Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fake News im Bundestagswahlkampf: Im Fadenkreuz
> Eine Plattform hat den laufenden Bundestagswahlkampf auf Fake News
> untersucht. Häufigstes Ziel solcher Attacken: Grünen-Kanzlerkandidatin
> Baerbock.
Bild: Wird oft angefeindet: Annalena Baerbock
Berlin taz | WahlkämpferInnen der Grünen wiesen schon vor Monaten auf Fake
News in sozialen Netzwerken hin, die auf Annalena Baerbock zielten. So
kursierten vermeintliche Nacktbilder Baerbocks im Netz, die in Wirklichkeit
nicht sie zeigten, sondern ein russisches Model. Auch falsche Zitate
machten die Runde. Im April verbreitete sich ein Screenshot eines
Fake-Zitats von Baerbock auf Facebook. Demnach habe sie ein Ende der
privaten Tierhaltung gefordert, weil etwa [1][Hunde viel CO2 verursachen]
würden. Völliger Unsinn, der aber vielfach geteilt wurde.
Die Bewegungsplattform Avaaz hat am Montag einen Report zu Desinformation
im aktuellen Bundestagswahlkampf vorgelegt. Er analysiert Fake News in
sozialen Netzwerken, geht aber auch der Frage nach, wie sie von seriösen
Medien aufgegriffen und verstärkt werden. Als Grundlage dienten 800
Faktenprüfungen, die vom 1. Januar bis zum 31. August von unabhängigen
Factcheckern veröffentlicht wurden – nämlich von den Nachrichtenagenturen
dpa und AFP und dem Recherchekollektiv Correctiv.
Ein großer Teil der Falschnachrichten [2][beziehe sich auf das
Coronavirus], heißt es in dem Avaaz-Report, der der taz vorliegt. Jenseits
dessen habe man aber 85 Desinformations-Narrative zu unterschiedlichen
Themen ausmachen können, die auf PolitikerInnen abzielten. Das wichtigste
Ergebnis: Annalena Baerbock sei von allen deutschen PolitikerInnen das
Hauptziel der Fake-News-Attacken. 25 Prozent der Desinformations-Narrative
beträfen die Grünen-Kanzlerkandidatin. „Sie liegt damit mit großem Abstand
auf Platz 1“, so der Report. Dahinter folge Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
mit 13 Prozent und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet mit 10 Prozent.
Betrachtet man die PolitikerInnen nach Parteizugehörigkeit, sind die Grünen
mit 46 Prozent am meisten von Desinformation betroffen. Dann folgen
PolitikerInnen von CDU/CSU (32 Prozent) und SPD (19 Prozent). Nur 2 Prozent
der Desinformations-Narrative aus dem Datensatz beziehen sich auf
PolitikerInnen der Linkspartei, nur ein einziges auf einen Politiker der
AfD. Es sind also vor allem PolitikerInnen der Mitte von Fake News
betroffen, VertreterInnen der politischen Ränder kaum.
## Offenbar besonders verhasst
Bemerkenswert bei Annalena Baerbocks Spitzenplatz ist, dass sie erst Mitte
April als Kanzlerkandidatin nominiert wurde. Sie steht also – verglichen
etwa mit Merkel – erst seit ein paar Monaten im Rampenlicht, hat aber in
dieser kurzen Zeit alle anderen PolitikerInnen bei der Betroffenheit von
Fake News überholt. Die Grünen sind mit ihrer proeuropäischen
Klimaschutzagenda und ihrer kritischen Haltung zu Putins Russland oder zu
China offenbar besonders verhasst bei Leuten, die auf Desinformation
setzen.
„Wir beobachten Fake News und Hasskampagnen seit langer Zeit im Netz“,
sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Montag der taz.
„Dabei stellen wir immer wieder fest, [3][dass Frauen viel heftiger und
stärker angegriffen werden als Männer].“ Die Angriffe auf Baerbock seien
dabei nur die prominentesten Beispiele. Seit ihrer Nominierung hätten
gefälschte Zitate und gefakte Bilder „nochmal einen wahnsinnigen Schub
bekommen“, sagte Kellner.
## Deutlicher Grünen-Fokus
Noch deutlicher wird der Grünen-Fokus, wenn man nur die
Desinformations-Narrative betrachtet, die sich auf die drei
KanzlerkandidatInnen beziehen. Hier liegt Annalena Baerbock laut Avaaz klar
vorn mit 71 Prozent, dann kommt Armin Laschet mit 29 Prozent.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist interessanterweise von keinem einzigen
der Narrative betroffen, die Avaaz untersucht hat. Vielleicht kam sein
Höhenflug, der sich in den Umfragen erst Ende Juli bemerkbar machte, zu
spät für Fake-News-Attacken.
Jene dürften durchaus Wirkung bei WählerInnen entfalten. 56 Prozent der
Erwachsenen in Deutschland, also mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten,
haben mindestens eine Falschnachricht über Baerbock gesehen. Das ergabe
eine von Avaaz bei YouGov Deutschland in Auftrag gegebene, repräsentative
Umfrage. Als wichtigste Kanäle, auf denen die Infos gesehen wurde, nannten
die Befragten das Fernsehen und Mainstream-Medien wie Zeitungen. Auf Platz
3 folgte Facebook. Zwei Drittel der Befragten schätzten
Desinformationskampagnen als Gefahr für die Bundestagswahl ein.
## In seriöser Presse
Dabei schwappen Fake News oft auch in die seriöse Presse hinüber. Die
Stuttgarter Nachrichten berichteten etwa am 22. April über das frei
erfundene Zitat zum Haustierverbot. Überschrift über einem Foto von
Baerbock: „Fordert die Kanzlerkandidatin wirklich ein Haustierverbot?“ Für
die LeserInnen wurde nicht von Anfang an deutlich, dass es sich um eine
Falschnachricht handelt – obwohl der Text später korrekt darauf hinwies.
Die Website Der Westen veröffentlichte am 29. April einen Artikel mit der
Überschrift: „Annalena Baerbock: Hasst sie wirklich Hunde? Zitat macht die
Runde – das steckt wirklich dahinter“. Erneut wird im Titel nicht deutlich,
dass es sich um ein erfundenes Zitat handelt.
„Desinformation hat auch in Deutschland das Mainstream-Publikum erreicht“,
sagte Avaaz-Kampagnendirektor Christoph Schott der taz. „Die Bundesrepublik
läuft Gefahr, in die Fußstapfen der USA zu treten, wo Trumps Tweets – ob
wahr oder falsch – von den Mainstream-Medien weit verbreitet wurden.“ Die
Antwort sei Qualitätsjournalismus, betonte Schott. „Nicht zu jeder kleinen
Falschnachricht muss eine Titelstory geschrieben werden, und ob aus
‚Baerbocks Lebenslauf‘ das deutsche Pendant zu ‚Hillary’s E-Mails‘ wi…
hängt am Ende auch von der Medienberichterstattung ab.“
## Kein Zufallsprodukt
Hillary Clinton hatte als Außenministerin ein privates E-Mail-Konto für
dienstliche E-Mails genutzt. Donald Trump schaffte es im US-Wahlkampf 2016,
dies zu einem dominierenden Thema zu machen. Seine eigenen Verfehlungen und
inhaltliche Themen gerieten in der Berichterstattung der Medien ins
Hintertreffen. Die amerikanische Mainstream-Presse habe „einen Großteil der
Drecksarbeit gemacht“, resümierte später die Washington Post.
Der Grüne Michael Kellner betonte, dass die Angriffe kein Zufallsprodukt
seien. „Vielmehr sind sie häufig bewusst gesteuert, aus rechten Kreisen
oder auch aus russischen Netzwerken.“ Die Ergebnisse der Avaaz-Untersuchung
müssten alle DemokratInnen wachrütteln. Kellner machte deutlich, dass eine
denkbare Quelle für Fake News Russland ist. „Die Bundesregierung muss eine
klare Haltung gegenüber Russland einnehmen und klar machen, dass Wahlen in
Deutschland entschieden werden und nicht über russische Trollarmeen.“ Avaaz
ist nach eigenen Angaben eine globale Bürgerbewegung mit mehr als 66
Millionen Mitgliedern, die sich über kleine Spenden einzelner Mitglieder
finanziert.
6 Sep 2021
## LINKS
[1] /CO2-Emissionen-bei-Haustieren/!5118625
[2] /Fake-News-und-Corona/!5684434
[3] /Hass-im-Netz-gegen-PolitikerInnen/!5791502
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Fake News
Grüne
Annalena Baerbock
Desinformation
GNS
IG
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Meta
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Literatur
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt AfD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Falschinformationen zur Bundestagswahl: Schlechter Einfluss aus den USA
Nach der US-Präsidentschaftswahl streute Donald Trump das Gerücht der
„gestohlenen Wahl“ – ein Narrativ, das rechte Akteure hierzulande
aufgreifen.
Facebook löscht rechtsextreme Konten: Schädliche „Querdenker“
Facebook löscht erstmals 150 Accounts wegen rechtsextremer Inhalte. So
lobenswert der Schritt ist, so sehr kann er nur ein Anfang sein.
taz-Autor:innen und die Wahl: Das kleinste Übel – von Herzen
Wen wählen die tazler:innen? Für unseren Autor ist klar: Die Union muss aus
der Bundesregierung raus. Um das zu erreichen, wählt er sogar Olaf Scholz.
Neuer Thriller von Yassin Musharbash: Das Handwerk der Wahrheit
„Russische Botschaften“ ist ein Thriller über Fake News und
Investigativjournalismus. Journalist und Autor Yassin Musharbash zeigt viel
Insiderwissen.
Umgang mit Falschbehauptungen: Fehlende Analyse
Nachrichtenjournalismus begreift sich oft noch als neutrale Bühne. Dadurch
verpasst er, Falschaussagen politischer Figuren kritisch einzuordnen.
AfD-Freunde hängen Großplakate auf: Rechte Kampagne gegen Grüne
Mit Großplakaten macht eine AfD-nahe Initiative Stimmung gegen die Grünen.
Die Finanzierung bleibt unklar, der Macher gibt sich wortkarg.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.