# taz.de -- Kunsthistoriker über rare Freundschaft: „Generationen treffen au… | |
> Ungewöhnliche Freundschaft im New York der 1960er: Der Oldenburger | |
> Kunsthistoriker Tobias Vogt über Barnett Newman und Dan Flavin. | |
Bild: Zeugnis des Respekts: Dan Flavins „untitled (to Barnett Newman) four, 1… | |
taz: Herr Vogt, wer waren Barnett Newman und Dan Flavin? | |
Tobias Vogt: Barnett Newman gilt als abstrakter Expressionist und | |
Farbfeld-Maler. Er gehört einer [1][anderen Generation] an als Dan Flavin. | |
Newman ist 1905 geboren, Flavin 1933. | |
Newman hat während des Zweiten Weltkriegs mit der Malerei begonnen und | |
gehörte dann zu den US-amerikanischen Malern, die [2][weltweit Erfolge | |
gefeiert] haben: in der unmittelbaren Nachkriegszeit beginnend, in größerem | |
Stil in den 60er-Jahren. Barnett Newman war also gerade besonders bekannt, | |
als der junge Dan Flavin begonnen hat, sich darüber Gedanken zu machen, wie | |
eigentlich seine Kunst aussehen soll. Ich weiß nicht, ob das Bild eines | |
Vater-Sohn-Verhältnisses zutrifft. Ich würde sagen, es sind Generationen, | |
die da aufeinandertreffen – und interessanterweise eine Form von | |
Freundschaft eingegangen sind. | |
Was nicht üblich war? | |
Normalerweise ist es so, dass die nachfolgende Generation sich absetzen | |
will von der vorangegangenen – nicht nur bei Künstler:innen. Dan Flavin hat | |
auch eine ganz andere Form von Medium benutzt, er gilt als Künstler der | |
Leuchtstofflampen; Barnett Newman war hauptsächlich malerisch tätig. Da | |
unterscheiden beide sich schon sehr stark. | |
Sie sprechen im Rahmen der [3][Hamburger Ausstellung „Minimal Art“], und | |
das als Teil einer Reihe namens „Powercouples“. Sind Newman und Flavin so | |
eines gewesen? | |
Tobias Vogt: Wenn man davon ausgeht, dass „Power couple“, sagen wir mal: im | |
neoliberalen System so das geschlossene Pärchen ist, das über seine private | |
Beziehung auch eine öffentliche Wirksamkeit erreicht, dann nicht. Es trifft | |
aber in einer für mich sehr interessanten anderen Hinsicht zu. | |
Nämlich? | |
Der Begriff der Power ist sozusagen auch im künstlerischen Sinne wirksam. | |
Beide operieren mit Vorstellungen von Kunst des 20. Jahrhunderts, die noch | |
auf Autonomie rekurrieren und besonders auch auf den Begriff des Erhabenen; | |
eine ästhetische Kategorie, die, glaube ich, von beiden wiederbelebt worden | |
ist. Und insofern, in dieser zweiten Hinsicht, finde ich den Begriff Power | |
couple sehr viel zutreffender. | |
Was war das für eine Landschaft, das New York der Künstler:innen in den | |
1960er-Jahren? | |
Es spielt sich alles in Manhattan ab. Die jeweiligen Gruppen hatten so ihre | |
Orte, an denen sie sich getroffen haben. Dann hat sich aber auch mit der | |
Gentrifizierung von Manhattan eine ganz neue Landschaft ergeben: Die | |
Künstler:innen haben ab Mitte der 50er-Jahre Soho entdeckt. „Entdeckt“ | |
ist ein bisschen euphemistisch: Sie sind nach Soho gegangen, weil es da | |
große, leere Fabriketagen gab. Diese Veränderungen im Stadtbild, die neuen | |
Nutzungen, die Besetzung, sozusagen, mit Ateliers: Das alles hängt auch | |
damit zusammen, dass die Kunstschaffenden wenig Geld hatten. Das heißt, die | |
jüngere Generation ist nach Soho gegangen, die ältere Generation war eher | |
in der Gegend um das Museum of Modern Art herum zu finden, südlich des | |
Central Park. | |
Auch Barnett Newman. | |
Newman hatte seine ersten Ausstellungen in der Betty Parsons Gallery, | |
unterhalb des Central Park, nördlich von Soho. Andere Galerien, in denen | |
die Minimal Art ausgestellt wurde, haben dann Soho für sich entdeckt. Wenn | |
man New York kennt: Das ist alles nicht weit voneinander entfernt. Im | |
Prinzip hatten die also viele Berührungspunkte, und von Barnett Newman ist | |
bekannt, dass er eine Art Partylöwe war, der auch gerne zu den | |
Ausstellungseröffnungen der Jüngeren gegangen ist. Man kann, glaube ich, | |
sagen, dass unter den abstrakten Expressionisten Newman am offensten war, | |
und seine Kunst am anschlussfähigsten. | |
Wie zeigt sich das? | |
Ich werde im Vortrag hauptsächlich auf seine Gemäldeserie zu sprechen | |
kommen, [4][„Who’s afraid of Red, Yellow and Blue“], … | |
… vier großformatige Gemälde, entstanden 1966 bis 1970. | |
Wenn man vor diesen Bildern steht, sieht man Ähnlichkeiten zu dem, was dann | |
die Künstler der sogenannten Minimal Art gemacht haben. Und das ist für | |
mich interessant: Wie findet ein schon etablierter Künstler Anschluss an | |
das, was junge Künstler:innen machen? Und umgekehrt: Wie nehmen Junge | |
wahr, was gut war, was sie goutieren können an den Älteren? | |
9 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Foto-Ausstellungsreihe-True-Pictures/!5814102 | |
[2] /Ausstellung-in-Hamburg/!5633057 | |
[3] /Minimal-Art-Ausstellungen-im-Norden/!5840493 | |
[4] https://en.wikipedia.org/wiki/Who's_Afraid_of_Red,_Yellow_and_Blue | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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