# taz.de -- Streit um CO2-Vermeidung: Unterelbe soll Gas geben | |
> In Stade und Brunsbüttel sollen Import-Terminals für verflüssigtes Erdgas | |
> (LNG) entstehen. Ein Schritt Richtung Energiewende oder das Gegenteil? | |
Bild: Vielfältig verwendbar: Flüssiggas wird in Brunsbüttel in einen Kesselw… | |
Hamburg taz | Beim Atomkraftwerk Stade hat der Abriss begonnen, Brunsbüttel | |
steht still und Brokdorf soll Ende diesen Jahres abgeschaltet werden. Doch | |
kaum ist dieser Kampf zu Ende, richtet sich die Sorge der Umweltgruppen auf | |
einen neuen Gegenstand: [1][Zwei Entladestationen für Tanker mit Flüssiggas | |
– Liquefied Natural Gas (LNG)] – sollen in Stade kurz vor Hamburg und in | |
Brunsbüttel nahe der Elbmündung errichtet werden. | |
An der Unterelbe stehen die Atomruinen (in spe) als Symbole für eine | |
Energiepolitik, die sich als Sackgasse erwiesen hat. Einen ähnlichen | |
Fehler, so befürchten Umweltschützer, könnte die Politik jetzt wieder | |
begehen, indem sie sich mit den LNG-Terminals langfristig auf einen | |
Versorgungspfad festlegt, der möglicherweise mehr Probleme als Lösungen mit | |
sich bringt. | |
Die Landesregierungen in Kiel und Hannover sehen in den Terminals eine | |
Chance, ihre Häfen zu stärken und damit eine CO2-arme | |
[2][Brückentechnologie] zu installieren – hin zu einer Energieversorgung, | |
die gar kein Kohlendioxid mehr in die Atmosphäre entlässt. Viele | |
Umweltverbände halten das für gefährlichen Unsinn. | |
„Wir brauchen keine Brückentechnologie sondern eine Energiewende“, sagt | |
Reinhard Knof von der [3][Bürgerinitiative Kein CO2-Endlager]. Das Problem | |
beim LNG sei nicht so sehr das CO2, sondern das vielfach klimawirksamere | |
Methan, das damit freigesetzt werde. „Das bedeutet, wir dürfen keinen Cent | |
mehr in die Methaninfrastruktur investieren“, sagt Knof. | |
31 Umweltorganisationen – lokale, überregionale und internationale von | |
derjenigen Knofs bis zu Friends of the Earth Europa haben deshalb im | |
Februar einen „[4][letter of desinterest]“ an die Landes- und | |
Bundesministerium für Wirtschaft sowie die Investoren geschrieben. Sie | |
warnen vor „negativen Klimawirkungen fossilen Gases und LNG im Besonderen“. | |
Der Bau der LNG-Terminals drohe eine fossile, klimaschädliche | |
Energieversorgung zu verfestigen oder Investitionsruinen zu hinterlassen. | |
Die Investitionssummen haben es in sich: Für Stade werden 800 Millionen | |
Euro veranschlagt, für Brunsbüttel 500 Millionen. Dafür sollen Piers für | |
bis zu 345 Meter lange Tanker gebaut werden und kleinere, an denen das Gas | |
umgeladen werden kann oder Schiffe LNG direkt als Treibstoff aufnehmen | |
können. Dazu kommen Tanks, Gasifizierungsanlagen und Leitungen. | |
Die Landesregierungen in Kiel (schwarz-gelb-grün) und Hannover | |
(rot-schwarz) unterstützen den Bau der LNG-Terminals. Der Standort | |
Brunsbüttel biete sich an, heißt es in einer [5][Veröffentlichung des | |
schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministeriums]: „Die Lage an | |
Nord-Ostsee-Kanal und Elbe schafft beste Voraussetzungen“, heißt es da. | |
„Zudem ist Brunsbüttel das größte zusammenhängende Industriegebiet | |
Schleswig-Holsteins.“ Dort seien vor allem viele Chemie-Unternehmen | |
angesiedelt, die einen hohen Gasbedarf haben und für die LNG eine | |
interessante Alternative zu Pipelinegas darstellen könnte. | |
Ähnlich stellt sich die Lage im niedersächsischen Stade mit dem | |
Chemieriesen Dow dar. Hier verspricht der designierte Betreiber | |
[6][Hanseatic Energy Hub] einen Null-Emissions-Terminal: Für die | |
Regasifizierung könne die industrielle Abwärme der Chemiefabrik genutzt | |
werden. Sie könne auch die anfallenden Dämpfe verbrennen und die im LNG | |
gespeicherte Kälte zur Kühlung verwenden. | |
Das von dem Freien Demokraten Bernd Buchholz geführte Kieler Ministerium | |
verweist auf eine [7][Studie des Engler-Bunte-Instituts im Auftrag des | |
Bundesverkehrsministeriums (BMVI)]. Demnach stoßen LNG-betriebene Lastwagen | |
20 Prozent weniger CO2 aus als solche mit Diesel und Schiffe 23 Prozent | |
weniger. Dabei wird die gesamte Prozesskette von der Förderung bis zum Rad | |
oder der Schiffsschraube berücksichtigt. Im Vergleich zu Erdgas aus der | |
Pipeline schneidet LNG jedoch schlechter ab, wie eine [8][Metastudie im | |
Auftrag des Umweltbundesamtes] zeigt. | |
## Eine Frage der Herkunft | |
Darin wird klar, dass es sehr auf die Herkunft des Flüssiggases ankommt. | |
Auf langen Transportwegen wird viel Methan freigesetzt; ebenso, wenn das | |
Gas durch unkonventionelles Fracking gewonnen wird, bei dem vor allem in | |
den USA tief unter der Erde Gestein aufgesprengt wird. Methan heizt das | |
Klima um ein Vielfaches stärker auf als CO2. | |
Die Autoren der UBA-Studie – wiederum vom Engler-Bunte-Institut sowie vom | |
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung – kommen zu dem | |
Schluss, dass LNG in der Regel klimafreundlicher ist als Kohle und Erdöl. | |
Allerdings sorgten der Energieaufand bei der Verflüssigung und beim | |
Transport dafür, dass LNG beim Klimaschutz schlechter abschneidet als | |
Erdgas aus der Pipeline. | |
Bei einzelnen Anwendungen, wo es schwierig sei, Alternativen zu finden, | |
könne der Einsatz daher sinnvoll sein. Das gelte insbesondere für die | |
Schifffahrt, die aufgrund verschärfter Abgasvorschriften nach Lösungen | |
sucht, wie sie weniger Stickoxid, Schwefel und Ruß emittieren kann. Unterm | |
Strich sei aus klimapolitischer Sicht und unter Energieeffizienzaspekten | |
ein verstärkter Einsatz von LNG insbesondere im Vergleich zu per Pipeline | |
transportiertem Gas nicht begründbar. | |
Die Befürworter der LNG-Terminals argumentieren damit, dass die neue | |
Infrastruktur genutzt werden könnte, um „grünes“ Gas zu importierten – … | |
das irgendwo auf der Welt mit erneuerbarer Energie über den Umweg | |
Wasserstoff erzeugt würde. Sinnvoll wäre das aber nur bei einem weltweit | |
großen Überschuss an erneuerbarer Energie. | |
## „Gute Voraussetzungen“ für Brunsbüttel | |
Der designierte Terminal-[9][Betreiber German LNG-Terminal], ein Joint | |
Venture aus Gasunie, Oiltanking und Vopak, hat die TU Hamburg beauftragt zu | |
prüfen, was das geplante LNG Terminal durch einen zunehmenden Import von | |
„grüner“ Energie zum Klimaschutz beitragen könnte. „Brunsbüttel hat gu… | |
Voraussetzungen, sich zu einem Hub für eine norddeutsche | |
Wasserstoffwirtschaft zu entwickeln“, ließ sich der TU-Professor Martin | |
Kaltschmitt vorab zitieren. Ein erstes Ergebnis soll im August vorliegen. | |
Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und das Klimabündnis LNG, dem sich auch | |
eine Reihe lokaler Initiativen angschlossen hat, ist der Fall jedenfalls | |
klar. Sie gehen davon aus, dass die Methanemissionen weitaus größer sind, | |
als die Anlagenbetreiber zugeben wollen, und haben Proteste sowie | |
rechtliche Schritte angekündigt, nachdem German LNG am 1. Juli einen Antrag | |
auf Planfeststellung für den Terminal in Brunsbüttel gestellt hat. | |
Die DUH legte ein [10][Rechtsgutachten] der Berliner Anwältin Cornelia | |
Ziehm vor. Sie hält der Bundesregierung vor, bei den Terminalplänen den | |
Klimaschutz außer Acht zu lassen. Im Übrigen sei der Terminal in | |
Brunsbüttel als Störfallbetrieb zu bewerten, der nicht in der Nähe anderer | |
Störfallbetriebe errichtet werden dürfe. Gleich nebenan gibt es eine Anlage | |
zur Verbrennung von Sondermüll und das Lager mit den abgebrannten | |
Brennelementen des AKW Brunsbüttel. | |
Brunsbüttels parteiloser Bürgermeister Martin Schmedtje findet, so ein | |
Terminal würde gut zum Industriestandort Brunsbüttel passen. Die Stadt habe | |
die Fläche. Das Projekt werde von Experten als notwendig erachtet und | |
schaffe 70 Arbeitsplätze. „Wir würden das Terminal gerne nehmen“, sagt der | |
Bürgermeister. | |
24 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Alternativer-Treibstoff/!5088186 | |
[2] /Energieexpertin-Kemfert-zu-Nord-Stream-2/!5747022 | |
[3] http://www.keinco2endlager.de | |
[4] https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/deutsche-umwe… | |
[5] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/Themen/Energie/LNG/lng… | |
[6] https://www.hanseatic-energy-hub.de/ | |
[7] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/MKS/bericht-einsatz-lng-demo-lkw… | |
[8] https://www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/ccx/2019/2019-05-15… | |
[9] https://germanlng.com/unternehmensprofil/?lang=de | |
[10] https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/verschleieru… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
Stade | |
LNG | |
fossile Energien | |
Wasserstoff | |
Surfen | |
LNG | |
LNG | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Stade | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kontroverse um Surfpark in Stade: Großer Spaß oder großer Mist? | |
In Stade soll mitten auf dem Acker ein Surfpark entstehen. Die Initiatoren | |
versprechen Nachhaltigkeit, aber Umweltschützer*innen protestieren. | |
Ende Gelände über Protest gegen Erdgas: „Zeitbombe für den Planeten“ | |
Klimaaktivist*innen zielen in diesem Jahr auf das geplante LNG-Terminal | |
in Brunsbüttel. Ein Gespräch über Strategien und „Brückentechnologien“. | |
Europas Energieversorgung: Flüssiggas ist ein Politikum | |
Bei der Frage, ob Deutschland einen Flüssiggas(LNG)-Terminal bauen soll, | |
geht es auch um Geopolitik und Bündnisloyalitäten. | |
Energieexpertin Kemfert zu Nord Stream 2: „Pipeline setzt Geld in den Sand“ | |
Erdgas und Klimaziele? Passt nicht zusammen. Deshalb ist klar, dass Nord | |
Stream 2 nicht rentabel sein kann, meint Energieexpertin Claudia Kemfert. | |
Umweltverband gegen Flüssiggasterminal: Gassperre für Stades Pläne | |
Ein Gutachten der Deutschen Umwelthilfe soll Flüssiggas-Handel über Stade | |
verhindern. Ein großes Terminal gefährde Schutzgebiete – und das Klima. |