# taz.de -- Antiziganismus-Bericht für Deutschland: Sechzig Handlungsempfehlun… | |
> Ein 500-Seiten-Bericht klärt über Antiziganismus in Deutschland auf – und | |
> stellt Forderungen an die Politik. Was davon umgesetzt wird, bleibt | |
> unklar. | |
Bild: Horst Seehofer und der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Ro… | |
BERLIN taz | Am Dienstag stellten Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) | |
und der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, | |
einen [1][Bericht über Antiziganismus] vor. Was aus dem Bericht für | |
politische Konsequenzen gezogen werden können, bleibt angesichts der zu | |
Ende gehenden Legislatur jedoch offen. | |
Eine unabhängige elfköpfige Kommission hatte den 501-seitigen Bericht | |
innerhalb von zwei Jahren im Auftrag der Bundesregierung erarbeitet. Einen | |
„Meilenstein“ bei der systematischen Betrachtung und Analyse des | |
Antiziganismus nannte Seehofer den Bericht. | |
Er skizziert verschiedene Gestalten von gegen Sinti:ze und Rom:nja | |
gerichteten Rassismus. So sei die Minderheit in Deutschland häufig von | |
Verdächtigungen aufgrund ihres Aussehens betroffen. Auch | |
Rassismuserfahrungen im Alltag wie herabwürdigende Blicke oder Getuschel | |
seien ein Problem. Bis zu Anschlägen und körperlicher Gewalt gehe der | |
Antiziganismus in Deutschland jedoch. | |
Ein Verdienst des Berichts sei, dass er deutlich mache, welche Formen | |
Antiziganismus annehmen könne, meint Rose. Auch in den Medien sei dieser | |
ein Problem. Betteln und Kriminalität würden ethnisiert und einer homogenen | |
Gruppe „der Roma“ zugeschrieben. Die Presse dürfe solche Vorurteile nicht | |
weiter vermitteln und so verfestigen, fordert Rose. | |
## Seehofer: „Time over heißt es bei mir“ | |
Der Bericht zeige auch, dass [2][Antiziganismus als Normalität] gelte. „Ein | |
Bewusstsein und die Wahrnehmung der massiven Diskriminierungen von Sinti | |
und Roma in nahezu allen Lebensbereichen fehlen fast vollständig“, so Rose. | |
Obwohl Rose viel Lob für die Bundesregierung übrig hat, verweist er doch | |
auf Mängel: Die Bekämpfung des Antiziganismus könne auf keinerlei | |
Instrumente, Materialien oder Einrichtungen zurückgreifen. Sie müsse nahezu | |
bei null ansetzen. | |
60 Handlungsempfehlungen und sechs konkrete Forderungen formuliert der | |
Bericht denn auch. So zum Beispiel die Einsetzung eines Beauftragten der | |
Bundesregierung gegen Antiziganismus oder die Einrichtung einer Kommission | |
zur Aufarbeitung des Unrechts nach 1945. Seehofer kündigte an, man werde | |
diese Forderungen jetzt prüfen. Er persönlich habe für die „allermeisten“ | |
Forderungen Sympathien. | |
Im Bericht wird jedoch auch die Rücknahme der Einstufung von Serbien, | |
Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Montenegro und dem | |
Kosovo als sichere Herkunftsstaaten gefordert. Diese sei nicht haltbar, | |
wenn man die menschenrechtliche Situation insbesondere von Rom:nja in | |
diesen Staaten in den Blick nehme. So weit will Seehofer aber nicht gehen. | |
„Da diskriminieren wir niemanden“, meint der Innenminister. | |
Eine künftige Bundesregierung müsse die Erkenntnisse des Berichts aber in | |
ihre Arbeit miteinbeziehen. Er selbst könne leider nicht mehr viel tun. | |
„Time over heißt es bei mir“, sagt der Innenminister mit Blick auf das Ende | |
seiner Amtszeit. | |
13 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Julian Jestadt | |
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