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# taz.de -- Autobiografie von Sänger Wreckless Eric: Den eigenen Misserfolg ve…
> Der Londoner Pubrocker Wreckless Eric hat eine düstere autobiografische
> Gebrauchsanweisung geschrieben: „A Dysfunctional Success“ ist starker
> Tobak.
Bild: Wreckless Eric lässt sich nicht unterkriegen, er schreibt sogar seine Au…
Es gibt diese Szene in der Mitte von „A Dysfunctional Success“: Eric
Goulden sitzt am späten Nachmittag in The Old Nun’s Head, einem schäbigen
Süd-Londoner Pub mit blinkend-piepsendem Daddelautomat. Der Teppich ist
biersatt, die Handwerker am Tresen sind auf dem Weg dorthin.
Goulden träumt davon einzusickern in dieses abgeranzte After-Work-Idyll aus
„Black & Decker“-Kerlen. [1][Nicht der Macho-Sprüche wegen, schon eher ist
er auf der Suche nach Zugehörigkeit. Aber ganz gleich, wie viele Pint
gezapftes Bass er trinkt – und es werden zu der Zeit einige – es klappt
nie.] Er bleibt der kleine, übergewichtige Schlaumeier am Rand aller
Szenen, in der Mitte bohren, tackern und sägen die Herren der
Stanley-Geräte.
Klar wird dabei etwas anderes: Dieses Gelage reiht sich auf eine lange
Kette ähnlicher Vorkommnisse. Immer wieder sucht Goulden nach
Zugehörigkeit, immer wieder misslingt es. Davon erzählt dieses oft
traurige, manchmal lustige, aber immer aufrichtige Buch. „A Dysfunctional
Success“ erschien ursprünglich 2003, nun wurde es mit frischem Vorwort vom
Mainzer Ventil Verlag erneut als englische Fassung aufgelegt.
## Auf der Suche nach der perfekten Liebe
Gouldens erfolglose Suche steckt schon im hellsten Moment von Karriere.
Unter seinem Künstlernamen Wreckless Eric veröffentlicht der Künstler 1977
eine Single beim Londoner Indielabel Stiff: „Whole Wide World“ beschreibt
die weltweite Jagd des Erzählers nach der einen, der perfekten Liebe.
Sie führt aus dem heimischen Regen bis nach Tahiti, auf die Bahamas, an
tropische Strände. Ein Happy End kommt nicht in Sicht. Das Lied ist das
Fundament und der einzige Hit in Wreckless Erics nun schon gut ein halbes
Jahrhundert währender Karriere als Zugehörigkeitssucher, als erfolgreicher
Verwalter von Misserfolg. So lässt sich „Dysfunctional Success“ vielleicht
am ehesten übersetzen.
Natürlich hat Goulden einen gehörigen Anteil an diesem Misserfolg. Er hätte
es sich einfach machen und über die frühen Jahre seine Labels Stiff
schreiben können. [2][Mit „New Rose“ von The Damned veröffentlichte die
unabhängige Plattenfirma im Oktober 1976] die allererste Punksingle und
zündete damit die Lunte der nachfolgenden Subkulturexplosion. Stiff waren
die ersten mit dieser neuen Musik und Goulden vorn mit dabei. Doch er
streift Punk nur flüchtig.
## Zahmer als Punk
Denn Punksound hat kaum etwas mit seinem Lebensgefühl zu tun.
Wreckless-Eric-Songs wollen in schlichterer, zahmerer Form Geschichten
erzählen. [3][Es gelingt ihm bis heute, wie zuletzt das Album „Leisureland“
bewies.]
Mit seiner Buch gewordenen Gebrauchsanweisung will Goulden nun erklären,
woher seine Musik kommt, was sie formte. Und wie sie ihn formte. Gouldens
Sprache ist knapp und reduziert, lakonisch und voller Sarkasmus. Karge
Sätze entwerfen eine verhärmte 60er-Jahre-Kindheit. Vater steroidabhängiger
Workaholic: düster, einsam, unnahbar. Mutter überfordert, Schwester in
einem drei Jahre älteren Paralleluniversum. Die katholische Privatschule:
ein Pandämonium. Musik ist ein Ausweg. Beatles, Who, Small Faces, Easybeats
…
## Jahrelanges Schlingern
Eine südenglische Kindheit unter Hunderttausend. Mit dem Unterschied, dass
Goulden sich weigert, sie enden zu lassen. Mit der Kunsthochschule geht sie
in die Verlängerung, betrieben mit Alkohol. Der fließt wie
selbstverständlich auf fast jeder Seite. Bis man glaubt, das Genre
Pub-Rock, unter dem er oft geführt wird, sei für Wreckless Eric erfunden
worden.
Der Erfolgsteil in „A Dysfunctional Success“ ist kurz. Das Dysfunktionale
füllt das Gros der Seiten. Das langsame Abrutschen nach ein paar Monaten
als „Whole Wide World“-Star. Immer Ärger mit Plattenfirmen. Chronischer
Geldmangel. Absurde Aushilfsjobs. Und immer wieder und immer öfter
Trinkgelage, teils urkomisch, oft ansteckend deprimierend.
Nahezu die gesamten knapp zehn im Buch behandelten Jahre seiner Karriere
steht Goulden am Rand. [4][Er sieht sich selbst und dem Musikgeschehen von
außen zu, ohne einen Weg hinein zu finden.] Die Selbstdarstellung des
Business ist ihm zu lächerlich, das bürgerliche Leben zu freudlos.
Am zufriedensten klingt er in einer kurzen Phasen [5][mit zwei gleichsam
randständigen Musikern, die bei den Milkshakes Garage-Punk] lernten. Doch
bei zuletzt „122 monatlichen Hörer*innen“ bei Spotify lässt sich ahnen,
dass mit der Len Bright Combo kein Lebensunterhalt zu verdienen war.
Am Ende ist es seine neugeborene Tochter und ein Absturz biblischen
Ausmaßes, die ihm zum Entzug bewegen. Da sind wir erst in der Mitte der
1980er, aber weil Goulden nicht genau weiß, wie man ein Buch beendet, hört
er auf den Tipp, dass man einfach aufhört. Hoffentlich sagt ihm bald
jemand, dass man auch einfach wieder anfangen kann.
19 Aug 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Gregor Kessler
## TAGS
Großbritannien
Punk
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Punk
Pop
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