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# taz.de -- Regierungsbildung in Berlin: Auf Loyalität bauen
> Als Berliner Bausenatorin wird Iris Spranger gehandelt. Bekäme sie den
> Zuschlag, wäre das für Franziska Giffey eine überaus riskante Personalie.
Bild: Gilt nicht als politisches Schwergewicht: Iris Spranger
Berlin taz | Vielleicht ist es einfacher, einen Pudding an die Wand zu
nageln, als von [1][Iris Spranger] eine zufriedenstellende Antwort zu
bekommen. Gefragt nach den Beschlüssen der Ampel im Bund, räumte die
baupolitische Sprecherin der Berliner SPD-Fraktion vor einiger Zeit ein,
dass ein von der Bundes-SPD gefordertes Mietenmoratorium nicht im
Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP stehe. „Aber ich denke mir, die
werden natürlich darüber gesprochen haben“, orakelte [2][Spranger gegenüber
dem rbb]. Deshalb werde man bestimmt auch von den Kolleginnen und Kollegen
aus dem Bundestag erfahren, wie die Diskussion war. „Und dann werden wir
gucken, ob es da noch weitergehende Formulierungen geben wird oder eben
auch nicht.“
Nun kann sich jeder selbst überlegen, ob er seine Zeit damit verbringen
will, einen Pudding an die Wand zu nageln oder Iris Spranger eine Frage zu
stellen. Doch es verdichten sich die Anzeichen, dass die 60-Jährige von
Franziska Giffey als neue Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen
nominiert werden wird. Der ehemalige Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup,
der von 2014 bis 2016 Staatssekretär in der Senatsbauverwaltung war, steht
nach Informationen der taz nicht für das Amt zur Verfügung. Eine Rückkehr
von Andreas Geisel in sein ehemaliges Ressort, so heißt es in der SPD,
würde wiederum im Innenressort eine Lücke reißen, die nicht zu füllen sei.
## Bauen ist für Giffey Chefinnensache
Politisch wäre Iris Spranger, von 2006 bis 2011 Staatssekretärin in der
Finanzverwaltung, für die designierte Regierende Bürgermeisterin Giffey
eine riskante Entscheidung. Giffey hat sowohl im Wahlkampf als auch in den
Koalitionsverhandlungen das Thema Wohnungsneubau zur Chefinnensache erklärt
und wie eine Löwin darum gekämpft, dass die SPD das Ressort von der
Linkspartei zurückbekommt. Warum aber sollte man um ein Ressort kämpfen, um
es dann in Sprangers Händen zum Pudding werden zu lassen?
Für die Opposition, aber auch für Grüne und Linke wäre die Personalie
dagegen ein gefundenes Fressen. An nichts wird Giffey mehr gemessen werden
als an der Zielzahl, die sie sich selbst gesetzt hat: 20.000 Wohnungen pro
Jahr sollen in Berlin gebaut werden. Werden es im ersten Jahr nur 18.000,
ist der SPD die Häme sicher, so sicher, wie die SPD ihrerseits mit dem
Finger auf die Zahlen der ehemaligen Linken-Bausenatorin Katrin Lompscher
gezeigt hat.
Dass Franziska Giffey Spranger dennoch auf den wichtigen Posten in der
Senatsverwaltung am Fehrbelliner Platz hieven könnte, hat mit der neuen
Aufteilung von Zuständigkeiten zwischen Senatsverwaltung und der
Senatskanzlei zu tun. Gerade für den Neubau wurden wesentliche
Steuerungsfunktionen ins Rote Rathaus geholt, auch weil Giffey während der
Koalitionsverhandlungen nicht abschließend wusste, ob die SPD das
Bauressort tatsächlich bekommen würde.
Aber auch mit einer Bausenatorin Spranger würde der Zugewinn an Kontrolle
im Roten Rathaus Sinn ergeben. Zwar gilt Spranger nicht als politisches
Schwergewicht im Bauressort, doch lässt sie es an Loyalität nicht mangeln.
So könnte sie für Giffey, die anders als ihr Vorgänger Michael Müller keine
eigene Senatsverwaltung führt, zu einer Art ausführendes Organ einer
Baupolitik werden, deren Fäden im Roten Rathaus bei der Regierenden
Baubürgermeisterin zusammenlaufen.
So riskant die Personalie für Giffey wäre, so viel Charme hätte sie
zugleich für die neue Senatschefin. Werden die ehrgeizigen Ziele im Neubau
erreicht, und nur darum geht es der SPD, kann auch Giffey den Erfolg für
sich beanspruchen. Wird die Latte dagegen gerissen, kann nicht nur die
Opposition auf Iris Spranger zeigen, sondern auch die Regierende
Bürgermeisterin.
## Loyalität statt Qualität
Widerstand vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh, mit dem sich Giffey
auch den SPD-Landesvorsitz teilt, müsste die Regierungschefin bei ihrer
Personalwahl nicht befürchten. Saleh hatte Spranger schon vor fünf Jahren
auf einen repräsentativen Posten hieven wollen, war aber an der
innerparteilichen Konkurrenz gescheitert. Nicht Spranger wurde Präsidentin
des Berliner Abgeordnetenhauses, den Posten behielt Ralf Wieland.
Für die Mieterinnen und Mieter in Berlin wäre eine Bausenatorin Iris
Spranger eine Provokation. In all den Jahren, die sie im Bauausschuss des
Abgeordnetenhauses saß, war es ihr Fraktionskollege Daniel Buchholz, der in
der Lage war, politischen Gestaltungswillen zu formulieren. Spranger war
dagegen stets darum bemüht, nicht das Falsche zu sagen oder im Zweifel
beredt zu schweigen – Pudding halt.
Dass sich Spranger nun für Mieterrechte einsetzen würde, ist vor diesem
Hintergrund nicht zu erwarten, erst recht nicht ein politisches
Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Vertreterinnen und Vertretern des
Volksentscheids [3][Deutsche Wohnen und Co enteignen]. Dabei ist der Job
Bausenator oder Bausenatorin nach dem Scheitern von Mietendeckel und
Vorkaufsrecht vor den Gerichten gerade für die Mieterinnen und Mieter im
Bestand von großer Bedeutung. Hier werden die Weichen dafür gestellt, mit
welchen Vorgaben die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften künftig
agieren. Bei Spranger dagegen würde nicht die Politik den Gesellschaften
die Vorgaben machen, eher wäre es andersherum.
Wie sehr Personalentscheidungen Aufbruch signalisieren können, zeigt die
neue Bundesbauministerin Klara Geywitz. Sie machte die Kreuzberger
SPD-Bundestagsabgeordnete [4][Cansel Kiziltepe] zu ihrer Staatssekretärin.
Kiziltepe ist als Kämpferin für Mieterrechte nicht nur das Gegenteil von
Pudding. Sie hat sich auch für den Berliner Volksentscheid ausgesprochen.
8 Dec 2021
## LINKS
[1] https://www.spdfraktion-berlin.de/abgeordnete/iris-spranger
[2] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/11/berliner-gruene-linke-kritik-a…
[3] https://www.dwenteignen.de/
[4] https://cansel-kiziltepe.de/
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
SPD Berlin
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
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Wochenkommentar
Neubau
Franziska Giffey
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