| # taz.de -- Bundesregierung klagt gegen Youtube: Versprechen mit Bundesadler | |
| > Die Regierung klagt gegen Youtube wegen eines Peng!-Videos. Darin wird | |
| > die Aufnahme von Flüchtlingen durch das Innenministerium versprochen. | |
| Bild: Kein Imagefilm ohne Kleinkinder in der Natur – selbst wenn es Satire … | |
| Wo beginnt die Kunstfreiheit, wo endet die Desinformation? Darum wird es am | |
| Dienstag vor dem Landgericht Berlin gehen. Die Bundesregierung verlangt von | |
| Youtube, dafür zu sorgen, dass ein Video der [1][Kommunikationsguerilla | |
| Peng!] auf der Plattform nicht mehr zugänglich gemacht werden kann. | |
| [2][Das Video heißt „Seebrücke des Bundes“] und tauchte im Juni 2018 auf. | |
| Es zeigt das Bild eines schönen, erfolgreichen und „loyalen“ Deutschlands. | |
| Zu sehen sind Neuschwanstein, eine Autofabrik und der damalige | |
| Innenminister Horst Seehofer (CSU). Dann die Botschaft: „Deutschland nimmt | |
| bis Ende 2019 freiwillig alle Menschen auf, die im Mittelmeer aus Seenot | |
| gerettet werden“, verbunden mit dem Signet des „Bundesministeriums des | |
| Innern, für Bau und Heimat“ samt Bundesadler und schwarz-rot-goldenen | |
| Farben. | |
| Auch eine ähnlich aufgemachte Webseite existierte. Jan Böhmermann machte | |
| die „Seebrücke des Bundes“ als erster bekannt. „Endlich bewegt sich was. | |
| Danke, Horst Seehofer“, twitterte der Polit-Entertainer am 28. Juni 2018. | |
| ## Kunstfreiheit und sichere Häfen | |
| Doch es blieb nicht bei der Satire. Denn gleichzeitig startete [3][die | |
| Bewegung „Seebrücke“], die bis heute besteht. Ihr Ziel: Möglichst viele | |
| [4][Kommunen sollten sich zu „sicheren Häfen“ für Flüchtlinge aus dem | |
| Mittelmeer erklären] und so die Bundespolitik von unten unter Druck setzen. | |
| Inzwischen gibt es 314 aufnahmebereite Städte in Deutschland, inklusive | |
| Berlin, Köln, Hannover und Freiburg. | |
| Das Bundesinnenministerium ging allerdings zivilrechtlich gegen die | |
| Webseite und das Video vor, weil sein Signet missbraucht worden sei. Dabei | |
| berief sich das Ministerium auf sein Namensrecht. Im Eilverfahren hatte das | |
| Ministerium durchweg Erfolg. Eine erste Verfügung des Landgerichts Berlin | |
| erging am 31. Juli 2018, etwa einen Monat nach Erscheinen des Videos. | |
| Youtube musste das Video von der Plattform entfernen. Die Verfügung wurde | |
| vom Landgericht nach mündlicher Verhandlung im Juni 2020 bestätigt und | |
| ebenso vom Berliner Kammergericht im März 2021. Es ging dem | |
| Innenministerium (BMI) nicht um das Video, nur um die Verwendung des | |
| BMI-Logos. [5][Gerade in Zeiten zunehmender Desinformation] durch Fake News | |
| sei der Schutz von Hoheitszeichen wichtig. | |
| Doch Google, das hinter Youtube steht, gab nicht auf, weshalb am Dienstag | |
| an einer Zivilkammer des Landgerichts Berlin die Hauptsacheverhandlung | |
| stattfindet. Google beruft sich auf die Kunstfreiheit. Die | |
| durchschnittliche und aufmerksame Betrachter:in erkenne das Video trotz | |
| des künstlerischen Spiels mit der Verwechslung als Satire. Fake-Aktionen | |
| wie das Seebrücke-des-Bundes-Video seien eine tradierte Kunstform, die | |
| durch kurze Irritation erst Verblüffung hervorrufen soll, um dadurch aber | |
| zur Reflexion anzuregen. | |
| Um den Kunstcharakter zu verdeutlichen, hat Google das Peng!-Kollektiv um | |
| eine Stellungnahme vor Gericht gebeten. Die will Jean Peters, | |
| Gründungsmitglied von Peng! auch abgeben, in Form einer schriftlichen | |
| Erklärung. „Natürlich sollten wir jederzeit, an jedem Ort satirisch und | |
| künstlerisch mit Logos und Hoheitszeichen agieren können“, heißt es darin. | |
| Doch Peters solidarisiert sich nun keineswegs mit Google, sondern fordert | |
| das Innenministerium auf, „Google in demokratische Kontrolle“ zu bringen, | |
| denn es sei öffentliche Infrastruktur, „Google gehört vergemeinschaftet“. | |
| Möglicherweise hat Google bei seiner Anfrage an Peng! vergessen, dass das | |
| Kollektiv sich schon einmal mit Google angelegt hat. 2014 trat Jean Peters | |
| mit einer Kollegin beim Re:publica-Kongress als vermeintlicher | |
| Google-Manager auf und stellte scheinbar neue Google-Tools zur Verwertung | |
| der Nutzerdaten vor. Damals wollte Google juristisch gegen Peng! vorgehen, | |
| verzichtete dann aber nach heftiger Kritik aus der digitalen | |
| Zivilgesellschaft. Es sei also „ein wenig bigott“, so Peters, wenn Google | |
| sich nun für die Kunstfreiheit einsetze. | |
| Doch das wird am Landgericht Berlin nur ein Nebenschauplatz sein. | |
| Entscheidend ist die Frage, ob offensichtliche Fakes der | |
| Kommunikationsguerilla öffentlich verbreitet werden dürfen oder nicht. Ob | |
| das Gericht bereits an diesem Dienstag sein Urteil verkündet, ist noch | |
| offen. | |
| Auf der Facebook-Seite von Peng! [6][ist das 1:15 Minuten lange Video | |
| derweil noch online]. Dagegen ist die Bundesregierung bisher nicht | |
| vorgegangen. | |
| 22 Nov 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Peng-Kollektiv/!t5010976 | |
| [2] /EU-Fluechtlingspolitik/!5516958 | |
| [3] http://www.seebruecke.org | |
| [4] /Bekenntnis-zum-sicheren-Hafen/!5538930 | |
| [5] /Desinformation/!t5593248 | |
| [6] https://www.facebook.com/pengcollective/videos/1352541548213212/ | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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