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# taz.de -- Bundesregierung klagte gegen Youtube: Grenze künstlerischer Interv…
> Laut Landgericht Berlin darf das „Seebrücke“-Video nicht mit BMI-Logo
> verbreitet werden. Nun liegt auch das 19-seitige Urteil vor.
Bild: Youtube ist verpflichtet, den erneuten Upload zu verhindern, solange dort…
Das Videoportal Youtube darf [1][das Video „Seebrücke des Bundes“] nicht
mehr verbreiten, wenn dabei das Logo des Bundesinnenministeriums
eingeblendet wird. Eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Berlin
liegt der taz jetzt mit den Entscheidungsgründen vor. Das Namensrecht des
Ministeriums habe Vorrang vor der Kunstfreiheit.
Das Video stammt vom Künstlerkollektiv Peng! und verbreitete 2018 die
Botschaft: „Deutschland nimmt bis Ende 2019 freiwillig alle Menschen auf,
die im Mittelmeer aus Seenot gerettet werden.“ Das Signet des
Bundesinnenministeriums (BMI) deutete an, dass es sich hier um ein
Versprechen der Bundesregierung handele. Nachdem der TV-Comedian Jan
Böhmermann die satirische Flunkerei verbreitete, wurde das Video schnell
populär.
Doch der [2][ehemalige Bundesinnenminister Horst Seehofer] (CSU) ging gegen
die Nutzung des BMI-Logos zivilrechtlich vor. Er berief sich dabei auf das
Namensrecht des Ministeriums. Prozessgegner war nicht das Peng!- Kollektiv,
sondern Google als Betreiber von Youtube.
Nachdem das Ministerium schon im Eilverfahren erfolgreich war, entschied
das Berliner Landgericht Anfang Februar auch im Hauptsacheverfahren
zugunsten des Ministeriums. Google muss 250.000 Euro Ordnungsgeld zahlen,
wenn es das Seebrücke-Video noch einmal mit BMI-Logo verbreitet. Nun liegt
auch das 19-seitige Urteil des Landgerichts vor.
## Nicht eindeutig als Satire erkennbar
Laut Gericht handele es sich bei der Nutzung des BMI-Logos um eine
„Namensanmaßung“, die nach Paragraf 12 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
verboten ist. Sie könne in der Öffentlichkeit zu einer
„Zuordnungsverwirrung“ führen. Schon in der Anfangssequenz werde das Logo
zentral vor weißem Hintergrund gezeigt. So werde der Eindruck erweckt, das
Video informiere über eine neue Haltung der Bundesregierung. Bis zum Ende
des Videos bleibe das Logo oben rechts eingeblendet.
Das Video sei dabei nicht eindeutig als Satire erkennbar, so das Gericht.
Zum einen dauere das Video nur 74 Sekunden, zum anderen sei es unüblich,
Youtube-Videos mehrfach anzusehen, um sie auf Details zu analysieren. Es
sei auch nicht damit zu rechnen, dass eine Mehrzahl der Nutzer:innen die
am Ende angegebene Domain www.seebruecke.org aufrufe und die dortigen
Erläuterungen lese.
Auf Youtube sei auch nicht mit einem informierten Kreis politisch
Gleichgesinnter zu rechnen, sondern mit einem breiten Publikum, betonte das
Landgericht. Für immer mehr Menschen, die sich von klassischen Medien
abwenden, seien derartige Youtube-Videos sogar eine wichtige
Informationsquelle, die oft gar nicht gesucht, sondern von Algorithmen
eingespielt werden.
Angesichts dessen habe die Bundesregierung das berechtigte Interesse, dass
„schnell, sicher und zweifelsfrei“ zu erkennen ist, ob eine offiziell
wirkende Äußerung tatsächlich von der Bundesregierung stammt. Hierbei habe
das Logo als Hoheitszeichen eine zentrale Bedeutung. „Die Bundesregierung
muss sich keine Äußerungen unterschieben lassen“, heißt es im Urteil. In
Zeiten zunehmender Radikalisierung, Irrationalität und
Staatsverdrossenheit, müsse für jeden „klar und leicht erkennbar sein,
welche Position die Bundesregierung vertritt“, zumal „von verschiedenen
Seiten immer häufiger versucht wird, durch Fake-News Meinungen zu
manipulieren.“
## Wiederholungsgefahr
Denkbar wäre ja auch, so die Richter:innen, dass das BMI-Hoheitszeichen in
einem Video mit gegenteiliger, ausländerfeindlicher Botschaft benutzt wird.
Auch hiergegen müsse sich die Bundesregierung wehren können.
Zwar sei das Video durch die Kunstfreiheit geschützt, doch das Namensrecht
des Ministeriums sei „der Kunstfreiheit nicht schutzlos ausgeliefert“,
erklärte das Gericht. Vielmehr stelle das „allgemeine Persönlichkeitsrecht�…
der Bundesregierung (zu dem das Namensrecht gehört) eine „Schranke“ der
Kunstfreiheit dar. Die künstlerische Freiheit bleibe aber weitgehend
erhalten. Auch ohne Logo könne Peng! ein Video im Stile eines
Informationsfilms der Bundesregierung gestalten und so seine satirische
Methode umsetzen.
Youtube ist nun verpflichtet, den erneuten Upload des Seebrücke-Videos zu
verhindern, jedenfalls solange dort das BMI-Logo benutzt wird. Für die
Videoplattform sei zumindest nach den beiden Eilentscheidungen klar
erkennbar gewesen, dass die Nutzung des Logos durch Peng! rechtswidrig war.
Angesichts der Uneinsichtigkeit von Google bestehe auch
Wiederholungsgefahr. Für die Verhinderung neuer Uploads könne Youtube zum
Beispiel technische Filter benutzen, so das Landgericht. Dass für eine
Endkontrolle auch menschliche Arbeitskraft erforderlich ist, mache die
Verpflichtung nicht unzumutbar. Vielmehr müsse Youtube solche Kosten in
seine geschäftliche Kalkulation einbeziehen. In den Nutzungsbedingungen
könne sich Youtube auch eine Kostenerstattung durch Nutzer:innen
vorbehalten, die das Video erneut hochladen.
Das Unternehmen Google kann gegen das Urteil des Landgerichts Berlin jetzt
noch Rechtsmittel einlegen. Das Peng!-Kollektiv kann dies nicht, da es an
dem Rechtsstreit nicht beteiligt ist.
1 Mar 2023
## LINKS
[1] /Bundesregierung-klagt-gegen-Youtube/!5893597
[2] /Seehofers-Polizeistudie/!5835207
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bundesinnenministerium
Youtube
Horst Seehofer
Peng Kollektiv
Zentrum für Politische Schönheit
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Rassismus
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