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# taz.de -- Kurzfilmserie über Gewalt gegen Frauen: Zuschauen tut weh
> „H24“ beleuchtet Gewalt im Alltag von Frauen. Die Arte-Serie beruht auf
> wahren Geschichten. Vieles hat man so ähnlich schon gehört – oder erlebt.
Bild: „Wir hatten die Nase voll von der allgegenwärtigen Gewalt gegen Frauen…
24 Autorinnen, 24 Schauspielerinnen, 24 Kurzfilme: die ARTE-Dokumentarserie
„H24“ führt in Episoden à vier Minuten durch Unterdrückung, [1][Femizid],
Rachepornos, sexistische Kleiderordnung und Vergewaltigung. Die Filme
spielen jeweils zu einer anderen Uhrzeit und bilden so einen kompletten Tag
ab – 24 Stunden im Leben einer Frau. Ein feministisches Manifest, das die
vielen Formen der Gewalt beleuchtet, denen Frauen zu jeder Tages- und
Nachtzeit potenziell ausgesetzt sind.
„Alles fing damit an, dass wir die Nase voll hatten von der
allgegenwärtigen Gewalt gegen Frauen“, sagt Nathalie Masduraud. Zusammen
mit Valérie Urrea hat sie die Kurzgeschichten kuratiert und bei der
Verfilmung Regie geführt. Gezeigt werden 24 Mosaike, Einzelschicksale, die
das Gesamtbild eines systematischen Übels zeigen. Über die ganze Bandbreite
der Gewalt hinweg. 7 Uhr: die Frau, die früh am Morgen im Bus einschläft
und von ihrem Sitznachbarn bedrängt wird. 15 Uhr: die Schülerin, die
verstört nach Hause kommt und ihrer Mutter erzählt, ihre Klassenkameraden
hätten sie „Schlampe“ genannt. 19 Uhr: die Studentin, die vor einem vollen
Hörsaal von ihrem Professor gedemütigt wird. 0 Uhr: die Schwangere, die auf
der Rückbank eines Polizeiautos sitzt. Sie wurde von ihrem Mann geschlagen,
Nachbarn haben Hilfe gerufen.
Es sind Geschichten, von denen wir alle schon einmal gehört oder sie selbst
erlebt haben – und gerade das macht ihr Erzählen so wichtig.
Die Szenen ergeben sich aus Fällen, über die medial viel berichtet wurde.
Zum Beispiel die Geschichte einer jungen Migrantin. Sie erinnert sich an
die beiden italienischen Richterinnen, die der Auffassung waren, sie sei zu
maskulin, um vergewaltigt worden zu sein. Nicht hübsch genug – nicht
glaubwürdig. Auch Frauen verinnerlichen die Regeln des Patriarchats. Andere
Folgen beruhen auf Aussagen und Erlebnissen. Im Abspann jeder Episode
erscheinen die Worte „inspiriert von wahren Gegebenheiten“ wie ein Mahnmal.
## Die Kraft der Worte
In jeder Folge steht eine Frau im Mittelpunkt, allein sie spricht. Die
Darstellerinnen, mit dabei unter anderem Diane Kruger, verleihen den
Monologen Kraft. So vermischen sich Literatur und Kino. Die Erzählungen der
Frauen wirken wie Reflexionen aus einem Tagebucheintrag, mit denen sie die
Zuschauer:innen an ihren Gedanken teilhaben lassen. Sie blicken direkt
in die Kamera, während sie sprechen. Szenen der Gewalt werden häufig nur
angedeutet und werden allein durch das explizite Aussprechen des Erlebten
deutlich. „H24“ überzeugt durch die Kraft der Worte, während die Bilder
unterstützen. Zuschauen und Zuhören tun bei „H24“ oft weh.
Den Regisseurinnen war es wichtig, die namenlosen Frauen zu Wort kommen zu
lassen und einen Raum zu schaffen, in dem sie sich ihre Geschichten wieder
zu eigen machen können. Die Frauen bleiben nicht passiv, erscheinen nicht
nur als Opfer. Sie sagen Nein oder stellen den Tätern eine Falle. Eine
Boxerin wehrt sich mit Fäusten gegen einen Mann, der nachts auf der Straße
ihre Brüste anfassen will. Beeindruckend ist hier Déborah Lukumuena als
Mitarbeiterin in einem Fast-Food-Restaurant, die durch das Fenster sieht,
wie ein Mann seine Frau verprügelt. Sie greift ein, während alle um sie
herum schweigen, und stellt sich ihm entgegen. Wütend brüllt sie: „Wenn wir
den Schrei einer Frau hören, verteidigen wir sie.“
Es sind die Schreie von Frauen aus ganz Europa. Bei der Recherche hatten
die Regisseurinnen festgestellt, dass sich die Geschichten in Frankreich,
Großbritannien, Italien, Finnland oder Grönland ähneln und überschneiden.
In der Serie beziehen sie diese Parallelen zwischen den Ländern ein und
zeigen die Episoden in der Originalsprache, um zu demonstrieren: das ist
ein strukturelles, grenzübergreifendes Problem. In der Mediathek wird mit
einem Link auf Hilfsangebote in verschiedenen Sprachen für Opfer von
[2][sexualisierter Gewalt] verwiesen. Details wie diese wirken wie ein
Weckruf, die realen Vorlagen der fiktiven Filme nicht zu vergessen.
21 Uhr: Sveva Alviti spielt eine Köchin, die betäubt und zum Sex genötigt
wurde. Es gab nicht genügend Beweise, der Täter wurde nicht verurteilt.
Ihre Worte hallen im Abspann nach und bleiben im Kopf. Sie flüstert: „Er
wird es wieder tun.“
„H24“ läuft [3][in der ARTE-Mediathek].
12 Nov 2021
## LINKS
[1] /Gewalt-gegen-Frauen-in-den-Medien/!5784125
[2] /Reform-des-Sexualstrafrechts/!5809595
[3] https://www.arte.tv/de/videos/RC-021432/h24/
## AUTOREN
Nele Sophie Karsten
## TAGS
Gewalt gegen Frauen
Feminismus
Arte
Fernsehen
Schwerpunkt Femizide
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