an und was sind das für Leute? Immerhin | |
kostet eine Stunde in vergleichbaren Anlagen rund 60 Euro – Gebühren für | |
einen Kurs oder das Equipment kommen noch dazu. Wenn man also ohnehin so | |
viel Geld ausgibt, fährt man dann nicht lieber gleich an die nahe oder auch | |
ferne Küste zum Surfen? | |
Das war ja eines der Öko-Argumente der Planer: Dass man Fernreisen | |
vermeidet, wenn Surfer sich auch vor der Haustür tummeln können – und das | |
mit Wellengarantie. Allerdings gibt es in ganz Europa aktuell [2][so einige | |
Projekte], die darauf setzen, auch in Deutschland. [3][Von stehenden Wellen | |
auf Flüssen bis zu Indoor- und Outdoor-Surfanlagen] reicht das Spektrum und | |
es werden immer mehr. Am Ende ist die Frage, ob sie sich gegenseitig die | |
Surfer abgraben. | |
Mit Bernd Hohendorff hat sich ein örtlicher Mediziner des Themas angenommen | |
und viele Kritiker in einer wachsenden Bürgerinitiative versammelt. Dabei | |
sind Landwirte und Umweltschützer, Lokalpolitiker und Bürger. In ihren | |
Augen gibt es eine ganze Reihe von Nachhaltigkeitsversprechen, hinter die | |
man eigentlich ein Fragezeichen setzen müsste. | |
Wie wollen die Betreiber denn eigentlich die 100 Prozent regenerativen | |
Energien erzeugen, mit denen die Anlage betrieben werden soll? Wie hoch ist | |
der Energieverbrauch tatsächlich? Wie viel Grundwasser und Trinkwasser wird | |
verbraucht, um das „Riesenplanschbecken“ mitten auf dem Acker zu befüllen | |
und das verdunstende Wasser zu ersetzen? Wie wird das Gelände verkehrsmäßig | |
und versorgungstechnisch erschlossen und wer zahlt das? | |
Projektgründer Jan Podbielski glaubt, dass sie für alle diese Fragen gute | |
Antworten finden werden. „Wir haben das ganz klar zur Planungsgrundlage | |
gemacht. Wir wollen den Energiebedarf aus erneuerbaren Energien decken und | |
einen geschlossenen Wasserkreislauf, der dafür sorgt, dass nicht ständig | |
neu befüllt werden muss.“ | |
Verdunstetes Wasser soll durch Regenwasser ersetzt werden. Vieles lasse | |
sich jetzt aber noch nicht so genau beziffern, weil die Planung im Laufe | |
des Prozesses ja auch laufend angepasst werden müsste. „Wir sind ja jetzt | |
erst bei der Bauleitplanung, da ist vieles von den Kritikpunkten noch gar | |
kein Thema. Bauantrag und Baugenehmigung kommen erst danach“, sagt | |
Podbielski. Dann könnte es aber zu spät sein, fürchten die Kritiker und | |
wollen sich auf die von Surfgarten gelieferten Zahlen auch nicht gern | |
verlassen. | |
## Sinnvolles Gewerbe oder Schnickschnack? | |
Aber die Stadt plane für diesen Gewerbepark doch schon eine ganze Reihe von | |
Auflagen wie begrünte Dächer oder Fassaden und verpflichtende | |
Photovoltaikanlagen, argumentiert Podbielski. | |
Und die Planung des Surfgartens gehe noch einmal über diese Vorgaben | |
hinaus. „Natürlich wird es ein gewisses Maß an Flächenversiegelung geben | |
und natürlich verbrauchen wir – wie jedes andere Gewerbe auch – Ressourcen | |
und Energie. Aber doch in einem ganz anderen Ausmaß als ein | |
Produktionsbetrieb.“ | |
Letztlich hängt also vieles daran, was man als Alternative ansieht: Eine | |
Ackerfläche oder einen konventionellen Produktionsbetrieb, wie er | |
ursprünglich vorgesehen war. Und daran, ob man das Projekt für ein | |
vielversprechendes Gewerbe hält oder für überflüssigen Schnickschnack für | |
ein paar Privilegierte. So zeichnet sich jedenfalls auch der Konflikt in | |
den Leserbriefen ab, die das Stader Tageblatt seit Monaten abdruckt. | |
Von Ende November bis zum 7. Januar lief nun die zweite öffentliche | |
Auslegung. „Wir haben 300 Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit erhalten, | |
davon sind 80 Prozent positiv und 20 Prozent kritisch“, sagt der Leiter des | |
städtischen Planungsamtes, Jens Bossen. | |
Die werden nun gemeinsam mit dem Planungsbüro geprüft und beantwortet und | |
dann dem Rat zur Entscheidung vorgelegt. Die Verwaltung würde dies gern | |
noch vor Ostern tun. Angesichts der Vielzahl der Einwände ist aber nicht | |
sicher, ob sich dieser Zeitplan halten lässt. | |
15 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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