# taz.de -- Frauenpolitik der SPD: Die Hälfte der Macht den Frauen | |
> Noch ist Parität im neuen Kabinett nicht sicher. Das Wort Quote taucht im | |
> Sondierungspapier gar nicht erst auf. | |
Bild: 17.1.2019: Weißgekleidete Frauen der SPD-Fraktion erinnern an die Sufrag… | |
Zum internationalen Frauenkampftag am 8. März dieses Jahres fand Olaf | |
Scholz klare Worte. „Allein die Tatsache, dass ich ein Mann bin, hat mir | |
häufig im Leben geholfen. Das ist mir bewusst“, [1][schrieb er auf | |
Twitter]. „Und gerade deshalb bin ich Feminist.“ Frauen, so verspricht er, | |
„gehört die Hälfte der Macht“. Knapp acht Monate später braucht die SPD | |
einige deutliche Worte der eigenen und externer Frauen, um zumindest eines | |
der fünf höchsten Staatsämter mit einer Frau zu besetzen. | |
Rolf Mützenich, der gern Bundestagspräsident geworden wäre, verzichtet | |
zugunsten der [2][Parteilinken Bärbel Bas]. Ob es ohne Druck zum ersten | |
frauenpolitischen Skandal der neuen Legislatur gekommen wäre, bevor diese | |
überhaupt angefangen hat, sei dahingestellt. Fest steht: Eine Schwalbe | |
macht noch keinen Sommer, und ein Fünftel ist noch keine Parität. | |
Die SPD, die sich nach jahrzehntelangen Streits Ende der 1980er eine | |
Frauenquote von 40 Prozent gab, nimmt ihre eigenen Ansprüche schon länger | |
nicht ganz so ernst. In beiden rot-grünen Regierungen waren rund doppelt so | |
viele männliche wie weibliche MinisterInnen vertreten. Das aktuelle | |
Kabinett Merkel hingegen ist [3][nahezu paritätisch aufgestellt]. Immerhin | |
erfüllt die Bundestagsfraktion der SPD ihre Vorgaben diesmal punktgenau: 42 | |
Prozent der Abgeordneten sind weiblich. | |
In dieser Fraktion – und bei den Grünen – hat die breitbeinige, Cohiba | |
rauchende, sich zuprostende Männlichkeit à la [4][Schröder]-Fischer | |
ausgedient. Frauenpolitik als „[5][Gedöns]“ zu bezeichnen, würde zu einem | |
Aufschrei führen. Jetzt muss die SPD zeigen, dass ihr „Jahrzehnt der | |
Gleichstellung“ mehr ist als nur Wahlkampfparole. Sie muss ihr Versprechen | |
der paritätischen Besetzung des Kabinetts einlösen. | |
Für die eigene Quote innerhalb einer Ampelkoalition muss sie dafür nur mal | |
eben die männlich-ministrable Konkurrenz aus dem Weg räumen. Kandidatinnen | |
gibt es genug: Barley, Esken, Lambrecht, Nahles – sie alle sind als | |
Ministerinnen im Gespräch. Die Grünen ihrerseits dürften nicht das Problem | |
sein. Zwar stehen Habeck, Hofreiter und Özdemir um Posten an. | |
Aber dass die Fraktion, die mit Baerbock als erster grüner | |
Kanzlerkandidatin und knapp 60 Prozent weiblichen Abgeordneten im Bundestag | |
vorlegt, nun ihre eigenen Standards unterläuft, ist unwahrscheinlich. | |
Gleichwohl ist nicht zu erwarten, dass die Grünen auf männliche Minister | |
verzichten, um gleichstellungspolitische Löcher im Kabinett zu stopfen, die | |
andere hinterlassen. | |
Doch die könnten klaffen: Denn die FPD, die sich seit jeher gegen Quoten | |
stemmt, lässt Paritätswünsche an sich abperlen. Fifty-fifty, so Lindner | |
kühl, habe Scholz auf die SPD bezogen, nicht aufs gesamte Kabinett. | |
„[6][Qualifikation und Fähigkeit, ein Ministerium zu führen]“ sollten die | |
Hauptrolle bei der Besetzung spielen, so Wolfgang Kubicki. Ja klar. Deshalb | |
ist auch Andreas Scheuer noch im Amt. | |
Gesetzt jedenfalls ist ein paritätisches Kabinett auch 2021 nicht. Warum | |
aber braucht es das? Unter anderem, weil vieles, was sich im | |
Sondierungspapier abzeichnet, in der Umsetzung am Personal hängen wird. | |
Zwar soll der Mindestlohn auf zwölf Euro steigen, was zu 70 Prozent Frauen | |
betrifft. Und der Paragraf 219a dürfte fallen. Doch wie es der Pflege, die | |
ebenfalls größtenteils Frauen machen, nach der nächsten Legislatur geht, | |
hängt auch davon ab, wer als MinisterIn für sie zuständig ist. | |
Oder Alleinerziehende: Sie werden bislang allenfalls indirekt durch den | |
Ausbau von Ganztagsschulen und Kindergrundsicherung adressiert. Die FPD | |
bremst emanzipatorische Politik, wie sich schon jetzt deutlich zeigt. Das | |
Ehegattensplitting, der vermaledeite Dauerbrenner, wird wohl auch eine | |
Ampel überdauern. Ebenso der Paragraf 218. Die Umverteilung von bezahlter | |
und unbezahlter Arbeit spielt im Sondierungspapier keine Rolle. Und das | |
Wort „Quoten“ kommt gar nicht erst vor. | |
Eine Frau als Bundestagspräsidentin ist ein Anfang. Aber Parität ist die | |
Hälfte der Macht. Die SPD-Frauen, ob Partei oder Fraktion, dürfen es Scholz | |
nicht durchgehen lassen, wenn er versuchen wird, seine Wahlversprechen so | |
tief wie möglich unter den Tisch fallen zu lassen. | |
23 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/olafscholz/status/1368856599889084417?lang=de | |
[2] /SPD-Politikerin-Baerbel-Bas/!5809902 | |
[3] https://de.statista.com/infografik/13061/zusammensetzung-der-bundeskabinett… | |
[4] /Brief-an-Altkanzler-Gerhard-Schroeder/!5567557 | |
[5] https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2012/41487855_kw46_laurischk-… | |
[6] /Nachrichten-zur-Regierungsbildung/!5808368 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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