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# taz.de -- Remake von „Szenen einer Ehe“: Fantum statt Kalkül
> Die Ehe ist heute noch genau so kompliziert wie vor 50 Jahren. Hagai Levi
> hat Ingmar Bergmans Serie „Szenen einer Ehe“ ambitioniert neu inszeniert.
Bild: Szenen einer Ehe: Jonathan (Oscar Isaac) und Mira (Jessica Chastain)
Die Serie „The Walking Dead“ hat ihren Zenit wohl überschritten, und doch
sind die Untoten präsenter denn je, ob [1][ABBA] oder [2][Thomas
Gottschalk] oder „Gossip Girl“. Im Kino ist gerade der vor zwei Dekaden
ermordete „Soprano“ Christopher Moltisanti neu geboren worden (im Prequel
„The Many Saints of Newark“), und in der Süddeutschen Zeitung hat sich ein
vom neu verfilmten „Kevin – allein zu Haus“ genervter Redakteur zu dem
apodiktischen Urteil hinreißen lassen, Remakes kennten nur Kalkül.
Nein, das kann man so nicht stehen lassen, gibt es da doch auch ein paar
wenige höchst inspirierte Exempel großer Könner. Mit einem guten Remake
verhält es sich wie mit der gelungenen Coverversion eines Songs – es ehrt
das Original, indem es sich signifikant davon unterscheidet.
Man denke an Jim Jarmuschs „Ghost Dog“ (als Remake von Melvilles „Der
eiskalte Engel“). Oder an [3][Luca Guadagninos „A Bigger Splash“] (als
Neuverfilmung von Jacques Derays „La Piscine“): Was für eine wunderbare
Idee, die Handlung vom seine glamourösen Jetset-Tage lange hinter sich
wissenden Saint-Tropez auf die entlegene Insel Pantelleria zu verlegen.
Hinzu kommt, dass das Original eher den Ruf eines kolportagehaften
Star-Vehikels denn eines Meisterwerks hat. Da kann man was draus machen,
ohne Gefahr zu laufen, sich die Finger zu verbrennen.
Säulenheiliger der Filmgeschichte
Womit wir – endlich – beim eigentlichen Anlass dieses Textes wären: Der
(durch die israelische Serie „BeTipul“ und das gleich [4][von ihm selbst
besorgte amerikanische Remake „In Treatment“]) maximal renommierte
Showrunner Hagai Levi hat sich an einem Remake in fünf Teilen von Ingmar
Bergmans bald fünfzig Jahre alter sechsteiliger Fernsehserie „Szenen einer
Ehe“ versucht – die deutsch synchronisierte Fassung davon gibt es seit
heute auf Sky. Welcher Teufel mag ihn geritten haben, sich ausgerechnet an
diesem Säulenheiligen der Filmgeschichte zu vergreifen?
Zumal es vor zwei Jahren erst Noah Baumbachs „Marriage Story“ gab, den man
als Referenz auf „Scenes from a Marriage“ begreifen darf. Zumal Levi selbst
mit der großartigen Serie (in 53 Folgen) „The Affair“ bereits seine eigene,
ausführliche Reflexion über das Thema Ehe abgeliefert hat.
Zur Erinnerung: Bergmans Original beginnt damit, dass eine
Magazin-Journalistin das vermeintliche Musterehepaar interviewt. Sie wendet
sich dabei auch schon einmal direkt in die Kamera, die zugleich die Kamera
ihres Team-Kollegen ist. Die Folgen von Levis Remake beginnen jeweils mit
einem Gang durch das als solches erkennbare Filmset, in dem die
Schauspieler (Jessica Chastain und Oscar Isaac statt Liv Ullmann und Erland
Josephson) dann unvermittelt zu spielen beginnen. Netter Einfall, wie auch
der, eine Rockband „Sarabande“ zu nennen: nach Bergmans Fortsetzungsfilm
zur Serie.
Neue Rollenverteilung
Das Interview führt diesmal eine Doktorandin, die darüber promoviert, „how
gender norms affect monogamous marriages“. Nie käme es ihr in den Sinn,
eine Aussage des Mannes zu kommentieren wie weiland die Journalistin: „Ich
fürchte, das ist etwas zu fortschrittlich für unsere weiblichen Leser.“ Die
grüne Farbe des Samtsofas ist geblieben, nicht aber der nach Boston
verlegte Handlungsort. Und die Rollenverteilung. Nicht nur ist es nun die
Frau, die als „primary provider“ das Geld nach Hause bringt. Jetzt ist es
auch sie, die ihn verlässt, für einen anderen, deutlich jüngeren Mann.
Hagai Levi hat den Stoff so kunst- wie maßvoll modernisiert. Aber was hat
er sich nur dabei gedacht? Dazu muss man vielleicht zuerst einmal fragen:
Was hat Bergman sich dabei gedacht? Bergman, der selbst fünfmal verheiratet
war und neun Kinder hatte, nicht nur mit seinen Ehefrauen, von dem man also
sagen kann, dass er so seine Probleme hatte mit der monogam gedachten Ehe,
während er der Institution Ehe doch bemerkenswert treu blieb. „Scener ur
ett äktenskap“ (so der schwedische Originaltitel) war wohl Bergmans sehr
persönliche Betrachtung über die Ehe und deren Komplikationen.
Und dass sich an denen, bei allem gesellschaftlichen Wandel, nicht wirklich
grundlegend etwas geändert hat, findet sich nun durch Levis Remake bestens
belegt. Man kann ihn verstehen in seinem Fantum. Nur dass die
fortbestehende Aktualität des Originals eben auch die eigentliche
Überflüssigkeit des Remakes belegt. So gut gemeint, gemacht und gespielt es
auch sein mag.
18 Nov 2021
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## AUTOREN
Jens Müller
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