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# taz.de -- Dokuserie „I'll be gone in the dark“: Der Versuch, es anders zu…
> Das Genre „True Crime“ wird zunehmend problematisiert. In der Sky-Serie
> „I'll be gone in the Dark“ liegt der Fokus auf einer Rechercheurin und
> Opfern.
Bild: Kris Pedretti, eines der Opfer, kommt in der Episode „Walk into the lig…
Viel wurde in den vergangenen Jahren über das problematische [1][Genre
„True Crime“] geschrieben, also belletristische oder journalistische
Erzählungen von realen Verbrechen. Problematisch deswegen, weil reale
Verbrechen in diversen Zeitungsartikeln, Podcasts oder Fernseh- und
Filmproduktionen aus Unterhaltungszwecken nacherzählt werden. Nicht selten
werden Täter:innen dabei heroisiert und die Würde der Opfer nicht
beachtet – Hauptsache es gibt etwas zum Gruseln.
Doch der Trend scheint ungebrochen. Erst vor wenigen Tagen kündigte eine
Hollywood-Produktionsfirma einen neuen Thriller über den Serienmörder und
Vergewaltiger Ted Bundy an – die Geschichte eines Verbrechers, die schon
dutzendmal in Spielfilmen und Dokus verarbeitet wurde.
Auch in Deutschland ist „True Crime“ der heiße Scheiß: „Zeit Verbrechen…
zählt zu den erfolgreichsten Podcasts des Landes und Kriminalfälle werden
nicht mehr nur im Boulevard verhandelt, auch der Tagesspiegel kündigte
kürzlich sein neues Format „Tatort: Berlin“ an, in dem „spektakuläre F�…
rekonstruiert werden.
Natürlich gibt es auch positive Gegenbeispiele, also journalistische
Recherchen, die zur Aufklärung und damit zur Festnahme der Täter:innen
beitragen haben oder Gewaltverbrechen nacherzählen, um auf politische und
gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen.
Solch ein positives Gegenbeispiel möchte auch die sechsteilige
HBO-Dokuserie „I'll be gone in the dark“ sein. Behandelt werden darin die
Taten eines Verbrechers, der East Area Rapist, Original Night Stalker oder
Golden State Killer genannt wird. Der ehemalige Polizist hat von 1973 und
1986 in Kalifornien mindestens 13 Menschen getötet und 50 Frauen
vergewaltigt. Anstatt jedoch den Täter in den Mittelpunkt der Doku zu
stellen, fokussiert sie sich auf die Autorin Michelle McNamara und ihre
Recherchen zu dem Straftäter.
## Die Besessenheit der Autorin
Die Autorin betrieb seit 2006 den „True Crime Blog“, in dem sie sich mit
Verbrechen von Serientätern auseinandersetzte. 2013 veröffentlichte sie im
Los Angeles Magazine ihren ersten Text zum Golden State Killer. Sie
recherchierte im Netz und vor Ort, durchforstete tausende Fallakten, fuhr
an die Tatorte, sprach mit Ermittler:innen und Überlebenden. Die
Ergebnisse ihre jahrelangen Recherche wurden im Buch „I’ll Be Gone in the
Dark“ im Februar 2018 veröffentlicht – zwei Jahre nach McNamaras Tod und
zwei Monate bevor der Täter von der Polizei gefasst wurde.
HBO sicherte sich die Filmrechte und erzählt McNamaras Recherchen nun nach,
auch hier kommen ehemalige Ermittler:innen, Betroffene, andere
Hobbydetektiv:innen und ihr ehemaliger Ehemann, Schauspieler Patton
Oswalt, zu Wort. Zudem werden ehemalige Video- und Podcastaufnahmen von
McNamara eingespielt, die zeigen, wie besessen die Autorin von dem
Sexualstraftäter und Mörder war.
„Wenn ich in einem ungelösten Fall recherchiere, fühle ich mich wie eine
rastlose Ratte in einem Labyrinth auf der Suche nach Futter“, erklärt sie
einmal ihre Faszination. Und immer wieder sagt sie: „Ich kann nicht
aufhören, ich bin besessen.“ Diese Besessenheit wird jedoch in den ersten
zwei für die Presse bereitgestellten Episoden weniger problematisiert als
von Interviewpartner:innen glorifiziert.
## Politische Einordnung
Die Schilderungen der Betroffenen werden mit dunklen Aufnahmen von leeren
Betten mit Teddybären, wehenden Vorhängen und Außenaufnahmen der Tatorte
untermalt. Auch hier setzt die Doku auf den Gruselfaktor. Doch immerhin
werden die Opfer stärker als der Täter fokussiert, einige von ihnen
berichten, dass sie sich im Gespräch mit McNamara wohl und das erste Mal
verstanden gefühlt haben.
Richtig stark wird die Doku immer dann, wenn sie politische Einordnungen
leistet und der Frage nachgeht, warum gerade in den 70er und 80ern in den
USA so viele Wiederholungstäter aktiv waren. Wie wenn erklärt wird, dass
Vergewaltigungen damals kein eigener Strafbestand waren, sondern juristisch
lediglich als Körperverletzung behandelt wurden. Oder wenn Betroffene vom
Victim-Blaiming erzählen, dem sie von ihren Nachbar:innen, Freund:innen
oder aber der Polizei ausgesetzt waren.
Ob „I'll be gone in the Dark“ es schafft, den Opfern ein Gesicht zu geben
und historisch aufzuarbeiten anstatt [2][typische „True Crime“-Narrative]
zu verbreiten, lässt sich nach zwei Episoden nicht sagen. Ebensowenig, wie
die Recherchen McNamaras am Ende gewichtet und die Arbeit von
Hobbydetektiv:innen bewertet werden.
Denn laut des zuständigen Sheriffs Scott Jones in Sacramento hat McNamaras
langjährige Arbeit nicht zur Aufklärung und Festnahme des Täters
beigetragen. Ihr Ehemann ist da ganz anderer Meinung – der im übrigen als
Produzent an der Dokuserie beteiligt ist.
3 Jun 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Carolina Schwarz
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