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# taz.de -- Bürgermeisterwahl in Berlin-Pankow: Mit den Stimmen der AfD?
> In Pankow wurde Sören Benn (Linke) wieder zum Bürgermeister gewählt –
> obwohl er keine linke Mehrheit hatte. Vielleicht hat die AfD für ihn
> gestimmt.
Bild: „Meine Position zu den politischen Horrorclowns ist nachlesbar“: Sör…
Berlin taz | Der Bürgermeister des Berliner Bezirks Pankow heißt erneut
[1][Sören Benn]. Der Amtsinhaber von der Linkspartei wurde am
Donnerstagabend mit den Stimmen seiner Partei, denen der SPD und von
weiteren Abgeordneten gewählt. Unklar ist, ob er auch AfD-Stimmen erhalten
hat, denn die Wahl war geheim.
Für die Grünen ist das Ergebnis dennoch ein Unding – schließlich waren sie
die eigentlichen Gewinner der Bezirksparlamentswahl am 26. September: Ihre
Spitzenkandidatin Cordelia Koch holte fünf Prozentpunkte mehr als die
Linke; lange hatte es so ausgesehen, als würde sie die neue Bürgermeisterin
in Berlins größtem Bezirk mit rund 400.000 Einwohner*innen werden.
Benn erhielt bei der ersten Sitzung des Bezirksparlaments 29 Stimmen, mit
Nein votierten 24 Bezirksverordnete. Zudem gab es zwei Enthaltungen. Die
beiden Parteien, die Benn öffentlich unterstützen, haben zusammen lediglich
23 Sitze – zu wenig für die nötige Mehrheit von 28 Stimmen. Im Vorfeld der
Wahl waren [2][Verhandlungen zwischen Grünen, Linken und SPD zu einer
Zählgemeinschaft] – wie die Koalitionen auf kommunaler Ebene in Berlin
heißen – gescheitert. Die Grünen erklärten, nicht für Benn stimmen zu
wollen. Ähnlich hatten sich Vertreter*innen von FDP und CDU geäußert.
Wie kam die Mehrheit für den in Pankow für seine engagierte Arbeit
geschätzten Bürgermeister zustande? Das wird vielleicht nie geklärt werden.
Laut einer [3][Meldung der Berliner Zeitung] haben alle fünf Abgeordneten
der Pankower AfD für Sören Benn gestimmt. Die Zeitung zitiert den
AfD-Abgeordneten Daniel Krüger; laut ihm wäre Benn ohne die AfD nicht auf
die erforderliche Mehrheit gekommen. Doch auch wenn die Aussage stimmt,
wäre mindestens eine weitere Stimme von FDP, Grünen oder CDU für Benn nötig
gewesen, um auf die 29 Stimmen zu kommen.
Es stellt sich also die Frage: Darf man der AfD glauben?
Für die Grünen zumindest ist der Skandal perfekt. So erklärte deren
Landesvorsitzender Werner Graf am Freitagmorgen auf Twitter: „Wer sich
sehenden Auges von Nazis abhängig macht, macht sich von Nazis abhängig. Das
gilt auch für die Linke Pankow“. Und die bisherige Bezirksbürgermeisterin
von Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann schrieb, ebenfalls auf
Twitter: „Krass! Hatte die Linke bisher echt aufrechter eingeschätzt.“ Die
grüne Bundestagsabgeordnete Canan Bayram appellierte gar an die
Bundesvorsitzende der Linken, einzugreifen: „Geht’s noch, Janine Wissler⁩?
Kein guter Tag für die Demokratie.“
Die Linke beeilte sich, diesen Spekulationen entgegenzutreten. „Wir gehen
davon aus, dass die Wahl von Sören Benn zum Bezirksbürgermeister von Pankow
mit Unterstützung von Einzelverordneten aus dem demokratischen Lager
erfolgt ist, die nicht auf das Parteibuch, sondern auf seine persönliche
Bilanz und Amtsführung geschaut haben“, schrieb der Bezirksverband auf
Twitter.
Benn selbst verwies auf seine eindeutige Position zur AfD, ebenfalls in
einem Beitrag auf Twitter: „Wer Nazis glaubt, glaubt Nazis. Macht mal alle.
Ist ja ne geile Story. Hufeisen und so. Klaro. Meine Position zu den
politischen Horrorclowns ist nachlesbar.“
Vielfach wird die Wahl Benns in Beiträgen in den sozialen Netzwerken jedoch
bereits mit dem demokratischen Tabubruch in Thüringen verglichen. Im
Februar 2020 hatte sich der FDP-Landtagsabgeordnete im Thomas Kemmerich mit
den Stimmen der Rechtsaußen, darunter Björn Höcke, zum Ministerpräsidenten
wählen lassen. Vier Tage später trat er nach massivem öffentlichen Protest
wieder zurück.
## „Politisch fatal“
Für Katja Bauer, politische Korrespondentin der Stuttgarter Zeitung und
Mitautorin des Buchs „Die Methode AfD“, ist es „politisch fatal“, dass …
Linke nicht ausschließen könne, dass Benn auch mit Stimmen der AfD gewählt
wurde. „Zu sagen, ihr glaubt doch wohl nicht, dass Rechte einen Linken
wählen, ist bestenfalls naiv. Dass die AfD die Lage ausnutzen würde, war
vorhersehbar“, schrieb sie auf Twitter.
Und die Debatte dürfte weitergehen. Es gilt keineswegs als sicher, dass
Benn sich im Amt halten kann. Unklar ist auch, inwieweit der Streit
zwischen Linken und Grünen Auswirkungen auf die laufenden
Koalitionsverhandlungen für das Bündnis im Land hat. Derzeit verhandeln
SPD, Grüne und Linke über eine Fortsetzung der Zusammenarbeit unter einer
Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Geplant ist bisher, die
Gespräche bis Ende November abzuschließen.
5 Nov 2021
## LINKS
[1] /Auswirkungen-der-Corona-Krise-in-Berlin/!5669032
[2] /Koalitionen-in-den-Berliner-Bezirken/!5807409
[3] https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/ueberraschendes-wahlergebn…
## AUTOREN
Bert Schulz
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