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# taz.de -- Falschinformationen zur Bundestagswahl: Schlechter Einfluss aus den…
> Nach der US-Präsidentschaftswahl streute Donald Trump das Gerücht der
> „gestohlenen Wahl“ – ein Narrativ, das rechte Akteure hierzulande
> aufgreifen.
Bild: „Stop the steal“ – eine Trump-Anhängerin protestiert nach dem Wahl…
Berlin taz | Das US-amerikanische Wahlsystem unterscheidet sich grundlegend
vom deutschen System. Trotzdem hat ein Phänomen, das vielen US-Bürger:innen
bekannt vorkommt, den Weg über den Atlantik gefunden: Anschuldigungen über
Wahlbetrug und Misstrauen gegen die Briefwahl.
Klar ist: Die Ausmaße der Desinformationskampagnen sind nicht vergleichbar.
In Deutschland hält die einzige Partei, die Mutmaßungen über Wahlfälschung
verbreitet – die AfD –, nur zwölf Prozent der Sitze im Bundestag. In den
USA streute der damalige Präsident Donald Trump solche Gerüchte vom Weißen
Haus aus.
Fachleute, die sich mit Desinformation und der extremen Rechten in
Deutschland befassen, sagen allerdings: Im Vorfeld der Bundestagswahl am
26. September haben gezielte Falschinformationen über die Integrität der
Wahlen zugenommen. Einige davon hätten zudem das Narrativ der „gestohlenen
Wahl“ der US-Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr aufgegriffen.
Der US-amerikanische Wahlexperte David Becker hat Wahlen auf der ganzen
Welt beobachtet, auch in Deutschland. Mit Blick auf Trump empfiehlt er, das
Thema Falschinformationen zur Wahl auch hierzulande ernst zu nehmen: „Das
war kein Einzelfall und ist nicht auf eine Person beschränkt“, sagt Becker,
und fügt hinzu: „International gilt: Desinformation ist eine sehr ernste
Bedrohung, womöglich die größte Bedrohung, der die Demokratie weltweit je
ausgesetzt war.“
## Was in den USA passiert, strahlt auf Deutschland ab
Der Rechtsextremismusforscher Miro Dittrich betont, wie vernetzt die
digitalen Communitys seien: „Diese ‚alternativen Realitäten‘, die in den
Vereinigten Staaten entstehen und dort viele Anhänger:innen haben,
strahlen auf Länder ab, die mit den USA verbündet sind. Deshalb hat es
massive Konsequenzen für uns in Deutschland, wenn die USA diese Probleme
nicht richtig angehen.“
Dittrich, Mitgründer des gemeinnützigen Thinktanks Center für Monitoring,
Analyse und Strategie (CeMAS), hat im vergangenen Jahr beobachtet, dass
Behauptungen über eine „gestohlene“ US-Wahl unter deutschen Rechten in den
sozialen Medien im Trend lagen. Seitdem habe die Desinformation nie
wirklich aufgehört, sagt Dittrich.
Laut Helena Schwertheim vom Institute for Strategic Dialogue (ISD), einer
Denkfabrik, die sich mit Hate Speech, Online-Extremismus und Desinformation
auf der ganzen Welt befasst, zeigte eine Fallstudie während der Wahlen in
Sachsen-Anhalt im Juni, was nach der Wahl am Sonntag wieder passieren
könnte. Schwertheim und ihr Team stellten fest, dass innerhalb von 24
Stunden schätzungsweise 2,6 Millionen Twitter-Nutzer:innen auf Beiträge mit
dem Hashtag „#Wahlbetrug“ reagierten, obwohl es keine begründeten Hinweise
auf Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gab.
„Ich würde es nicht als direkten Einfluss bezeichnen“, sagt Schwertheim
über das Verhältnis zwischen Falschinformationen in den USA und
Deutschland. „Aber es gibt definitiv Nachahmungen bestimmter Narrative und
Taktiken, die von den entsprechenden Akteuren jenseits des Atlantiks
verwendet werden.“ So veröffentlichte etwa der rechte und
verschwörungsideologische Medienaktivist Oliver Janich, der inzwischen von
Youtube gesperrt wurde, ein Video mit dem Titel „Massiver Wahlbetrug in
Sachsen-Anhalt: Die USA als Vorbild“.
## Strukturelle Unterschiede zwischen den Wahlsystemen
Das Büro von Bundeswahlleiter Georg Thiel hat eine Fake-News-Korrekturseite
eingerichtet, um gegen die im Internet verbreiteten wahlbezogenen
Desinformationen vorzugehen. Thiel ist zuversichtlich, dass es in
Deutschland aufgrund der Unterschiede zwischen den beiden Wahlsystemen
nicht zu einer Krise der Glaubwürdigkeit wie in den USA kommen werde: „Ich
sehe die beiden Systeme im Wesentlichen nicht als vergleichbar an“, sagte
er auf einer Pressekonferenz im September, und erklärte: „Wir haben in
Deutschland einen sehr stabilen Prozess, in dem alles aus dem Melderegister
ins Wählerverzeichnis übertragen wird.“ Alle Schritte des Prozesses seien
transparent und nachvollziehbar.
In Deutschland werden keine Wahlmaschinen verwendet, die im Fokus der
Desinformationskampagnen in den USA standen. Außerdem werden hierzulande
nur Stimmzettel gezählt, die bis 18 Uhr am Wahltag eingehen. Das
amerikanische Prozedere, wonach einige Militär- und Überseestimmzettel
später eintreffen dürfen, hatte zu einiger Verwirrung bei der Auszählung
geführt.
Miro Dittrich vom CeMAS bezweifelt jedoch, dass diese Faktoren einen
Unterschied machen: „Ich denke, dass die Personen, die der Zielgruppe von
Verschwörungserzählungen rund um die Wahl angehören, sich nicht wirklich an
der Realität orientieren.“
## Die Briefwahl steht im Fokus der Falschinformationen
Wie in den USA wird auch in Deutschland pandemiebedingt ein Rekordanstieg
der Stimmen via Briefwahl erwartet. Obwohl die Briefwahl in Deutschland
seit 1957 ohne Zwischenfälle durchgeführt wird, hat sich auch in
Deutschland Skepsis breitgemacht, die die Gerüchte aus den USA
widerspiegelt.
„Wir hatten schon früher Wahlbetrugsvorwürfe in Deutschland, das ist nichts
Neues“, sagt Karolin Schwarz, Journalistin aus Berlin, die sich mit
Desinformation und der extremen Rechten beschäftigt. Aber nach der US-Wahl
hätten einige AfD-Politiker:innen und andere rechte Akteure Behauptungen
aufgestellt, dass die Briefwahl auch in Deutschland Ziel von Wahlbetrug
sei, erklärt Schwarz.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner etwa streute Anfang des
Jahres im Bundestag Zweifel an der Sicherheit der Briefwahl. Ein
Misstrauen, das viele Mitglieder der neu gegründeten Partei Die Basis, die
dem verschwörungsgläubigen „Querdenken“-Milieu nahesteht, teilen.
Bei einer Kundgebung in Berlin Ende August sagte deren bayerische
Bundestagskandidatin Alexandra Motschmann, sie glaube, es sei besser,
persönlich zu wählen als per Post. „In Amerika wissen sie bis heute nicht,
ob die Wahl gefälscht war oder nicht“, sagte Motschmann der taz. „Es gibt
mehrere Stimmen, die sagen, dass sie gefälscht war“, so Motschmann.
Konkrete Beweise oder Fälle von Wahlbetrug, die diese Spekulationen
untermauern, führte sie auf Nachfrage nicht an.
## Social-Media-Plattformen sind mitverantwortlich
Nach der Bundestagswahl am Sonntag werde es noch mehr Gerüchte geben,
befürchtet die Berliner Journalistin Karolin Schwarz: „Das wird
wahrscheinlich schon am Wahltag losgehen. Darauf sollten wir vorbereitet
sein“, sagt sie. Sie hoffe es zumindest.
Die Politikwissenschaftlerin Helena Schwertheim vom ISD fordert die großen
Social-Media-Plattformen auf, in Deutschland mehr zu tun, „um diese Akteure
zur Rechenschaft zu ziehen“, wie es in den USA geschehen sei. Außerdem
sollten sie Parteien sanktionieren, die sich an der Verbreitung von
Gerüchten beteiligten.
Vanessa Stemplowsky von der Kommunikationsberatung APCO Worldwide, die
PR-Aufgaben für Facebook in den deutschsprachigen Ländern übernimmt,
erklärt dazu gegenüber der taz: „In Bezug auf die anstehenden Wahlen halten
wir es nicht für unsere Aufgabe zu entscheiden, ob Aussagen von
Politiker:innen wahr oder falsch sind.“ Sie fügt aber hinzu, man
entferne „aktiv Inhalte von Politiker:innen, die zur Unterdrückung der
demokratischen Stimmabgabe führen könnten“.
Emma Hurt ist US-amerikanische Politikjournalistin aus Atlanta und als
IJP-Fellow bei der taz. Sie hat zuletzt viel über die
US-Präsidentschaftswahlen 2020 berichtet.
23 Sep 2021
## AUTOREN
Emma Hurt
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