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# taz.de -- Pankows Bürgermeister über seine Wahl: „Ich trete nicht zurück…
> Seine Wahl lasse sich nicht mit dem Eklat in Thüringen vergleichen, sagt
> Sören Benn. Er gibt aber zu, die Perfidie der AfD unterschätzt zu haben.
Bild: „Wenn ich zurücktrete, spielen wir doch das Spiel der AfD“: Sören B…
taz: Herr Benn, Sie haben einen turbulenten Morgen hinter sich. Eben hat
Ihnen der AfD-Bundestagsabgeordnete Götz Frömming zu [1][ihrer Wiederwahl
als Bezirksbürgermeister in Pankow] gratuliert. Sie waren ohne Mehrheit
angetreten, möglicherweise hat auch die AfD für Sie gestimmt. Was macht das
mit Ihnen?
Sören Benn: Das ist natürlich das Spiel, das die AfD treibt. Das kennen wir
schon lange. Es ist nichts Neues, dass sie versucht, das demokratische
politische System mit gezielten Sympathiebekundungen zu kontaminieren und
kompromittieren.
Viele fordern ihren Rücktritt und vergleichen Ihre Wahl mit der des
Kurzzeit-Ministerpräsidenten von Thüringen, Thomas Kemmerich (FDP), der
[2][im Februar 2020 mit der Hilfe der AfD ins Amt gekommen war].
Der Fall Kemmerich ist eine ganz andere Baustelle. Selbstverständlich trete
ich nicht zurück. Wenn ich zurücktrete, spielen wir doch das Spiel der AfD.
Ganz abwegig ist der Vergleich aber nicht. Können Sie ausschließen, dass
Sie mit Stimmen der AfD gewählt wurden?
Sie können doch bei einer geheimen Wahl nie ausschließen, dass ein AfDler
mitstimmt. Das können Sie auch nicht in den anderen Wahlgängen. Fakt ist:
Wir hatten uns in unserer Zählgemeinschaft aus Linkspartei und SPD eine
einfache Mehrheit unter den demokratischen Parteien organisiert. Was wir
unterschätzt haben, war die Perfidie der AfD. Auf die Stimmen der AfD wäre
es nie angekommen, weil wir uns in Gesprächen mit einzelnen Abgeordneten
aus dem demokratischen Spektrum eine Mehrheit gesichert hatten.
Sagen Sie, mit wem sie gesprochen haben?
Nein, selbstverständlich nicht.
Das müssen wir Ihnen jetzt einfach so glauben?
Sie können die AfD glaubwürdiger finden oder sie halten mich für
glaubwürdiger. Was soll ich dazu jetzt sagen? Ich wäre in eine solche Wahl
nicht gegangen, wenn wir uns nicht im demokratischen Spektrum eine Mehrheit
organisiert hätten – gemeinsam mit der SPD.
Eine Abstimmung ohne Mehrheit ist ein Spiel mit dem Feuer, solange die AfD
im Parlament sitzt. Verstehen Sie auch die Kritik?
Natürlich verstehe ich die Kritik. Was ich nicht verstehe, ist, welche
Glaubwürdigkeit auf einmal der AfD zugebilligt wird – das finde ich
überraschend, und auch, dass überhaupt nicht reflektiert wird, wessen
Spielregeln man jetzt folgt. Es gibt kein Bündnis mit der AfD. Sie hat
überhaupt nichts davon: Sie bekommt einen antifaschistischen Bürgermeister!
Selbst wenn die AfD ein solches Manöver gefahren haben sollte, hat sie sich
ins eigene Knie geschossen. Die Partei spielt politisch in Pankow keine
Rolle. Sie hat gar nichts davon. Es sei denn, die Öffentlichkeit spielt das
Spiel der AfD, das in der Vergiftung des politischen Klimas und dem
Missbrauch des politischen Systems besteht.
Diese Aufregung ist aber doch insofern verständlich, als dass nicht
nachvollziehbar ist, wer für Sie gestimmt hat. Sollten sich diejenigen
Demokrat*innen, die für Sie gestimmt haben, zu ihrer Stimme bekennen?
Ich bearbeite keine Menschen, mit denen wir vorher gesprochen haben, um
mich zu entlasten. Entweder diejenigen machen es selber oder sie machen es
nicht. Ich versuche nicht, irgendjemanden vor mich oder – besser gesagt –
vor uns zu stellen. Es ist ja keine One-Man-Show, sondern eine
Zählgemeinschaft von SPD und Linken.
Haben Sie eine Mehrheit in der BVV für Anträge oder wie wollen Sie das
machen?
Das ist eine neue Qualität: Durch eine kleinere Zählgemeinschaft sind wir
kein monolithischer Block. Wir können zusammen mit den Grünen Anträge
beschließen oder mit der CDU und der FDP. Die BVV ist voll handlungsfähig,
aber politisch flexibler in alle Richtungen – und sacharbeitsfähiger
möglicherweise als in einer großen monolithischen Zählgemeinschaft, wie wir
sie in der letzten Legislatur hatten, die aber ja auch gar nicht
funktioniert hat.
Viele sehen in Ihnen einen kompetenten Bürgermeister. Das war allerdings
auch die Argumentation der AfD, sie zu wählen. Sie seien das kleinere Übel.
Aber das ist doch Teil der Nummer. Ein vergiftetes Lob, als wenn dich ein
Zombie berührt in der Hoffnung, dass du auch zum Zombie wirst. Der Zombie
findet in unserem Kopf statt. Wenn die AfD links außen lobt, was ist der
Zweck davon? Denjenigen zu beschädigen und sich ins Spiel zu bringen. Die
ganz Stadt redet seit Stunden über die AfD – über fünf Figuren in einer
kleinen BVV. Wahnsinn!
Gleichzeitig [3][hat Lichtenberg gezeigt], wie man sich dieses Schauspiel
sparen kann. Dort haben die demokratischen Parteien keine Mehrheit
organisiert bekommen und haben die Wahl noch einmal vertagt, um
nachzuverhandeln. So geht es doch auch.
Die Verhandlungssituation und konkreten Akteure sind in jedem Bezirk
anderes. In Pankow war ausverhandelt in alle Richtungen. Niemand hat eine
Mehrheit gefunden. Die größte Schnittmenge war zwischen der SPD und uns.
Niemand anderes hat eine größere Zählgemeinschaft gefunden.
Aber ist es nicht riskant und auch ein bisschen blauäugig, so in eine
Abstimmung zu gehen?
Es ist nicht riskant, wenn man sich eine Mehrheit organisiert hat. Aber wir
haben unterschätzt, wie die AfD hinterher agiert. Ich sage ja nicht, dass
ein wunderbarer Plan schiefgegangen ist. Wir sind nicht wie ein Hasardeur
in die Abstimmung gegangen. Aber im Übrigen bleibt es dabei: Dass es weiter
nichts ist, als eine Behauptung der AfD. Natürlich kann keiner
ausschließen, dass sie für uns gestimmt hat. Aber das ändert ja am Resultat
nichts: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD und die AfD hat keinen
erweiterten Einfluss.
Wenn Sie die Wahl noch einmal antreten könnten: Würden Sie es anders
machen?
Hinterher ist man immer schlauer. Man kann sich ja einige Szenarien
ausdenken, aber nicht alle. Vor allem, wenn du nicht so denkst wie
bestimmte Leute. Möglicherweise würde ich es anders machen, aber so ist die
Situation nun mal nicht.
Pankow trendet nicht nur in Berlin auf Twitter, erste rechte Trolle
benutzen das Hashtag AfDielinke wie beim Dammbruch mit der Afdp. Für die
Linkspartei alles andere als eine schöne Situation.
Es ist nicht mit Thüringen vergleichbar. Es gibt dort keine relevanten
Schnittmengen. Auch das ist Teil der stinky story, die da gestrickt wird.
Natürlich ist das Bezirksparlament unbedeutender, aber es bleibt ein
Parlament.
Wir haben aber auch ein ganz anderes System hier. Wir haben
Proporzbezirksämter, nicht Regierung und Opposition und vieles mehr. Es
gibt eine ganze Reihe von relevanten Unterschieden. Vielleicht gibt es aus
Sicht oberflächlicher Beobachter Parallelen, aber wenn man sich das
ernsthaft anguckt, hinkt der Vergleich.
5 Nov 2021
## LINKS
[1] /Buergermeisterwahl-in-Berlin-Pankow/!5813228
[2] /Thueringens-neuer-Ministerpraesident/!5662119
[3] /Streit-um-Buergermeister-in-Lichtenberg/!5813258
## AUTOREN
Gareth Joswig
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