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# taz.de -- Initiative zur Dekolonialisierung: Peng-Kollektiv hart verfolgt
> Zur Terrorabwehr ermittelt das Landeskriminalamt gegen das
> Künstler*innenkollektiv Peng. Das hatte eine Karte über
> Kolonialismus veröffentlicht.
Bild: Koloniale Straßennamen – hier an einer Ecke in Berlin-Wedding
BERLIN taz | Vor etwas mehr als einem Jahr ging eine Seite online, die in
Berlin großen Aufruhr verursachen sollte. Auf [1][tearthisdown.com]
veröffentlichte das Berliner Peng-Kollektiv zusammen mit antikolonialen
Aktivist*innen eine Deutschlandkarte, auf der „koloniale Orte“ in der
Hauptstadt und im ganzen Bundesgebiet verzeichnet waren:
kolonialnostalgische Straßennamen, Statuen und Gedenktafeln, die
romantisierend an deutsche Verbrechen in Afrika, Asien und Ozeanien
erinnern.
Auf der Internetseite ist heute noch zu lesen, dass diese Orte „beseitigt“
werden sollten. Scrollt man herunter, erscheint ein Aufruf: User*innen
können melden, wo es überall solche Orte in Deutschland gibt. Die Karte ist
prall gefüllt – vielleicht auch aufgrund dieses Aufrufs. Das Peng-Kollektiv
hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen mit [2][interaktiven
Kunstaktionen] gemacht.
Vor rund einem Monat, am 15. Juli 2021, um ganz genau zu sein, standen
mehrere [3][Polizist*innen im Büro des Kollektivs in Kreuzberg].
Zeitgleich ließ die Berliner Staatsanwaltschaft die Privaträume von zwei
Mitgliedern der Gruppe durchsuchen, offiziell im Zusammenhang mit
Sachbeschädigungen an Denkmälern und Straßenschildern in Berlin: in der
Zehlendorfer Clayallee, am „Gedenkstein der Gefallenen des
Herero-Aufstands“ in Neukölln, am Bismarck-Nationaldenkmal im Tiergarten
oder im sogenannten Afrikanischen Viertel im Wedding, also an Orten, die
auch laut der interaktiven Peng-Karte den deutschen Kolonialismus
verherrlichen. Die Orte wurden teilweise mit Farbe beschmiert oder es
tauchten dort Sprüche wie „Tear this down!“ (Reißt dies ab!) auf.
Der taz liegt zu den Ermittlungen gegen das Peng-Kollektiv eine Kleine
Anfrage des Berliner Linken-Abgeordneten Niklas Schrader vor. Darin
antwortet die von den Grünen geführte Senatsverwaltung für Justiz,
Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auf Fragen zu den noch laufenden
Ermittlungen.
Demnach betrachtet das Berliner Landeskriminalamt die Ermittlungen gegen
Peng offiziell als Extremismus- und Terrorismusabwehr. Zumindest meldete
das LKA Berlin die Veröffentlichung der Webseite und die genannten
Sachbeschädigungen am 15. Juli 2021 an das Gemeinsame Extremismus- und
Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern. Das Zentrum wurde im Jahr
2012 zur Bekämpfung von politisch motivierter Kriminalität, Terrorismus und
Spionage gegründet. So landete die Künstlergruppe in einer Datenbank mit
Rechtsterroristen, Islamisten und russischen Agenten.
## Ermittelt wird wegen Aufforderung zu Straftaten
Ermittelt werde gegen drei Beschuldigte wegen der öffentlichen Aufforderung
zu Straftaten, schreibt die Senatsverwaltung weiter. Ob die
Sachbeschädigungen auch auf das Konto der Künstler*innen und
Aktivist*innen gehen, scheint allerdings selbst dem LKA nicht klar zu
sein. Dazu heißt es: „Die Ermittlungsbehörden prüfen derzeit für die
jeweiligen Sachverhalte, ob ein Zusammenhang zwischen den
Sachbeschädigungen und der Website-Veröffentlichung besteht.“ Weitere
Auskünfte könnten mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht gemacht
werden. Es bestehe die Gefahr „der Beeinflussung von Zeuginnen und Zeugen
oder eine anderweitige Gefährdung des Untersuchungszwecks“.
„Aus meiner Sicht ist es völlig unverhältnismäßig, dass das LKA einen
derartigen Ermittlungseifer gegen ein Aktionskunst-Kollektiv an den Tag
legt und Privatwohnungen durchsuchen lässt“, sagt Niklas Schrader. Er
verweist darauf, dass weltweit koloniale Statuen abgebaut und Orte
umgewidmet würden. Daneben sehe die Einstufung einer „zugespitzten“
Kunstaktion als Terrorismus nicht gut aus. Die Prioritätensetzung in den
Berliner Sicherheitsbehörden sei endgültig aus der Balance geraten.
Schrader attestiert dem Berliner Staatsschutz sogar unverblümt einen rechte
und rassistische Voreingenommenheit gegenüber „der linken
Zivilgesellschaft“. Diese Kritik, so kann man es in Wahlkampfzeiten auch
lesen, ist direkt an die Koalitionspartner Grüne und SPD gerichtet. Die
Berliner Senatsverwaltung für Inneres wird von der SPD geführt.
„Deutschland verehrt Kolonialverbrecher an jeder Straßenecke. Das zeigt
unsere Karte auf einen Blick“, sagt einer der Peng-Aktivist*innen auf
taz-Anfrage. Im Jahr 2021 werde koloniale Raubkunst nicht zurückgegeben,
sondern in neu gebauten Protzbauten ausgestellt. „Und Künstler*innen, die
Dekolonisierung fordern, werden mit Terrorist*innen in einen Topf
geworfen“, sie würden eingeschüchtert und ihre Netzwerke mit
fadenscheinigen Vorwürfen durchleuchtet. „Das zeigt, auf welchem Auge der
Staat blind ist.“
Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland fällt
ebenfalls ein hartes Urteil mit Blick auf die Einstufung von
tearthisdown.com als extremistische und terroristische Tat: „[4][Black
Lives Matter-Proteste] und die antirassistische Bewegung werden
kriminalisiert, während Rechtsextremismus und rechter Terror verharmlost
werden.“
13 Aug 2021
## LINKS
[1] https://www.tearthisdown.com/de/
[2] /Aktion-von-Kunstkollektiv-Peng/!5702342
[3] /Razzia-beim-Peng-Kollektiv/!5787076
[4] /Sachsen/!5196325
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Entkolonialisierung
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