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# taz.de -- Schutz und Sicherheit für Frauen: Da hilft auch keine Laterne
> Die Berliner Innensenatorin will Frauen im öffentlichen Raum mehr
> schützen. Warum ihr Vorschlag so rein gar nichts bringt.
Bild: Wenn das Licht aus geht, gehen manche ungern nach Haus – denn dort wart…
BERLIN taz | Frauen müssen stärker beschützt werden. Dieses Ziel hat sich
die neue Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) auf die Fahne
geschrieben. Eigentlich ein sehr nobles Vorhaben, wenn sie es wirklich
ernst meinen würde. Stattdessen besteht Sprangers genialer Schutzplan
darin, mehr Laternen auf die Straßen zu stellen: Der Berliner Morgenpost
sagte sie [1][in einem Interview], dass sie sich die Frage gestellt habe,
„ob sich Frauen mit etwas mehr Licht nicht sicherer fühlen würden“.
Niemand streitet ab, dass mit mehr Licht die Umgebung besser wahrgenommen
werden kann. So kann Straßenbeleuchtung durchaus dazu beitragen, dass
Hindernisse wie Hundescheiße oder mitten auf dem Gehweg liegende E-Scooter
gesichtet und umgangen werden können.
Allerdings betont Spranger in dem Interview, dass sie als erste weibliche
Innensenatorin „natürlich einen anderen Blick auf die
Sicherheitsbedürfnisse von Frauen und Mädchen“ habe. Die verstärkte
Straßenbeleuchtung soll diese also nicht vor dem Stolpern schützen, sondern
vor Übergriffen.
Dabei vergisst Spranger, dass Übergriffe und Gewalt gegen Frauen nicht
hauptsächlich auf der Straße, sondern in den eigenen vier Wänden passieren.
## Gewalt bleibt unsichtbar
Aus einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend aus November 2020 geht hervor, dass sich in den meisten
Fällen von Übergriffen und sexualisierter Gewalt die Betroffenen und
Tatverdächtigen kennen. Dabei ist etwa [2][jede vierte Frau] mindestens
einmal von körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen
oder früheren Partner betroffen, an fast jedem dritten Tag wird eine Frau
durch einen Partner oder Ex-Partner getötet.
Die heutige regierende Bürgermeisterin und ehemalige Bundesfrauenministerin
Franziska Giffey (SPD) erklärte darin, dass alle 45 Minuten eine Frau von
vollendeter oder versuchter gefährlicher Körperverletzung durch
Partnerschaftsgewalt betroffen ist.
Der Schutzraum für Frauen ist also nicht dadurch gewährleistet, dass eine
Glühbirne auf zwei Meter Höhe den Boden bestrahlt, wenn es um 16 Uhr
bereits dunkel ist. Stattdessen muss Gewalt überall dort angegangen werden,
wo Frauen in Abhängigkeitsverhältnissen leben. Sprich: in sozialen
Einrichtungen, am Arbeitsplatz, in der Therapie, in der Universität, im
Internet und vor allem zuhause.
## Blind, wenn nicht selbst betroffen
Besonders schutzbedürftig sind auch [3][Frauen mit Behinderungen] und
geflüchtete Frauen. Die Berliner Initiative Women in Exile kritisiert schon
lange, dass [4][Lager keine Sicherheit] für geflüchtete Frauen und Kinder
bieten. Häufig können Zimmertüren von Sammelunterkünften nicht
abgeschlossen werden, sodass Frauen den Übergriffen schutzlos ausgeliefert
sind.
Auch hier sind Täter nicht unbedingt Fremde, sondern
Sicherheitsdienstmitarbeiter, Heimleiter oder Ehrenamtliche. Da kann die
Birne draußen noch so hell leuchten – wenn die Gardinen zugezogen werden,
ist das Zimmer stockdunkel.
Aber hey, Hauptsache, die Innensenatorin fühlt sich sicher, wenn sie abends
zu ihrem Auto läuft.
28 Dec 2021
## LINKS
[1] https://www.morgenpost.de/berlin/article234184425/Innensenatorin-Wir-wollen…
[2] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/zuhause-ni…
[3] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuet…
[4] https://www.women-in-exile.net/pm-25-11-20-lager-eisenhuettenstadt-hotspot-…
## AUTOREN
Shoko Bethke
## TAGS
SPD Berlin
Sicherheitsmaßnahmen
Öffentlicher Raum
Geflüchtete Frauen
Franziska Giffey
Gewalt gegen Frauen
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Gewalt gegen Frauen
Frauenhäuser
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