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# taz.de -- Biografie über Britband TV Personalities: Der Wäschebote mit heim…
> „Dreamworld“ von Benjamin Berton ist eine ergreifende Biografie der
> britischen Band Television Personalities und ihres tragischen Helden Dan
> Treacy.
Bild: Dan Treacy (l.) und Alan McGee, 1984 in London
So gehen Filme los: Ein 18-Jähriger in Bluejeans und Karohemd, über den
Locken eine Lederkappe mit Nieten, trägt auf der Schulter ein Wäschepaket
durch London. Wir schreiben das Punkjahr 1977, aber die Musik müsste aus
den Sechzigern kommen, von Pink Floyd in der Originalbesetzung mit Syd
Barrett natürlich: [1][„See Emily Play“,] nonchalanter Beat, Farfisa-Orgel,
ein Gesang, dem nicht anzuhören ist, was noch kommen wird; es wäre Sommer,
auch wenn der sich kaum blicken lässt.
In der Nacht hat es geregnet, der klamme Morgen muss noch zu sehen sein.
Der junge Mann ginge durch die Kings Road, vorbei an der Punkboutique von
[2][Malcolm McLaren] und Vivienne Westwood, die nach mehreren Umbenennungen
„Seditionaries“ heißt, „Aufrührer“.
Vor Kurzem hat der Wäschebote die Schule geschmissen, jetzt klingelt er an
einem fürstlichen Haus und muss lange warten, bis ihm ein Mädchen in
T-Shirt und Pyjama-Shorts öffnet. Er sagt: „Ich soll die Wäsche für Mr.
Marley abliefern.“ Mr. Marley, das ist Bob Marley, der mit seiner Band, den
Wailers, damals in London lebt, das Mädchen die Miss World 1976, Cindy
Breakspeare.
## Nicht über den Dienstboteneingang
Unser Held hört auf den Namen Daniel Treacy, kurz Dan. Dass der Sohn einer
Wäscherin und eines Bauarbeiters die Welt des Pop gerade nicht über den
Dienstboteneingang betreten musste, dafür hat seine Mutter gesorgt. Es sind
Rockstars wie Jimmy Page, die Mrs. Treacy ihre Klamotten anvertrauen.
Es werden Frauen mit so englischen Namen wie Emily Brown und Alison
Wonderland sein, die Dan Treacy helfen, mit seiner Band, den Television
Personalities, im Hinterzimmer des Pop Platz zu nehmen. Wie, auch davon
erzählt der Franzose Benjamin Berton in seinem semifiktionalen Buch
„Dreamworld“, an dessen Anfang die Wäschelieferung an Bob Marley und an
dessen Ende ein Künstler ohne festen Wohnsitz steht. Berton hat bis jetzt
zehn Romane verfasst, „Am Pool“ etwa hat auch in Deutschland hervorragende
Rezensionen bekommen.
Die Frage, wie ein Schriftsteller an ein Musikbuch herangeht, lässt sich
beim Lesen beantworten: Gut, dass es so einer getan hat. Berton schreibt
klar als Fan, aber er hat en détail recherchiert und natürlich lässt er die
Alben der Television Personalities Revue passieren: Singles wie „Where’s
Bill Grundy Now?“ über den Fernsehmoderator, der über die Sex Pistols
gestolpert war, das 1981 erschienene Debütalbum „… And Don’t the Kids Ju…
Love It“ bis hin zu „A Memory Is Better Than Nothing“ von 2010.
## Der Spirit zählt
Berton stellt heraus, was die Television Personalities und die mit ihnen
verzweigten Bands so besonders machte: Sie hatten von Punk genug
mitgekriegt, um zu wissen, dass es dabei um Spirit und nicht um einen
orthodox eingehegten Sound ging.
Dan Treacy und seine Mitstreiter wie Jowe Head von den Swell Maps liebten
psychedelischen Pop, die Kinks und Velvet Underground. Rockmusik, die
experimentell sein durfte, aber nicht akademisch sein musste. Berton
schreibt über den heimlichen Hit der Television Personalities, die Single
[3][„I Know Where Syd Barett Lives“], und wie Dan Treacy ausgerechnet im
Vorprogramm von David Gilmour die Adresse des ehemaligen
Pink-Floyd-Mitglieds bekannt gab, das ihm mehr am Herzen lag als sein
Brötchengeber an diesem Abend.
Benjamin Berton schreibt aber nicht einfach über Songs und Konzerte. Er ist
der Fan, der fabuliert und dabei ins Schwarze trifft. In „Dreamworld“ geht
es darum, warum Leute zu Musikinstrumenten greifen, hinter einer Leinwand
Platz nehmen oder Labels gründen. Weil sie es müssen! Das Label der
Television Personalities Dan Treacy und Ed Ball hörte auf den Namen Whaam!
Records, für Bands wie die [4][Pastels] und die Musikerin Tracey Thorn war
es die Startbahn.
Den von dem Pop-Art-Künstler Roy Lichtenstein entlehnten Namen ließ sich
Treacy vom Management des aufstrebenden Duos Wham abkaufen. Mit dem Geld
finanzierte Treacy sein zweites Label Dreamworld, das ein ungleich
erfolgreicheres inspirierte: Creation von [5][Alan McGee], der das auch
zugibt.
Es deutet sich früh an und wird zur schmerzlichen Gewissheit, die
Geschichte von Dan Treacy und den Television Personalities ist auch die
einer ausgebliebenen, ja sogar tragischen Karriere. Es wäre taktlos, hier
von einer verweigerten zu sprechen. Das ist es auch nicht, was Benjamin
Berton tut, wenn er Daniel Treacy porträtiert, einen unbehausten Künstler,
für dessen Angst früh gesorgt wurde und der zeitweilig keine feste Adresse,
es sei denn das Gefängnis, angeben konnte. Ein trauriges Buch? Nicht
ausschließlich. Die Leute, sie mögen kleine sein; das Leben ist groß.
23 Dec 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=7c0EDM-Yu9o
[2] /Tod-von-Malcolm-McLaren/!5144667
[3] https://www.youtube.com/watch?v=LU84coP42Vw
[4] https://blogs.taz.de/popblog/2019/08/28/my-favourite-records-mit-the-pastel…
[5] /Memoiren-von-Musikmanager-Alan-McGee/!5792500
## AUTOREN
Robert Mießner
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