| # taz.de -- Buch über britische Postpunks Swell Maps: Bricolage mit Staubsauger | |
| > Gitarrist Jowe Head hat ein liebevoll aufgemachtes Buch veröffentlicht, | |
| > das mit Fotos, Texten und Musik an seine Postpunkband Swell Maps | |
| > erinnert. | |
| Bild: Swell Maps, 1978 vlnr: Nikki Sudden, Jowe Head, Epic Soundtracks | |
| Es ist der zweite Weihnachtstag 1977. Boxing Day nennen die Briten ihn, | |
| weil die Chefs an diesem Tag ihren Angestellten traditionell eine | |
| Geschenkbox überreichen. In ihrem privaten Kosmos ist die britische Band | |
| Swell Maps Chef, und hier in Manchesters Barbarella Club wollen die Musiker | |
| aus der Kleinstadt Solihull den Punks etwas schenken. | |
| Ihren ersten Auftritt nämlich. Aber: „Die Leute hielten uns für Hippies, | |
| brüllten Schimpfwörter wie ‚Pink Floyd‘ “, erinnert sich Schlagzeuger E… | |
| Soundtracks. „Niemand kapierte, was wir machten, weil wir nicht wie | |
| Bondage-Punks aussahen.“ | |
| Oft klangen sie auch nicht so. Mit [1][Staubsauger] und Strohhalmen, | |
| Klaviereinsprengseln und Radiorauschen garnierten die Swell Maps den | |
| garstigen Gitarrensound ihrer Songs zu einer improvisierten Bricolage, die | |
| Radio-Legende John Peel mit [2][drei BBC-Sessions] adelte. Ihre Alben | |
| leisteten einen wichtigen Beitrag zum guten Ruf des unabhängigen | |
| Rough-Trade-Labels. Sonic Youth, Pavement und Sebadoh sind nur die | |
| bekanntesten aus der langen Liste an Bands, die sich seither an der | |
| Entschlüsselung dieser Rezeptur abarbeiten. | |
| ## Collage in Buchform | |
| Konsequenterweise ist auch das Buch, das Swell-Maps-Bassist Jowe Head | |
| gerade über die Band veröffentlicht hat, eine Collage. Head montiert Fotos | |
| und Grafiken, Interviewpassagen mit Zeitgenossen und seine eigenen | |
| Erinnerungen zur kurzen Geschichte einer der einflussreichsten britischen | |
| Post-Punk-Bands. Wobei die Musik der Swell Maps eigentlich wie Prä-Punk | |
| klingt. | |
| Anfang der 1970er legt sich der fanatische T.-Rex-Fan und Teenager Adrian | |
| Godfrey (alias Nikki Sudden) eine Akustikgitarre zu und beginnt mit seinem | |
| mehr an den teutonischen Rhythmen von Can und Faust interessierten Bruder | |
| Kevin (alias Epic Soundtracks) nach der Schule zu jammen. Nachdem besagter | |
| Jowe Head mit einem Bass dazustößt, entsteht eine Vielzahl experimenteller | |
| Demo-Kassetten. Bis heute speisen sich daraus posthume Veröffentlichungen. | |
| Oft tauchen die Swell Maps nur als biografische Zwischenstation ihrer | |
| Mitglieder auf. Adrian Godfrey etwa erlangte unter seinem Pseudonym Nikki | |
| Sudden als erzromantischer Seidenschal-Troubadour in den 80er und 90er | |
| Jahren einige Bekanntheit, bevor er mit kaum 50 starb. Sein Bruder | |
| rangierte trotz seines prägnanten Wahlnamens Epic Soundtracks und | |
| wunderschöner klaviergetragener Soloalben eher unter Geheimtipp. Er wurde | |
| nicht einmal 40. | |
| ## Schnörkellose Schreibe | |
| Jowe Head, den nunmehr einzigen Überlebenden der drei zentralen | |
| Swell-Maps-Musiker, kennt man hierzulande besser als langjährigen | |
| Bassisten-Clown der kultisch verehrten Mod-Pop-Band [3][Television | |
| Personalities]. Heads Buch ist weniger ein literarischer als ein | |
| musikhistorischer Gewinn. In schnörkelloser Schreibe verbindet es eine | |
| Vielzahl unbekannter Fotos und Flyer mit chronologischen Details der acht | |
| Jahre bis zum Auseinanderbrechen der Band im Frühjahr 1980. | |
| Was das Buch auszeichnet, neben einem ungewöhnlichen Format und einer | |
| beiliegenden Vinylsingle, ist die Mischung aus Oral History und | |
| erfrischender Offenheit. Head verteilt kleine Spitzen, ohne dabei garstig | |
| zu werden. | |
| Er zeigt Nikki Sudden als leicht egozentrischen Songwriter, der sein | |
| nasales Nölen nur notgedrungen zur Stimme der Band macht und sich auf | |
| Soundexperimente mit Wasserkrügen und Luftballons einlässt. Er zeigt Epic | |
| Soundtracks als unsicheren Nerd, der sich von den Beach Boys bis zu | |
| Krautrock manisch in viele Musikrichtungen vertieft und so großen Anteil am | |
| eigenwilligen Sound der Swell Maps hat. | |
| Vor allem aber zeigt er eine Band, die schon mit ihrer Debütsingle, dem | |
| Überschall-Reggae „Read About Seymour“, der gegen Ende in Chaos entgleist, | |
| aus der Eindimensionalität des Punk ausgebrochen ist und deren Platten bis | |
| heute inspirierend klingen. | |
| 5 Jun 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=01dWSP6_-7I | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=idZAYe3ZRnM | |
| [3] /Biografie-ueber-Britband-TV-Personalities/!5824027 | |
| ## AUTOREN | |
| Gregor Kessler | |
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