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# taz.de -- Apple-Serie „Der Therapeut nebenan“: An den Figuren vorbeierzä…
> In der Apple-TV-Serie „Der Therapeut nebenan“ beutet ein Psychiater einen
> Patienten aus. Sie basiert auf einer wahren Geschichte.
Bild: Für ihren Witz bekannt: Paul Rudd (l.) und Will Ferrell (r.)
Was machen Will Ferrell und Paul Rudd in Achtziger-Jahre-Klamotten? Wer bei
der Serie „Der Therapeut von nebenan“ an eine Art Fortsetzung der beiden
albernen, aber durchaus kultisch verehrten [1][„Anchorman“-Komödien] denkt,
sieht sich schnell getäuscht. Denn es handelt sich um die Adaption des
erfolgreichen US-Podcasts „The Shrink Next Door“ – und statt schriller
Kostüme und derber Gags ist ein eher bitterer Tonfall angesagt.
In besagtem Podcast berichtete vor zwei Jahren der Journalist Joe Nocera
von einem faszinierenden Fall aus seiner Nachbarschaft. Diese
Erzählperspektive fällt nun in der fiktionalisierten Serien-Adaption weg
(was den Titel im Grunde genommen unpassend macht), doch was den eigentlich
Plot angeht, orientiert sich [2][Autorin Georgia Pritchett] recht gründlich
an ihrer Vorlage beziehungsweise der Realität, denn der Podcast wiederum
basiert auf wahren Begebenheiten.
Im New York der achtziger Jahre landet Marty Markowitz (Will Ferrell), der
von seinen Eltern eine Stofffirma, ein Sommerhaus in den Hamptons und einen
ordentlichen Batzen Geld geerbt hat, auf Drängen seiner Schwester Phyllis
(Kathryn Hahn) beim Psychiater Dr. Ike Herschkopf (Paul Rudd). Marty ist
der Typ naiv-neurotisches Riesenbaby, ein menschenscheuer Junggeselle, der
sich von seinem Umfeld zu sehr auf der Nase herumtanzen lässt. [3][Sein
Therapeut soll ein bisschen Selbstbewusstsein aufbauen] und die sozialen
Fähigkeiten ausbauen, stattdessen wittert der manipulative Herschkopf seine
Chance.
Erst sorgt er mit einer Mischung aus empathischem Charme und strafender
Kälte dafür, dass Marty mit seiner Familie bricht, dann übernimmt er die
Kontrolle im Unternehmen und zieht mitsamt Frau und Kindern ins luxuriöse
Anwesen an der Küste, wo er seinen Patienten ins Gästehaus abschiebt.
Über 27 Jahre zog sich dieses emotional wie finanziell übergriffige und
missbräuchliche Abhängigkeitsverhältnis zwischen Psychiater und Patient
hin, woraus Pritchett, die auch schon für Serien wie „Veep“ und
„Succession“ schrieb, acht durchschnittlich 40 Minuten lange Episoden
macht. Man kommt nicht umhin, sich zu fragen, ob nicht womöglich eine
Verdichtung auf Spielfilmlänge für diese Geschichte das bessere Format
gewesen wäre als eine – wenn auch in sich abgeschlossene – Serie.
In der vorliegenden Form zumindest lässt „Der Therapeut von nebenan“,
inszeniert übrigens von Michael Showalter und Jesse Peretz, ein paar
Wünsche offen. Den Frauenfiguren etwa – neben der immer sehenswerten Hahn
als Martys Schwester auch Casey Wilson als Herschkopfs Ehefrau – hätte man
mehr Raum und Substanz gönnen dürfen.
Auch was das Jüdischsein der Protagonisten angeht, das immer wieder in den
Vordergrund gerückt wird, hätte man mit Fragen nach Männlichkeit und dem
Kontext von Therapie und mentale Gesundheit tiefer schürfen können. Wie es
überhaupt der Serie, bei allem Interesse an den Mechanismen der
Psychoanalyse, nie wirklich darum zu gehen scheint, in den Kern ihrer
Figuren vorzudringen.
Dass sie dennoch sehenswert ist, liegt einerseits an den beiden
Hauptdarstellern, die das – wechselweise ambitioniert und unentschlossen
wirkende – Schwanken des Tonfalls zwischen schwarzem Humor und
schmerzhafter Tragik überzeugend meistern. Und andererseits ist die
Geschichte einfach zu verblüffend, schockierend und spannend, als dass man
nicht staunend dabei zusehen wollen würde, wie sie sich entwickelt. Zumal
wenn man mit dem ihr zugrunde liegenden Podcast nicht vertraut ist.
12 Nov 2021
## LINKS
[1] https://www.theguardian.com/film/video/2013/nov/26/anchorman-legend-continu…
[2] https://www.theguardian.com/books/2021/jul/03/georgia-pritchett-my-male-equ…
[3] /Selbstwert-und-Liebe/!5735923
## AUTOREN
Patrick Heidmann
## TAGS
Therapie
Miniserie
True Crime
Rezension
Miniserie
Remake
USA
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Polizei
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