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# taz.de -- Surfen in Nürnberg: Danke für die Welle, Söder!
> In Nürnberg wurde die erste Fluss-Wellenanlage Deutschlands gebaut. Der
> Probebetrieb läuft – auch weil Söder großzügig Fördergelder lockermach…
Bild: Was München kann, kann Nürnberg schon lange
Nürnberg taz | „Geil!“ Das sagt Markus als Erstes, nachdem er eine knappe
Minute kräftig spritzend auf der Welle hin und her „geritten“ ist, wie es
in der Surfsprache heißt. Er steckt in einem dicken, schwarzen
Neoprenanzug und zeigt ein Honigkuchenpferd-Grinsen.
Es scheint, als habe der angehende Wellenwart eine ziemlich angenehme Droge
eingeworfen, an die er sich aber noch gewöhnen muss. Dazu passt der Satz,
den Markus hinterherschickt: „Es fühlt sich noch etwas surreal an.“ So
ähnlich äußern sich Christiane, Dani, Lars und Thorsten, die an diesem
kalten Wintertag im westlichen Pegnitztal während des Probebetriebs
surfen. Mit ihren Surfbrettern haben sie Neuland betreten. Sie reiten auf
einer stehenden Flusswelle, die in der Pegnitz kurz vor der Fürther
Stadtgrenze im sogenannten Fuchsloch entstanden ist. Die erste ihrer Art in
Deutschland.
Im Juli 2020 startete der Bau der Surferanlage, die der 2012 gegründete
Verein Nürnberger Dauerwelle realisiert hat und künftig auch „nicht
kommerziell betreiben wird“, wie der 1. Vorsitzende Thorsten Keck betont.
Es war ein enormer Planungs- und Finanzierungsmarathon, der im Prinzip
schon im Jahr 2011 begonnen [1][und mit Markus Söder zu tun] hat.
Der heutige Ministerpräsident Bayerns war damals noch Bayerns
Umweltminister, als er die Pläne für die Sanierung und Aufwertung des
kränkelnden Wöhrder Sees vorstellte. Im Zuge der öffentlichen
Präsentationen wurde der Wunsch der jungen Surfgeneration nach einer
künstlich erzeugten „stehenden Welle“ aufgenommen.
## Kosten von etwa drei Millionen Euro
Im Stausee fand sich kein passender Ort mehr. Doch als Apostel des
Fortschritts sicherte Söder einen pauschalen Zuschuss von 250.000 Euro vom
Freistaat zu, falls so eine Anlage verwirklicht werden könnte. Danach hat
es ein paar Jahre gedauert, bis Land in Sicht war. Mehrere Standorte
entlang der Pegnitz wurden geprüft.
Für das betonierte Flussbett im Fuchsloch lag im Frühjahr 2017 immerhin die
wasserrechtliche Genehmigung vor: ein erster Meilenstein im
Genehmigungsprozess, in dem von der Finanzierung über die Technik bis zu
den Interessen anderer Flussnutzer:innen – wie Fischereivereine und
Kanuten – noch einiges zu klären war.
Die Kosten stiegen so bis zum ersten Spatenstich, bei dem Söder natürlich
auch mit von der Partie war, von 1,5 auf 2,4 Millionen Euro. Und dabei wird
es nicht bleiben: Vereinschef Thorsten Keck rechnet am Ende mit drei
Millionen Euro, weil beim Bau der Pilotanlage ein paar Nachbesserungen
fällig wurden und in Coronazeiten so manches teurer wurde. Das bedeutet:
Der Freistaat Bayern muss wohl anteilig mehr als die bisher veranschlagten
1,1 Millionen Euro und die Stadt Nürnberg mehr als 0,9 Millionen Euro
beisteuern.
Für den restlichen Betrag ist neben dem Hauptsponsor Adidas und kleineren
Sponsoren vor allem der Verein selbst gefragt. Hier gibt sich Keck
zuversichtlich, denn die Zahl der Mitglieder hat sich seit Baubeginn im
Juli 2020 verdoppelt – von rund 200 auf über 400. Er verweist auf gut 2.000
Arbeitsstunden Eigenleistung, die insbesondere in die naturnahe Gestaltung
des Geländes rund um die „Fuchslochwelle“ und das Befestigen des Ufers mit
Holzplanken geflossen sind.
## Seit Dezember läuft der Probebetrieb
Auf [2][Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein] legt der Verein großen Wert,
wie immer wieder betont wird. Die Ökobilanz, das bekräftigte auch der
frühere Umweltreferent Peter Pluschke bei Baubeginn, sei positiv. Das
heißt: Durch das Wellenprojekt wird das Umfeld, wo die Pegnitz früher in
ein Betonbett gelegt worden war, ökologisch aufgewertet.
Seit Dezember läuft nun der Probebetrieb am acht Meter breiten Wellenkanal
mit rund 20 Leuten, die planmäßig bis März 2022 ausgebildet werden – zu
Wellenmeister:innen und Wellenwart:innen. Neun bis zehn Kubikmeter
Wasser fließen pro Sekunde über die Anlage, deren drei Klappen
elektronisch gesteuert werden.
Ein Tablet genügt, um individuelle Wellen zu erzeugen, die in ihrer Härte
auf Anfänger und Könner abgestimmt werden können – und auf den Wasserstand.
Und klar ist laut Keck: Innerhalb von 15 Sekunden kann die Anlage im
Notfall gestoppt werden. Auf beiden Seiten des Flusses, wo es
Einstiegsstellen gibt, sind rote Knöpfe installiert.
Zwischen 30 und 90 Sekunden dauert im Schnitt ein Ritt auf der Welle.
Könner wie Markus und Thorsten Keck kurven rasant von einer zur nächsten
Seite. Dagegen geht es bei Dani, die erst das zweite Mal auf der Flusswelle
steht, erst mal darum, das Gleichgewicht zu halten. „Learning by doing“
lautet derzeit im Prinzip auf allen Ebenen das Motto. Im April soll zuerst
ein geregelter Betrieb für die Mitglieder losgehen, im Sommer will man auch
„Slots“ für die Allgemeinheit anbieten. Bis dahin sollen die Zäune um die
Anlage abgebaut sein.
Die Bevölkerung beobachtet den Bau der Wassersportanlage im Fuchsloch schon
die ganze Zeit von einer schmalen Brücke aus. Zehn Jahre haben Techniker
der Universität Innsbruck am Konzept der Flusswelle gefeilt, die von der
Firma Dreamwave hergestellt und von der Firma Muhr aus Rosenheim umgesetzt
wird, die ansonsten auf Wasserkraftwerke spezialisiert ist. Auch aus der
Ferne sind viele Augen auf Nürnberg gerichtet.
Besonders aus Hannover, wo der Verein Leinewelle seit 2013 ein ähnliches
Projekt verfolgt, bei dem im Juni 2021 der Bau begonnen hat. Ebenso lange
reifen auch in Wolfratshausen die Überlegungen eines Vereins für eine
stehende Welle in Loisach, für die Ende 2021 die letzten Weichen gestellt
wurden.
Dass in den Parlamenten wegen der Mehrkosten in Nürnberg noch mal eine
Welle der Empörung hochschwappt, glaubt auch die Nürnberger
Grünen-Landtagsabgeordnete Verena Osgyan nicht. Das Projekt sei „allseits
gewollt“ gewesen und unterstützt worden. Begrüßt wird außerdem, dass die
fränkischen Surfer:innen nicht mehr 170 Kilometer zum Eisbach in München
oder über tausend Kilometer Richtung portugiesische Küste für ihr Hobby
reisen müssen.
Es wird also Beifall für alle geben, wenn im Sommer 2022 die offizielle
Einweihung stattfindet. Und nach zwei kurzfristigen Absagen im
Wahlkampf-September 2021 wird [3][Markus Söder] diesmal garantiert einen
Termin vorschlagen.
28 Jan 2022
## LINKS
[1] /Ambitionen-von-Markus-Soeder/!5795988
[2] /CSU-Chef-entdeckt-Umweltschutz/!5624628
[3] /CSU-Chef-entdeckt-Umweltschutz/!5624628
## AUTOREN
Jo Seuß
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kolumne Die Wahrheit
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