# taz.de -- Versuchter Femizid in Hamburg: Kontrollzwang und Psychoterror | |
> Maja P. überlebte den Angriff ihres Ehemannes knapp. Vor Gericht sagt sie | |
> umfassend aus und schildert eine Beziehung voll psychischer Gewalt. | |
Bild: Maja P. tritt vor Gericht als Nebenklägerin und Zeugin gegen ihren Ehema… | |
Hamburg taz | Wenn es um Femizid geht, kann das Opfer häufig nicht mehr | |
aussagen. Maja P. (Name geändert) aber überlebte den Angriff ihres | |
Ehemanns. Am Freitag sagte sie umfassend vor dem Hamburger Landgericht aus, | |
[1][wo Thomas P. sich seit Ende November verantworten muss]. Seit Juni | |
sitzt er in Untersuchungshaft. | |
Die Staatsanwaltschaft wirft Thomas P. versuchten Mord und schwere | |
Verletzungen der Persönlichkeitsrechte in 57 Fällen vor. Bei der | |
Schilderungen des Tathergangs zum versuchten Mord unterscheiden sich die | |
Aussagen des Täters und der Geschädigten nur in Details. Als Thomas P. an | |
einem Sonntag im Mai seine letzten Sachen aus der ehemals gemeinsamen | |
Wohnung abholen wollte, warf er Maja P. aufs Bett und würgte sie bis zur | |
Bewusstlosigkeit. In akuter Lebensgefahr und mit zahlreichen Verletzungen | |
kam sie ins Krankenhaus. Er hatte selbst den Rettungsdienst verständigt und | |
stellte sich der Polizei, die bei der Spurensicherung weggeworfene | |
Kabelbinder im Gebüsch fand – vermutlich das Tatwerkzeug. | |
Zuvor hatte er Maja P. über Monate hinweg heimlich durch das Schlüsselloch | |
gefilmt, während sie duschte oder auf Toilette ging, und dabei auf ihren | |
Genitalbereich gezoomt. [2][Das heimliche Filmen hatte der Angeklagte | |
bereits zu Beginn der Verhandlung eingeräumt.] Die Geschädigte wusste davon | |
offenbar nichts. „Ich wusste nur, dass er mich beobachtet“, sagte sie. Dass | |
er ein Foto von ihr in Unterwäsche gemacht hatte, während sie schlief, war | |
ihr jedoch bewusst. Mehrfach habe der Angeklagte in den Monaten vor und | |
nach der Trennung gedroht, das Foto an ihren Chef zu schicken. | |
Maja P. sagte im Gericht mehrere Stunden lang mit tränenerstickter Stimme | |
aus. Ihr Ehemann verfolgte die Schilderung sehr angespannt und bat mehrmals | |
um Unterbrechungen. Maja P. berichtete von jahrelangem Psychoterror und | |
einem starken Kontrollzwang, den ihr Mann auf sie ausübte. In den letzten | |
Jahren ihrer Beziehung habe er sie 40 bis 60 Mal pro Tag auf der Arbeit | |
angerufen um zu fragen, wo sie sei und was sie mache. Vor Meetings und | |
Terminen habe sie sich bei ihm abmelden müssen, auch habe er ihr nicht | |
erlaubt, sich zu schminken oder hohe Schuhe zu tragen. | |
## Plötzlich hat sie einen Stalker | |
In den ersten Jahren ihrer Beziehung sei noch alles harmonisch gewesen, | |
sagt Maja P. Sie war ihm 2002 aus Polen nach Deutschland gefolgt, konnte | |
zunächst die Sprache nicht und hatte kaum Kontakte. Je selbstständiger und | |
selbstbewusster sie wurde, desto eifersüchtiger und kontrollierender sei er | |
geworden. Als sie kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung stand, [3][hatte | |
sie plötzlich einen Stalker]. Er schickte ihr anonyme Briefe und hinterließ | |
Nachrichten an ihrem Auto. | |
In der Zeit konnte ihr Mann als Beschützer auftreten, da sie große Angst | |
gehabt habe. Sie habe damals niemanden verdächtigt, auch die Polizei konnte | |
niemanden ermitteln. „Gab es damals Situationen, in denen ihr Mann bei | |
Ihnen war und der Stalker Sie gleichzeitig anrief?“, fragt der Richter. Sie | |
verneint. | |
Seit sie eine Weiterbildung angefangen und auf der Arbeit eine | |
Leitungsfunktion übernommen habe, sei es besonders schlimm geworden, sagt | |
Maja P. Mehrmals täglich habe Thomas P., der als Logistiker in einem Lager | |
arbeitet, ihr vorgeworfen, sie sei etwas Besseres, wisse und könne alles | |
ohne ihn. Sie habe noch versucht, ihn zu einer Therapie zu drängen, doch er | |
habe die Behandlung abgebrochen. | |
## Am Tag der Tat sei er auffällig ruhig gewesen | |
Einmal habe er sie schon im Jahr 2020 gewürgt, hinterher aber behauptet, es | |
sei nur Spaß gewesen. Sie ging zu einem Scheidungsanwalt und verlangte, | |
dass er auszog. „Ich habe ihm sogar eine Wohnung gesucht, für ihn renoviert | |
und eingerichtet“, sagt Maja P. | |
Zwei Tage vor der Tat – da lebten die Eheleute seit zwei Monaten getrennt – | |
habe der Angeklagte stark betrunken vor der Tür randaliert. Die Kinder | |
hätten die Mutter verständigt, die schnell nach Hause kam und den Mann in | |
der Wohnung vorfand – er hatte sich offenbar einen Schlüssel nachmachen | |
lassen. Sie hätten sich laut gestritten und sie habe ihm gesagt, er solle | |
zwei Tage später seine letzten Sachen abholen und sich nicht wieder blicken | |
lassen. | |
Am Tag der Tat sei der Angeklagte dann auffällig ruhig und gefasst gewesen. | |
„So kannte ich ihn gar nicht mehr“, sagt Maja P. Sie hätten sich in der | |
Küche unterhalten, sie habe ihm nochmal gesagt, dass die Beziehung | |
endgültig vorbei sei. Im Schlafzimmer, wo seine Kartons standen, kam es | |
dann zu dem um ein Haar tödlichen Angriff. | |
Das Urteil wird Ende Februar erwartet. | |
28 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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