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# taz.de -- Sinti und Roma Gedenkstätte: Die Diskriminierung nimmt kein Ende
> Auf dem Parkfriedhof Marzahn wurde der ermordeten Sinti und Roma gedacht.
> Vor 88 Jahren errichteten die Nationalsozialisten hier ein Zwangslager.
Bild: 60 Kinder starben im NS-Zwangslager in Marzahn
Berlin taz | Rhododendron und Rosenbeete schmücken den üppigen Park, Vögel
zwitschern, Frösche quaken, im Wind rascheln die Bäume. Was heute eine
grüne Oase mitten in Marzahn ist, war einst ein Ort des Terror und
Schreckens. Zwischen 1936 und 1945 befand sich auf dem heutigen
Parkfriedhof Marzahn ein Zwangslager der Nationalsozialisten für Sinti und
Roma.
Wie jedes Jahr im Juni erinnern der Landesverband Deutscher Sinti und Roma
Berlin-Brandenburg und die Gedenkstätte Zwangslager Berlin-Marzahn an
diesem Sonntagmittag an die Verschleppung der Berliner Sinti und Roma in
das Lager Marzahn vor 88 Jahren.
„Im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936 wurden sie auf die damaligen
Rieselfelder getrieben“, erzählt die Verbandsvorsitzende, Petra Rosenberg.
Rund 600 Roma waren an ihren Wohnorten verhaftet, an den Stadtrand
vertrieben und im Zwangslager zusammengepfercht worden. Zynisch und
irreführend bezeichneten die Nazis es als „Rastplatz“. Die Insassen lebten
auf engstem Raum, Zwangsarbeit, Krankheit und Hunger forderten viele Opfer.
Im Frühjahr 1943 begannen die Deportationen von Marzahn nach Auschwitz.
Etwa 500.000 Sinti und Roma fielen der NS-Vernichtungspolitik zum Opfer.
„Überlebende sind die Ausnahme“, sagt Rosenberg. Eine dieser Ausnahmen war
ihr Vater, Otto Rosenberg, der später Mitbegründer und Vorsitzender des
Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg wurde.
## Sinti und Roma werden auch heute noch diskriminiert
Doch die Gedenkveranstaltung richtet sich nicht nur an die Vergangenheit.
[1][Auch heutzutage sind Sinti und Roma weiterhin Ziel rassistischer
Angriffe]. Im Jahr 2022 dokumentierte die Melde- und Informationsstelle
Antiziganismus 621 antiziganistische Vorfälle. [2][Erst kürzlich war ein
Mahnmal für Sinti und Roma in Flensburg demoliert worden, Ende Mai wurden
in Koblenz Wahlplakate der Freien Wähler mit rassistischen Beleidigungen
beschmiert]: „Ab in die Gaskammer mit dem Zigeunerabschaum“, stand auf
einem.
„Wir sind fassungslos und fragen uns: Was muss noch passieren?“, sagt
Rosenberg. Die Veränderung des geistigen Klimas, die Verschiebung des
Sagbaren und Angriffe auf Denkmäler nähmen ein bedrohliches Ausmaß an. Von
der Bundesregierung erwarte sie Schutz und eine klare Stellungnahme.
Die Rolle der Bundesregierung war bei der Aufarbeitung der NS-Verbrechen an
Sinti und Roma in der Vergangenheit von Angehörigen als unzureichend
angeprangert worden. Eine finanzielle Entschädigung der Opfer wurde lange
Zeit nicht anerkannt, erst in den 1980er Jahren wurde auf dem ehemaligen
Lagergelände mit dem Gedenken begonnen.
## Forderung nach mehr politischer Unterstützung
Nun gebe es jedoch einen „politischen Willen auf Bundesebene, etwas zu
ändern“, betont die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen
und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik (SPD). Sie verweist auf den
[3][Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, den der Bundestag
im Dezember 2023 beschloss]. Er enthält Handlungsempfehlungen hinsichtlich
der Aufarbeitung der NS-Verbrechen sowie für den Kampf gegen
Antiziganismus. Rosenberg hingegen kritisiert: „Seit der Veröffentlichung
hat sich kaum etwas getan.“
Kultursenator Joe Chialo (CDU) geht darauf nicht ein, bekräftigt nur
nochmals die kollektive Verantwortung, sich die eigene Geschichte bewusst
zu machen, um die „Entschlossenheit im demokratischen Handeln zu stärken“.
Im Anschluss an die Reden begeben sich die Gedenkenden ausgestattet mit
Kränzen und Blumensträußen zur Gedenkstätte auf dem Parkfriedhof. Es werden
Kränze niedergelegt, ein Gebet gesprochen und die Namen der Kinder
vorgelesen, die in dem Zwangslager umgekommen sind. Die wenigsten lebten
länger als ein paar Monate.
9 Jun 2024
## LINKS
[1] /Antiziganismus/!6000386
[2] /Antiziganistische-Gewalt/!6014216
[3] /Antiziganismus-Bericht-fuer-Deutschland/!5781261
## AUTOREN
Lilly Schröder
## TAGS
Verband Deutscher Sinti und Roma
Denkmal der im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti
Sinti und Roma
Holocaustüberlebende
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Antiziganismus
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