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# taz.de -- Denkmal für Sinti und Roma zerstört: Die Entwürdigung hört nich…
> Es steht noch kein Jahr. Nun wurde ein Mahnmal für Sinti und Roma in
> Flensburg geschändet. Die Polizei vermutet einen politischen Hintergrund.
Bild: Für das Gedenken an die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma…
Rendsburg taz | Das Steinpflaster auf dem kleinen Platz ist aufgerissen.
Die Metallstele, die dort stand, liegt viele Meter entfernt hinter der
Turnhalle der Freien Waldorfschule Flensburg. In der Nacht zu Mittwoch
wurde die Stele gewaltsam aus dem Boden geholt und von ihrem Platz
entfernt. [1][Das Mahnmal erinnert an Sinti und Roma aus Flensburg], die
während der NS-Zeit deportiert und getötet wurden. Die Polizei ermittelt,
die Abteilung für Staatsschutz ist eingeschaltet. Es ist nicht der erste
Fall einer solchen Schändung in Schleswig-Holstein: Vor einigen Wochen
wurde in Neumünster Müll neben dem dortigen Mahnmal für ermordete Sinti und
Roma abgeladen.
„Kürzlich fand eine Solidar-Aktion in Neumünster statt, ich stand mit der
Jesidin Sahar Alias vor dem Mahnmal – und heute hören wir die schreckliche
Nachricht aus Flensburg“, [2][sagt Kelly Laubinger, Vorsitzende der
Sinti-Union Schleswig-Holstein]. „Als Nachfahrin von Holocaust-Überlebenden
bin ich unfassbar traurig und wütend. Ich frage mich, wann die
Entwürdigungen unserer Menschen endlich aufhört.“
Die Stele in Flensburg wurde im September 2023 errichtet. Auf dem heutigen
Gelände der Waldorfschule standen in den 1930er-Jahren Baracken. Dorthin
mussten die in der Stadt ansässigen Sinti ziehen. Die Menschen hausten dort
„unter erbärmlichen, menschenunwürdigen Bedingungen“, so die
Waldorflehrerin Constanze Hafner. Sie gehört zum Projektteam, das sich für
den Bau der Stele und des runden Platzes als Gedenkort einsetzte.
Die Sinti-Familien verbrachten mehrere Jahre auf dem Gelände am Rand der
Stadt. 1940 wurden sie mit einem großen Transport aus Schleswig-Holstein
ins Zwangsarbeitslager Belzec im deutschen „Generalgouvernement“
deportiert, viele starben. Auf der Stele sind 44 Namen eingraviert.
Darunter ist Platz gelassen, falls im Lauf der Forschungen weitere Personen
bekannt werden. Dazu befasst sich der Antiziganismus-Forscher Sebastian
Lotto-Kusche, Historiker der Universität Flensburg, mit regionalen Aspekten
der Verfolgung von Sinti und Roma.
Doch an diesen Forschungen gibt es Kritik, berichtet Achim Langer. Der
Kunsterzieher und Künstler gestaltete den Gedenkort und ist Mitglied der
Projektgruppe. „Als wir die Pläne zum Mahnmal öffentlich machten, erhielten
wir eine Mail: Die Forschungsergebnisse seien falsch, die Geschichte vom
Umgang mit den städtischen Sinti und Roma stimme nicht.“ Doch trotz solcher
– unwahrerer – Äußerungen habe er nie mit einem Gewaltakt gegen das Mahnm…
gerechnet, sagt Langer: „Vielleicht ein Graffiti, aber nicht so eine Tat.“
Schüler:innen hatten am Mittwochmorgen gesehen, dass die Stele aus ihrer
Verankerung gerissen worden war. Dem Augenschein nach sei mehr als eine
Person beteiligt gewesen, um die schwere Stele vom Platz zu rücken. „Eine
politische Tat“, davon ist Langer überzeugt: „Metalldiebe hätten sie auf
einen Lastwagen gehoben, nicht hinter der Halle abgelegt.“
Auch die Polizei sieht einen „politisch motivierten Tathintergrund“, das
Fachkommissariat für Staatsschutz hat daher die Ermittlungen aufgenommen
und sucht nach Zeug:innen. Kelly Laubinger von der Sinti-Union ist froh
darüber: „Gut, dass es ernst genommen wird.“
Auch Flensburgs Oberbürgermeister Fabian Geyer setzt darauf, dass die
Polizei rasch Ergebnisse findet: „So mit dem [3][Gedenken an die Opfer des
Nationalsozialismus] umzugehen, ist verwerflich. Mich schmerzt besonders,
dass hier eine großartige Initiative aus dem Kreis von Schülerinnen und
Schülern so rücksichtslos mit Füßen getreten wird“, sagt der parteilose
Verwaltungschef.
Seine Vorgängerin Simone Lange (SPD) ist Schirmherrin des Mahnmal-Projekts.
Auch sie sei geschockt und sprachlos gewesen, als sie von der Tat erfuhr,
sagt sie der taz. „Aber es ist wichtig, dass wir schnell die Sprache
wiederfinden und uns nicht beirren lassen.“ Besonders wichtig sei die
Zivilcourage: „Wenn jemand in der Kneipe [4][ausländerfeindliche Lieder
gröhlt] oder dumme Sprüche macht, sollte jede und jeder von uns sich
dagegen verwahren.“ Gerade in dieser Zeit, in der nur noch wenige
Überlebende des NS-Terrors berichten können, „müssen wir die
Erinnerungsarbeit leisten, jetzt noch mehr als vorher“.
29 May 2024
## LINKS
[1] /Initiatorin-ueber-Deportierten-Denkmal/!5959456
[2] /Antiziganismus-im-Alltag/!6000310
[3] https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/523633/europaeischer-holo…
[4] /Nach-dem-Skandal-Video-von-Sylt/!6010381
## AUTOREN
Esther Geißlinger
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