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# taz.de -- Schulgesetz soll geändert werden: Wiederholung möglich machen
> Behindertenbeauftragte fordert, Schüler:innen mit geistiger
> Behinderung beim Wunsch, das Schuljahr zu wiederholen, nicht weiter zu
> benachteiligen.
Bild: In der Schule sollten doch alle die gleichen Rechte haben
Berlin taz | Dürfen auch Schüler:innen, die Sonderschulen für geistige
Entwicklung besuchen, das Corona-Schuljahr pandemiebedingt wiederholen?
Bislang ist das für die über 2.600 Schüler:innen an diesen Schulen nicht
möglich, das Schulgesetz nimmt sie ausdrücklich aus. Doch ein Urteil des
Verwaltungsgerichts Berlin von vergangener Woche macht Hoffnung, dass sich
das ändert. Das Gericht gab nämlich in einer Eilentscheidung der Klage
einer Schülerin mit Trisomie 21 statt, deren Antrag auf Wiederholung des
Abschlussschuljahres [1][die Schulbehörde zuvor abgelehnt hatte]. Die
Schülerin darf nun den Abschlussjahrgang vorläufig weiterhin besuchen.
Die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Christine
Braunert-Rümenapf, fordert den Senat auf, das Berliner Schulgesetz
entsprechend zu ändern, sobald das Urteil rechtskräftig sei. Der taz sagte
Braunert-Rümenapf: „An einer Änderung des Schulgesetzes führt aus meiner
Sicht kein Weg vorbei. Das Urteil sagt klar, dass Kinder mit geistigen
Beeinträchtigungen nicht benachteiligt werden dürfen.“
Das Abgeordnetenhaus hatte im Februar beschlossen, dass Schüler:innen
von Klasse eins bis zehn das Jahr freiwillig wiederholen dürfen, um ihnen
Gelegenheit zu geben, pandemiebedingte Nachteile auszugleichen. Die
Senatsverwaltung für Bildung hatte im März eine entsprechende Verordnung
erlassen. Kinder an Schulen mit dem Förderschwerpunkt „Geistige
Entwicklung“ sind aber ausgenommen. Begründung: Für sie sei keine
Wiederholung der Jahrgangsstufe möglich, „weil die Schule nicht in
Jahrgangsstufen organisiert ist“.
Diese Begründung verwarf das Gericht in seiner Eilentscheidung. Die
gegenwärtige Gesetzeslage, wonach sonderpädagogisch Förderberechtigte im
Bereich „Geistige Entwicklung“ im Gegensatz zu anderen Schülerinnen und
Schülern keinerlei Ausgleich für pandemiebedingte Nachteile bei der
Ausbildung im Jahr 2020/2021 erhalten, benachteilige die Betroffene
entgegen dem verfassungsrechtlichen Verbot der Schlechterstellung von
Menschen mit Behinderung.
Eine Schlechterstellung lasse sich nicht mit organisatorischen Erwägungen
rechtfertigen. Entscheidend sei allein, ob die Lernziele der
Berufsausbildungsvorbereitung pandemiebedingt verfehlt zu werden drohten.
Damit hatte die Klägerin nämlich argumentiert, deren letzten Schuljahre an
der Sonderschule als zweijährige integrierte Berufsausbildung organisiert
sind. Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus seien Unterricht und der
Kontakt zu den Werkstätten stark eingeschränkt gewesen, so die Schülerin.
Der behindertenpolitische Sprecher der FDP, Thomas Seerig, begrüßte das
Urteil ebenfalls. „Ich hoffe, dass der Senat nun allen Schülerinnen und
Schülern der Förderschulen Geistige Entwicklung die Möglichkeit der
Wiederholung gibt. Und nicht nur der Klägerin“, so Seerig zur taz. Es sei
erschreckend, dass der Senat erst ein Urteil brauche, um diese
Diskriminierung von Menschen mit kognitiven Einschränkungen zu beenden.
23 Aug 2021
## LINKS
[1] /Verstoss-gegen-Antidiskriminierungsgesetz/!5783910
## AUTOREN
Anna Lehmann
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Antidiskriminierung
Theater
Bremen
Sandra Scheeres
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Kinder mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ sind ausgenommen.
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