Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausstellung in New York: Begrenzte Kühnheit
> Entgegen dem Titel „Labyrinth of Forms“ präsentiert das Whitney Museum of
> American Art in New York „Women and Abstraction“ in etwas all zu
> übersichtlicher Form.
Bild: Installation view of Labyrinth of Forms: Women and Abstraction, 1930-1950
Wer die Qualität der Ausstellung „Labyrinth of Forms: Women and
Abstraction, 1930–1950“ verstehen will, muss im New Yorker Whitney Museum
zwei Stockwerke höher beginnen. Hier wird gerade die große Retrospektive
des US-amerikanischen Künstlers Jasper Johns gezeigt. Eine echte
Monster-Ausstellung.
Denn die Präsentation der Werke seiner sich über 65 Jahre hin erstreckenden
Karriere verlangt nach viel Raum. Die Großzügigkeit des guten Dutzend
meterhoher Hallen kann schnell ein Gefühl der Verlorenheit und
Überforderung auslösen. Dazu tragen neben den weiten Wegen auch die
ausführlichen Texte zu den einzelnen Schaffensphasen Johns und die Fülle an
Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen und Drucken bei.
Etwas ganz anderes erwartet die Whitney-Besucher und -Besucherinnen dagegen
zwei Stockwerke tiefer. Hier ist es den Ausstellungsmachern gelungen, große
Kunst in überschaubarer und kompakter Form zu präsentieren. Die Ausstellung
„Labyrinth of Forms: Women and Abstraction, 1930–1950“ würdigt den häuf…
übersehenen Beitrag von Frauen zur Entwicklung des Abstrakten
Expressionismus. Und stellt dafür 27 Künstlerinnen mit 30 Arbeiten aus.
Ein großes, ein wichtiges Unterfangen. Trotzdem gelingt es der Ausstellung
– anders als bei Jasper Johns –, das Publikum weder physisch noch
intellektuell zu überfordern. Viel trägt der besondere Präsentationsort
dazu bei. Wer aus dem Aufzug im dritten Stock steigt oder das Treppenhaus
verlässt, muss sich keine Sekunde lang orientieren. Die gesamte Ausstellung
ist sofort und auf den ersten Blick vollständig erfassbar.
## Wer kennt Minna Citron, Perle Fine oder Agnes Lyall?
Den Ausstellungsmachern ist es nämlich gelungen, die 30 Zeichnungen,
Holzschnitte, Drucke, Lithografien und Collagen der Künstlerinnen auf den
Wänden eines nicht einmal drei Meter hohen Flurs zu präsentieren. Es
handelt sich ausschließlich um DIN-A5- bis DIN-A3-Formate. Das macht die
Ausstellung noch übersichtlicher. Von hier aus geht es direkt zum
pädagogischen Zentrum, dem Auditorium und – praktischerweise – den
Museumstoiletten.
Gerade für viele gestresste New Yorker und New Yorkerinnen ist das ein
Segen. Wer nicht viel Zeit ins Museum mitgebracht hat, hier muss er nicht
lange verweilen. Auch der einzige Ausstellungstext ist angenehm kurz
gefasst. Er nimmt kaum mehr Fläche ein als eines der ausgestellten Bilder.
Die Kernaussagen sind schnell erfasst. Frauen waren eine wichtige
Antriebskraft für die Entwicklung des Abstrakten Expressionismus und fanden
trotzdem kaum Anerkennung. Viele von ihnen sind bis heute kaum bekannt. Wer
kennt schon Namen wie Minna Citron, Blanche Lazzell, Perle Fine oder Agnes
Lyall?
Einen Ausstellungskatalog ersparen die Ausstellungsmacher ihren Besuchern
und Besucherinnen. Wer trotzdem ein wenig tiefer in die Materie einsteigen
möchte, kann auf der Internetseite des Whitney Museum ein Essay der
Ausstellungskuratorin Sarah Humphreville lesen. Es trägt den Titel:
„Kühnheit kannte keine Grenzen: Frauen und die Entstehung des Abstrakten
Expressionismus.“
Das ist in diesem Ausstellungssetting ein echter Denkanstoß. Grenzenlos
scheint hier erst mal gar nichts zu sein. Doch was sind schon Grenzen?
Liegt nicht in der Beschränkung oft die größte Freiheit? Wer braucht schon
die riesigen Räume einer Jasper-Johns-Ausstellung, um große Kunst zu sehen?
Und eines hat die kompakte Ausstellung im dritten Stock der
Riesen-Retrospektive zwei Stockwerke höher auf jeden Fall voraus: die
Museumstoiletten. Die sind ein echter Coup. Fast jeder
Jasper-Johns-Liebhaber wird so während seines Besuchs immerhin einmal mit
dem weiblichen Beitrag zur Kunstgeschichte konfrontiert. Spätestens dann,
wenn er aufs Klo muss.
19 Jan 2022
## AUTOREN
Verena Harzer
## TAGS
Ausstellung
New York
Expressionismus
Kunst
US-Kunst
Künstlerinnen
Kolumne Blast from the Past
Ausstellung
Pandemie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kunstausstellung „Monet – Mitchell“: Braucht sie denn den Booster?
Eine Pariser Ausstellung stellt die abstrakte Malerei von Joan Mitchell der
von Claude Monet gegenüber. Ist das ein ebenbürtiger Dialog in der Kunst?
Kunsthistoriker über rare Freundschaft: „Generationen treffen aufeinander“
Ungewöhnliche Freundschaft im New York der 1960er: Der Oldenburger
Kunsthistoriker Tobias Vogt über Barnett Newman und Dan Flavin.
Plakate gegen das Patriarchat in den USA: Madonnas Lust
Mit Plakaten von internationalen Künstlerinnen macht eine
Pussy-Riot-Aktivistin in den USA dem Patriarchat Dampf. Die Message: Es
möge in Frieden ruhen.
Filmschaffende im Kalten Krieg: Nicht jeder war, was er vorgab
Der deutsche Nachkriegsfilm „Wir Wunderkinder“ war ein globaler Erfolg.
Doch viele Mitspielende mussten ihre Vergangenheit vertuschen.
„Surrealism Beyond Borders“ in New York: Eine sehr spezielle Weltkarte
Die Schau „Surrealism Beyond Borders“ im New Yorker Metropolitan Museum of
Art zeigt die Breite der Strömung. Klassiker braucht sie dazu kaum.
Philosoph Michel Serres über die Moral: „Auf wahre Information kommt es an“
Früh warnte der französische Philosoph Michel Serres vor einer Epidemie. Er
benannte hellsichtig weitere Probleme, die uns heute noch beschäftigen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.