| # taz.de -- Eklat um Bürgermeisterwahl in Pankow: Ein Makel, der bleibt | |
| > Ob sich der Bürgermeister von Berlin-Pankow mit AfD-Stimmen hat wählen | |
| > lassen, ist letztlich egal. Entscheidend ist: Er kann es nicht | |
| > widerlegen. | |
| Bild: Unter Druck: Sören Benn | |
| Es kommt selten vor, dass ein*e Bürgermeister*in eines Berliner Bezirks | |
| bundesweit bekannt wird – dabei hat jeder der zwölf Bezirke so viele | |
| Einwohner*innen wie eine deutsche Großstadt. Mehr als 400.000 Menschen | |
| leben etwa in Pankow, wo am Donnerstagabend der linke Bürgermeister Sören | |
| Benn wieder gewählt wurde. Benn ist ein ruhiger, besonnen agierender | |
| Kommunalpolitiker, der auch jenseits der Linken im Bezirk großes Ansehen | |
| genießt. Umso erstaunlicher ist sein Blindflug ins politische Abseits, auf | |
| den er und seine Partei [1][sich mit der Wahl begeben haben]. | |
| Denn seit Freitagmorgen diskutieren vor allem Linke und Grüne, ob Pankow | |
| ein zweites Thüringen ist. Seit Freitagmorgen ist Benn deswegen bundesweit | |
| ein Begriff – allerdings stets verbunden mit der Frage, ob er in seinem Amt | |
| bleiben kann. Vor allem Grüne aus Bezirk, Land und Bund stellen diese Frage | |
| mehr oder weniger direkt, und das hat seinen Grund. | |
| Bei den Wahlen zum Bezirksparlament am 26. September, parallel zur | |
| Bundestagswahl, hatten eigentlich die Grünen gesiegt mit fünf | |
| Prozentpunkten vor den Linken. Doch die Verhandlungen zwischen den beiden | |
| Parteien und der SPD scheiterten. Statt die Wahl aufzuschieben, wie es etwa | |
| das [2][Bezirksparlament in Berlin-Lichtenberg am Donnerstag beschlossen] | |
| hat, trat Benn zur Wahl an. Ohne eine sichere Mehrheit zu haben. | |
| Bei den Grünen war man davon ausgegangen, dass er in drei Wahlgängen | |
| durchfallen würde – doch er wurde bereits im ersten gewählt. Sechs Stimmen | |
| zusätzlich zu den 23, die SPD und Linke gemeinsam haben, bekam der | |
| Amtsinhaber. Seitdem wird ihm vorgeworfen, nur dank der Stimmen der fünf | |
| AfD-Abgeordneten in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gewählt worden | |
| zu sein. | |
| ## Gewählt ins politische Abseits | |
| Ob das stimmt? Schwer zu sagen, schließlich war die Wahl geheim. Es wird | |
| Anlass für Spekulationen bleiben. Doch sogar der nicht bestätigte Verdacht | |
| ist ein Makel, der an Benn haften bleiben wird. | |
| Benn betont, er habe in Verhandlungen vor der Wahl die Zusagen von genügend | |
| demokratischen Abgeordneten bekommen, ihn zu wählen; Namen will er nicht | |
| nennen. Doch tatsächlich muss zumindest eine*r davon für Benn gestimmt | |
| haben. Was wiederum Grund für die Annahme ist, dass es auch mehr gewesen | |
| sein könnten. Und dennoch bleibt die Aussage ohne Beleg. | |
| Was den Bürgermeister retten könnte, wäre die Vorstellung der einzelnen | |
| Unterstützer*innen. Doch dass es dazu kommt, ist wenig wahrscheinlich, | |
| allein schon wegen des Drucks von außen. Denn die Grünen schließen | |
| öffentlich aus, dass jemand von ihnen für ihn gestimmt haben könnte. Bei | |
| der CDU ist es – vorsichtig ausgedrückt – auch nicht gern gesehen, wenn | |
| jemand der acht Parlamentarier die Linke unterstützt hätte. Und die FDP | |
| stellt nur drei Abgeordnete; zu wenig, um Benn eine Mehrheit zu | |
| verschaffen. | |
| So bleibt am Ende die Frage, wie lange Benn dem Druck stand hält – und vor | |
| allem: Warum er nicht kommen sah, dass seine Wahl von der AfD | |
| instrumentalisiert werden könnte, wie die Partei es [3][nach der | |
| Kurzzeitamtszeit von Thomas Kemmerich als FDP-Ministerpräsident] von | |
| Thüringen im Februar 2020 getan hatte. So hat sich Benn ins politische | |
| Abseits wählen lassen und seiner schwächelnden Bundespartei einen | |
| Bärendienst erwiesen. | |
| Doch auch die Grünen sollten den Bogen nicht überspannen. Mit ihren | |
| Vorwurf, Benn sei von der AfD gewählt worden, glauben sie die Behauptungen | |
| der AfD. Das ist mindestens fahrlässig. | |
| Zum zweiten müssen die Grünen in Berlin auf vielen Ebenen weiterhin mit den | |
| Linken zusammen arbeiten. So laufen die Koalitionsverhandlungen für eine | |
| Fortsetzung von Rot-Grün-Rot unter einer Regierenden Bürgermeisterin | |
| Franziska Giffey (SPD). In anderen Bezirken wäre ein gleichfarbiges Bündnis | |
| die stabilste Lösung – wenn sich alle drei Parteien es schaffen, sich | |
| zusammen zu reißen. Das gilt nicht zuletzt für Pankow, deren Bevölkerung am | |
| 26. September für eine starke linke Regierung gestimmt hat. | |
| 5 Nov 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Buergermeisterwahl-in-Berlin-Pankow/!5813228 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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