Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Clublegende „The Hacienda“ Manchester: Tempel der Nightclubbing…
> Raven gegen Tristesse: Am 21. Mai 1982 eröffnete in Manchester „The
> Haçienda“ und wurde zum stilbildenden Club. Was bleibt von seinem Mythos?
Bild: Aciiied: Raver in Schlabberklamotten in der Hacienda/Manchester, 1989
Sei der Parasit in der Struktur! Als die Popkultur in den 1970ern ihre
Unschuld verlor, geschah dies vielerorts inspiriert von der französischen
Situationistischen Internationale, einer Gruppe radikaler Linker zwischen
Theorie und Kunst, deren medial geschulten Konzepte der Subversion die
Imagination junger, auch britischer Studenten beflügelten: Was ließ sich
nicht alles mit Pop anstellen? Die alte Ordnung einreißen?
Die vom Grafiker Jamie Reid gestalteten Plattenhüllen der Sex Pistols, in
ihrer Erpresserbrief-Typografie auf Gelb und Pink brachten Ideen der
Situationisten in den Punk. Die darauf folgende, heute Post-Punk genannte
Phase der Popmusik, ab 1979, fand ihr archetypisches Bild in den
gestapelten, zittrigen Linien der Radiopulse eines verglühten Sterns, weiß
auf schwarzem Grund: Cover des Debütalbums der Band [1][Joy Division].
Dies war die sophisticatete grafische Welt der unabhängigen Plattenfirma
Factory Records in Manchester. Ihr Gründer Tony Wilson kam als Student
ebenfalls mit den Ideen des Situationismus in Kontakt. Einer seiner
Freunde, Vini Reilly, veröffentlichte unter dem bei den [2][Situationisten]
abgeschauten und auf einen spanischen Anarchisten verweisenden Pseudonym
Durutti Column zarte Gitarrenelegien. Stylische Tristesse prägte die
Anfangsjahre von Factory sowohl musikalisch als auch grafisch.
## Das neue Pop-Gefühl
Das neue Pop-Gefühl um 1980. Doch da gab es noch ein anderes neues Gefühl:
mit dem Verklingen von Discomusik verstreuten sich die Tänzer auf kleinere,
elitäre, mitunter aufwändig gestylte Orte, es war die Ära des
Nightclubbings.
Bald spukte ein Slogan durch das Post-Punk-Manchester: „The Haçienda must
be build.“ Ebenfalls den Situationisten entnommen, bedeutete es die
Gegenthese zum Punk, nicht einreißen, sondern aufbauen, so hatte es der
Anarchist Durruti 1936 in seinem letzten Interview proklamiert und der
Situationist Ivan Chtcheglov zu einer Theorie des neuen Urbanismus geformt.
Vor 40 Jahren, am 21. Mai 1982 eröffnete dann tatsächlich der Club
Haçienda. Zum Eröffnungsabend gab die Band Ludus ein Konzert, ihre
Sängerin, die bildende Künstlerin [3][Linder,] trat in einem aus
Fleischstücken geschneiderten Kleid auf: „Unter dem Bühnenlicht erschien es
zuerst blau und dann sah es aus wie ein Blumenbouquet. Doch der Geruch
wurde unter dem Bühnenlicht unerträglich, so hatte ich mich mit Parfum von
Dior übergossen“, berichtete sie.
## Profis der Subversion
Die Subversionsprofis von Factory reagierten verstimmt. Der spätere
Designer diverser Factory-Cover und vieler Plakate für die Haçienda, Trevor
Johnson: „Ich erinnere mich, dass es gar nicht so gut gefüllt war, dafür
war der silberne Anstrich an den Wänden noch nass und verfärbte die
Kleidung derer, die sich anlehnten.“
Doch der Club war schon dabei, Geschichte zu schreiben. Ein von Tony Wilson
bei der Band New Order in Auftrag gegebenes Instrumental zur Eröffnung der
Haçienda wurde in den Folgemonaten zu „Blue Monday“ ausgearbeitet – der
Welthit zum Konzeptclub. Die frischen, von New Yorker Tanzflächen
importierten Sounds der DJs beflügelten jene, die sich zuvor hinter
düsteren Gitarrenwänden verschanzten.
Die Band Section 25, inspirierte der ultramoderne R&B der
Factory-Labelkollegen 52nd Street 1984 zu [4][„Looking from a Hilltop“]
dessen zischelnder Anmut wiederum der New Yorker House-Pionier Joey Beltram
mit „Off the Hilltop“ Respekt zollte. Ein Pingpong gegenseitiger
Beeinflussung.
## Ikonischer Output
Die Verführung der Tristesse beschreibt Grafiker Trevor Johnson: „Im Norden
Englands lebte man ethnische Vielfalt – Pop, Soul, Reggae, Punk, Indie und
House überlappten sich, was zu diesem ikonischen Output führte.“
Tatsächlich trat die Haçienda so auch das Erbe des legendären Manchester
Soul Clubs Wigan Casino an. Madonna gab in der Haçienda ihr erstes Konzert
in England, Autoren lasen, sogar eine Konferenz zum Situationismus wurde
abgehalten.
Trevor Johnson beschreibt im Blick auf seine Arbeit die Freiheit und den
Anspruch solch eines Konzeptclubs: „Bei Factory und der Haçienda war es für
die Plakate und Flyer nicht unbedingt gefragt, die Musik zu visualisieren,
für sie zu arbeiten hieß vielmehr, sich jenem Standard zu verpflichten, der
zu ihrer Identität wurde.“ – Doch der Standard hatte seinen Preis, Gewinn
machte die Haçienda erst, als sie ab 1986 eine der ersten regelmäßigen
House-Music-Nächte abhält. Mit dem dort konsumierten Ecstasy und dem
Rave-Rock der Happy Mondays entsteht der „Madchester“-Kult.
Seine Schattenseite: Ein junges Mädchen stirbt an einer allergischen
Reaktion auf die Droge, die erste Tote der neuen Party-Szene. Wegen seiner
integrativen Funktion in der Stadt überlebt der Club einige Drogenskandale.
Es ist die Trinkunfreudigkeit des pillenschluckenden Publikums, welche das
Geschäftskonzept subvertiert, die Raver werden zu den Parasiten in der
Struktur. 1997 ist der Traum einer neuen Urbanität Geschichte.
20 May 2022
## LINKS
[1] /Neues-Buch-zu-Joy-Division/!5698386
[2] /Buecher-zum-Situationismus/!5115100
[3] /Feministische-Kuenstlerin/!5070196
[4] https://www.youtube.com/watch?v=3zwqfQ__9cI
## AUTOREN
Oliver Tepel
## TAGS
Manchester
Clubkultur
Rave
Achtziger Jahre
Punk
Postpunk
Manchester
## ARTIKEL ZUM THEMA
Linder-Retrospektive in London: Das Montierte unterbricht den Zusammenhang
Gründerin der Post-Punk-Band Ludus: Linder, der Künstlerin der
radikalfeministischen Fotomontage, gilt eine Retrospektive in der Londoner
Hayward Gallery.
Buch über britische Postpunks Swell Maps: Bricolage mit Staubsauger
Gitarrist Jowe Head hat ein liebevoll aufgemachtes Buch veröffentlicht, das
mit Fotos, Texten und Musik an seine Postpunkband Swell Maps erinnert.
Neues Buch zu Joy Division: Betonpanorama in Schwarz-Weiß
Das Sachbuch „Sengendes Licht“ schildert, wie Manchester den Sound von Joy
Division prägte. Deren Alben wurden zuletzt neu remastered.
"Fac. Dance" - Compilation: Zaudernd zum Spaß
Die Kompilation "Fac. Dance" zeigt die tanzende Seite des legendären
britischen Postpunk- und New-Order-Labels Factory Records - gelungen,
epigonal und ödipal.
Tony Wilson: Er war Manchester
Am Samstag ist Tony Wilson gestorben, der Betreiber von Factory Records und
legendärer Musik-Impresario.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.