| # taz.de -- Merkel-Besuch in der Türkei: Schwurbeltango zum Abschied | |
| > Die Kanzlerin und Präsident Erdoğan umtänzeln auf ihrer letzten | |
| > gemeinsamen PK jedes schwierige Thema. Man habe schließlich stets | |
| > Lösungen gefunden. | |
| Bild: War doch alles nicht so schlimm: Merkel und Erdoğan bei ihrer Abschieds-… | |
| Istanbul taz | Am Ende sah es so aus, als könnten Bundeskanzlerin Angela | |
| Merkel und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sich sogar | |
| gegenseitig etwas abgewinnen. Fast wehmütig äußerte sich Erdogan anlässlich | |
| ihres Abschiedsbesuches am Samstag in Istanbul und auch Merkel betonte, man | |
| hätte trotz aller Probleme doch auch immer Lösungen gefunden. | |
| Angesichts der drohenden [1][rot-grün-gelben Koalitionsregierung] in Berlin | |
| verwies Erdoğan noch schnell auf die schlechten Erfahrungen mit Koalitionen | |
| und lobte seine autokratische One-Man-Show, was Merkel dann doch nicht | |
| unwidersprochen lassen mochte. Koalitionen seien anstrengend, aber „dennoch | |
| schön“. Im Übrigen versprach sie Erdoğan, dass auch die nächste | |
| Bundesregierung am „konstruktiven Dialog“ mit der Türkei festhalten würde. | |
| Erdoğan befürchtet dagegen wohl, bei der kommenden Koalition nicht mehr auf | |
| so viel Entgegenkommen wie bei Merkel rechnen zu können. | |
| ## Es habe auch Erfolge gegeben | |
| Kein Wort über die [2][Nazi-Vergleiche und die unverhohlenen Aggressivität | |
| Erdoğans], wenn es, vor allem im Anschluss an den Putschversuch gegen ihn | |
| 2016, mal nicht so lief wie er sich das vorstellte. Schwamm drüber, muss | |
| ja, war schon immer Merkels persönliche Haltung gegenüber Erdoğan. Einzig | |
| der ARD-Kollege erinnerte in der Fragerunde daran, dass immer noch deutsche | |
| Staatsbürger, überwiegend solche mit türkischen oder kurdischen Wurzeln, in | |
| der Türkei wegen Meinungsäußerungen im Knast sitzen oder das Land nicht | |
| verlassen dürfen, da habe sich doch gar nichts verbessert, meinte der | |
| Kollege. | |
| Nein, nein sagte Merkel, es habe auch Erfolge gegeben und man müsse eben | |
| immer weiter im Gespräch bleiben. Nach den türkischen [3][politischen | |
| Gefangenen, insbesondere Kulturmäzen Osman Kavala] und Ex-HDP-Vorsitzender | |
| [4][Selahattin Demirtaș, deren Freilassung] der europäische | |
| Menschenrechtsgerichtshof seit langem fordert, fragte da schon gar niemand | |
| mehr. | |
| Stattdessen ging es um Merkels Lieblingsthema im Verhältnis zur Türkei, der | |
| Rolle des Landes als Auffangbecken für Geflüchtete. Da müsse und werde die | |
| EU die Türkei weiterhin finanziell unterstützen. Trotzdem stellte Erdoğan | |
| in seiner Entgegnung fest, dass „das Boot“ auch in der Türkei endgültig | |
| voll sei, und man keineswegs nun eine weitere [5][Flüchtlingswelle aus | |
| Afghanistan] aufnehmen werde. | |
| ## Versöhnlicher Ausklang | |
| Deshalb so Merkel, müsse man wohl oder übel Afghanistan weiter finanziell | |
| unterstützen, damit sich von dort kein Elendstreck in Bewegung setzt. Sie | |
| habe sich bei Erdoğan über die Gespräche mit den Taliban informiert, die | |
| just vor zwei Tagen mit einer hochrangigen Delegation in der Türkei waren. | |
| Intensiv hätten sich beide auch über Syrien ausgetauscht, sagte Merkel | |
| anschließend. Wohl auch, weil Erdoğan immer wieder darauf hinweist, dass | |
| nur die türkische Armee in Idlib, der letzten von Rebellen kontrollierten | |
| Provinz an der Grenze zur Türkei, dafür sorgt, dass die knapp 4 Millionen | |
| Menschen die dort ausharren, nicht vom Assad-Regime in Richtung Westen | |
| vertrieben werden. | |
| Einem türkischen Kollegen blieb es vorbehalten, auch Erdoğans | |
| Lieblingsthema noch einmal aufs Tablett zu bringen: Islamphobie in | |
| Deutschland und Europa. Es ist das Thema, um Merkel in die Defensive zu | |
| bringen, die auch zu ihrem Abschied eingestehen musste, dass es leider | |
| immer wieder „hässliche rassistische Vorfälle“ gegeben habe. Doch auch bei | |
| diesem Thema gab es einen versöhnlichen Ausklang, wird doch bald aus der | |
| [6][Kölner Zentralmoschee erstmals der muslimische Gebetsruf] auch | |
| öffentlich zu hören sein. | |
| Nach wenigen Stunden war Merkels Abschiedsbesuch im Sommerpalast des | |
| türkischen Präsidenten am Bosporus vorbei. Zuvor hatte sie sich noch | |
| beeindruckt von dem Gebäude gezeigt, dass ja „ein deutscher Geschäftsmann“ | |
| einmal hatte bauen lassen. Offenbar wusste sie nicht, dass dieser Herr | |
| Huber seinen Reichtum mit skrupellosen Waffengeschäften im Ersten Weltkrieg | |
| erworben hatte. | |
| 16 Oct 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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