| # taz.de -- Kunsthistoriker über rare Freundschaft: Schön bunt | |
| > Minimalismus ist jetzt Programm. Karola Grässlin gibt ihren Einstand als | |
| > neue Leiterin der Kunsthalle Baden-Baden. | |
| Bild: Mut zur Farbe: Grässlin vor Richter. | |
| Baden-Baden leuchtet. Durch die frisch renovierten Räume der Kunsthalle | |
| geht ein vielfarbiges Strahlen, aus einer Ecke blitzt es gelb, pink und | |
| blau, von einer Leinwand tropft ein mächtiges, sattes Rot, in das sich ein | |
| dicker schwarzer Balken schiebt. In breiten Streifen glänzt, leuchtet sanft | |
| und pulsiert die Kunst von Mark Rothko und Dan Flavin. Im großen Saal | |
| setzen riesige Farbflächen, unregelmäßig gefräst oder streng geometrisch | |
| beschnitten, pointierte Akzente: Links hängen Imi Knoebels große | |
| klecksartige Acrylfarbflächen in (und das sind auch die Titel der Bilder) | |
| Cadmium Orange Light, Anthraquinone Blue, Phtalo Green, Hansa Yellow Medium | |
| und Medium Magenta, eine einzige Hommage an "Blinky" (Palermo), rechts | |
| bilden die hartkantigen, strengen Drei- und Vierecke von Ellsworth Kelly | |
| einen strahlend weißen, roten und blauen Kontrast dazu. Weit hinten | |
| blinzelt ein hohes, schmales Bild den Betrachter an; eine weiße Fläche, | |
| senkrecht durch einen schwarzen Streifen geteilt: "Now I" von Barnett | |
| Newman. | |
| Mit der Ausstellung "Whos afraid of Red, Yellow and Blue" beginnt eine neue | |
| Ära in der Geschichte der Kunsthalle Baden-Baden, nach Matthias Winzen hat | |
| jetzt Karola Grässlin, zuvor Direktorin des Kunstvereins Braunschweig, die | |
| Leitung übernommen. Mit ihrer ersten Ausstellung will sie auch ihr Programm | |
| vorstellen, mit vor allem "minimalistischen und konzeptuellen Positionen". | |
| Der Überblick über die Geschichte der Farbfeldmalerei schien ihr dazu | |
| passend. | |
| In den 50er-Jahren von Malern wie Newman, Kelly, Ad Reinhard und Mark | |
| Rothko begründet, beschritt die Farbfeldmalerei einen neuen Weg: Der eigene | |
| künstlerische Duktus sollte nicht mehr erkennbar sein. Assoziationen, die | |
| selbst in der abstrakten Malerei auftauchen, wo man plötzlich Landschaften | |
| oder Seelenzustände erkennen wollte, sollten vermieden werden, die | |
| Abstraktion in ihr Extrem getrieben werden. Newman ließ sogar horizontale | |
| Linien weg, weil sie schon wieder an den Horizont erinnerten. Und so sieht | |
| man in vielen Bildern auch keine persönliche Handschrift mehr, die Flächen | |
| sind glatt, die Ausführung könnte jeder Handwerker übernehmen. Trotzdem ist | |
| immer noch manche Wirkung verblüffend. Denn nicht alle Maler hielten sich | |
| auch an die Theorie. | |
| Wie Morris Louis, dessen "Gamma Iota" bewegte Wellenformen von emotionaler | |
| Beherrschtheit zeigt, oder Kenneth Noland, dessen "Sunwise", mit dem | |
| brennend orangen Punkt in der Mitte und den konzentrischen Kreisen, | |
| aquarellig ausgefranst und energetisch vibrierend, einen schönen, | |
| sogartigen "Zielscheibencharakter" (Grässlin) hat. | |
| Über viele andere Werke der Farbfeldmalerei aber ist die Kunstgeschichte | |
| schon hinweggegangen. Sie war einmal wichtig, sie hat die Kunst | |
| beeinflusst, aber tiefgreifend zu provozieren vermag sie kaum noch. Vor | |
| allem auf Maler wirkt sie noch heute, wie Grässlin mit neueren Arbeiten | |
| zeigt. Stephen Prina übermalte eine Serie einfarbiger Siebdruckbilder | |
| teilweise mit dem Pinsel und ließ sie danach in einer Lackiererei so | |
| bearbeiten, dass winzige, verborgene Details zu erkennen sind. Oder Heimo | |
| Zobernig, der eine ganze Wand grau hat ausmalen lassen, um dabei | |
| festzustellen, dass "Grau nicht gleich Grau" ist und dass die Risse, der | |
| verschiedene Farbauftrag und das Licht das "Bild" verändern. | |
| Es ergeben sich in Baden-Baden manchmal durchaus hübsche Ansichten oder | |
| knallige, manchmal auch sanfte Farbwirkungen und Korrespondenzen. Aber | |
| insgesamt gesehen sind die selbstreflexiven, flächenhaften, oft monochromen | |
| Bilder auf Dauer doch etwas langweilig. Hat man die Machart erkannt (und | |
| man kennt sie ja seit 40 Jahren), kommt keine neue Erkenntnis dazu. Und wer | |
| aus der Umgebung von Karlsruhe kommt, kennt solche Bilder, denn das ZKM | |
| besitzt mit seinen Sammlungen viele hochkarätige Werke der Farbfeldmalerei | |
| (und des Minimalismus) und hat sie in unzähligen Ausstellungen gezeigt. | |
| Grässlin wollte nach eigener Aussage "keine enzyklopädische Ausstellung" | |
| machen, keinen Gesamtüberblick. Es gelingt ihr trotzdem, die Geschichte der | |
| Farbfeldmalerei mitzuerzählen. Aber hoffentlich orientiert sie sich ein | |
| wenig mehr an den zwar nicht immer gelungenen, aber doch oft intellektuell | |
| fordernden, häufig bereichernden, spielerischen, sogar gewagten | |
| Ausstellungen ihres Vorgängers. Damit es in Baden-Baden auch in Zukunft | |
| spannend ist. | |
| 30 Jul 2007 | |
| ## AUTOREN | |
| Georg Patzer | |
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