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# taz.de -- Plakate gegen das Patriarchat in den USA: Madonnas Lust
> Mit Plakaten von internationalen Künstlerinnen macht eine
> Pussy-Riot-Aktivistin in den USA dem Patriarchat Dampf. Die Message: Es
> möge in Frieden ruhen.
Bild: Autumn Breon and Michele Pred, The Art of Equal Pay
New York. Hier irgendwo müssten sie zu sehen sein. Die beiden Großplakate
mit den Arbeiten von zwei Künstlerinnen, die sich gegen die ungleiche
Bezahlung von Männern und Frauen richten sollen. So steht es zumindest in
der Pressemitteilung zu der Kunstaktion. Irgendwo hier an der Kreuzung von
Forsyth Street und East Broadway in der Lower East Side von Manhattan.
Und tatsächlich, wer genau hinsieht, wird sie entdecken. Die obere
Plakatwand zeigt einen Sarg, auf dem in großen weißen Buchstaben der Titel
der Aktion steht: [1][„Patriarchy R. I. P“] – Patriarchat, ruhe in Friede…
Und darunter die Fotografie eines auf den ersten Blick geschlechtslosen
nackten Oberkörpers mit großer Narbe unter der linken Brust. Die rechte
Körperhälfte wird von einer augenscheinlich in Stein gehauenen Nachbildung
des Oberkörpers verdeckt. Eine Arbeit der britischen Künstlerin Holly
Silius.
„Patriarchy R. I. P.“ wurde von der Pussy-Riot-Aktivistin [2][Nadya
Tolokonnikowa] kuratiert – das Sargmotiv stammt von ihr – und von der
Non-Profit-Organisation SaveArtSpace organisiert. Über einen Monat lang
werden zehn Arbeiten von Künstlerinnen auf Werbeflächen in neun
US-Bundesstaaten präsentiert (bis 7. April). Neben der ungleichen Bezahlung
von Männern und Frauen soll die Aktion auf noch viel mehr aufmerksam
machen. Leider.
## Alles hängt zusammen, irgendwie
Schon die Ausschreibung klingt reichlich schwammig. Nadya Tolokonnikowa hat
Werke von Künstlerinnen und LGBTQ+ für das Projekt ausgewählt, die
aufgerufen waren, Arbeiten zu den Themen „Ermächtigung von Frauen und
LGBTQ+“, „Zerschlagung des Patriarchats“ und „Vernichtung der
Geschlechterungleichheit in der Vermögensverteilung“ einzureichen.
Natürlich hängt das alles irgendwie zusammen, wie alles immer irgendwie
zusammenhängt. Irgendwie ist ja auch das Patriarchat an alldem schuld.
Aber wie denn nun genau?
Gezeigt werden zwei Drittel der Arbeiten in konservativen, von
Republikanern regierten Bundesstaaten wie Nevada, Arizona oder Georgia.
Dort also, „wo Frauen und LGBTQ+ am meisten Inspiration und Solidarität
brauchen“, sagt Tolokonnikowa. Das mag so stimmen. In diesen Bundesstaaten
werden die Rechte von Frauen und LGBTQ+ gerade sehr konkret infrage
gestellt, zum Teil wurden sie bereits abgeschafft. Die Problematik der
ungerechten Bezahlung von Männern und Frauen aber geht alle an. Auch die
Einwohner der liberalen, von Demokraten regierten Bundesstaaten. Oder worum
geht es jetzt noch mal genau?
Entsprechend unterschiedlich fallen die Ansätze der Arbeiten aus. Die
Arbeit der schwedisch-amerikanischen Konzeptkünstlerin Michele Pred zeigt
eine pink eingefärbte Eindollarnote, über die schräg mit schwarzen
Druckbuchstaben „Equal Pay“ geschrieben ist. Sehr plakativ, fast schon ein
bisschen erwartbar. Aber für ein Plakat gar nicht mal verkehrt.
Andere Bilder spielen subtil mit weiblichen Stereotypen. „We Run This
Mother“ hat die marokkanische Künstlerin Fatima Zohra Serri ihr
Selbstporträt genannt. Gesicht und Haare von einem Nikab verdeckt und in
ein langes schwarzes Kleid gehüllt, liegt sie auf der Fotografie seitlich
auf dem Boden. Provokativ streckt sie ein Bein in grobmaschiger
Netzstrumpfhose senkrecht nach oben. Auf ihrer Fußsohle balanciert sie eine
fußballgroße Weltkugel.
## Die Last der Welt balancieren
Die New Yorker Fotografin Reka Nyari zeigt die Schwarz-Weiß-Aufnahme einer
am ganzen Körper tätowierten Frau, die in madonnenhafter Pose ein Baby
stillt. Über ihrem Kopf schwebt ein Heiligenschein, ihre Augen sind
geschlossen, zwei künstliche Tränen kleben unter ihrem linken Augen. Ihr
Mund ist leicht geöffnet, mit ihren zwei Schneidezähnen beißt sie lustvoll
auf ihre Zunge.
Alles in sich ansprechende Werke. Trotzdem überwiegt der Eindruck der
Beliebigkeit. Weil das Konzept so beliebig ist. Und zehn Arbeiten irgendwie
die ganze Last des Patriarchats zum Ausdruck bringen sollen.
Pussy Riot wollten immer laut sein, gesehen und gehört werden. Sie boten
unter großem persönlichem Risiko Aktionskunst, die auf das System zielt und
jene Menschen erreicht, die eher nicht ins Museum gehen. [3][Am
eindringlichsten ist der Gruppe das 2012 mit ihrem unangekündigten Auftritt
in einer Moskauer Kathedrale gelungen.] Mit bunten, über die Köpfe
gezogenen Strickmasken performten sie einen Putin-kritischen Punksong.
Dieser Auftritt machte sie weltberühmt – und hatte fatale Folgen.
Tolokonnikova und eine weitere Mitstreiterin mussten dafür zwei Jahre ins
Gefängnis.
Niemand sollte für seine Kunst ins Gefängnis gehen. Das steht außer Frage.
Aber ein bisschen mehr Radikalität, oder einfach nur ein klares Konzept,
hätte dem Projekt „Patriarchy R. I. P“ gutgetan.
21 Mar 2022
## LINKS
[1] https://www.saveartspace.org/pussyverse
[2] /Pussy-Riot-in-Berlin/!5287377
[3] /Pussy-Riot-in-Russland/!5051922
## AUTOREN
Verena Harzer
## TAGS
Künstlerinnen
USA
Gender Pay Gap
Aktivismus
Pussy Riot
Russland
Ausstellung
Fotografie
Pussy Riot
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