# taz.de -- Bundes Roma Kongress in Berlin: Kampf um Anerkennung | |
> Es geht um den Kampf gegen Antiziganismus und um Selbstkritik bezüglich | |
> patriarchalischer Strukturen. Das wurde beim Bundes Roma Kongress | |
> deutlich betont. | |
Bild: Die Flagge der Roma: Himmel, Erde und ein rotes Chakra als Verweis auf di… | |
BERLIN taz | Der dreitägige Bundes Roma Kongress, der am Pfingstwochenende | |
im Grünen Salon der Berliner Volksbühne stattfand, wurde bewusst möglichst | |
nah an den „Roma Resistance Day„ gelegt. Ein Tag des Gedenkens an den | |
Aufstand von Sinti und Roma 1944 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. | |
Um die 6.000 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, versuchten damals, | |
sich der SS entgegenzustellen. | |
Sandra Goerend vom Roma Center in Göttingen sprach von einem Tag, der für | |
„Empowerment“ stehen würde. Und natürlich erinnert er auch ganz | |
grundsätzlich an die Vernichtung von Sinti und Roma im Dritten Reich. Also | |
an ein Verbrechen und einen Aspekt des Holocaust, dessen aus Sicht der | |
Roma-Verbände, die es in Deutschland gibt, immer noch nicht ausreichend | |
gedacht werde, wie auf dem Kongress mehrfach betont wurde. | |
Als ein Beispiel für den verbesserungswürdigen Umgang mit den Sinti und | |
Roma als Opfergruppe im Dritten Reich wurde auf einem Panel das Sinti- und | |
Roma-Mahnmal in Berlin genannt. Dieses gibt es seit 14 Jahren, es liegt | |
etwas versteckt im Tiergarten. Vor vier Jahren wurde bekannt, dass es Pläne | |
gibt, genau unter dem Mahnmal einen Tunnel für eine S-Bahn-Trasse zu bauen. | |
Anfangs hieß es, für die Bauarbeiten müsste das Mahnmal temporär abgebaut | |
werden. Betroffenenverbände der Sinti und Roma protestierten, und nun soll | |
es eine Baustelle unmittelbar neben dem Mahnmal geben, das an seinem | |
angestammten Ort bleiben darf. Doch ein paar der Bäume, die zwingend Teil | |
der Gedenkstätte seien, wie der inzwischen verstorbene Bildhauer und | |
Gestalter des Mahnmals, Dani Karavan, meinte, müssen für den Bau der Trasse | |
gefällt werden. Später soll es Nachpflanzungen geben. | |
Sandra Goerend machte klar, dass sie sich hier mehr Sensibilität gewünscht | |
hätte, und sagte, [1][die Pläne rund um das Mahnmal seien für sie | |
symbolisch für das fehlende Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Sinti und | |
Roma]. | |
## Aus der Zeitung erfahren | |
Susanna Kahlefeld von den Berliner Grünen sah das ähnlich. Sie sagte, als | |
die Idee mit der geplanten S-Bahn-Trasse von der Politik diskutiert wurde, | |
seien Selbstorganisationen der Sinti und Roma nicht einmal einbezogen oder | |
auch nur informiert worden. Diese hätten von den Plänen erst aus der | |
Zeitung erfahren. Es hätte außerdem andere Möglichkeiten für den genauen | |
Verlauf der Trasse gegeben, aberdiese weiter zu verfolgen, dafür fehlte | |
wohl am Ende der politische Wille. Jana Mechelhoff-Terezi von der Stiftung | |
Denkmal in Berlin sagte, es gebe nunmehr nur noch eine denkbare Option, das | |
Mahnmal vielleicht doch unangetastet zu lassen, und zwar eine | |
Urheberrechtsklage vor Gericht. Die Tochter von Dani Karavan könne sich | |
diesen Weg gut vorstellen, ob er erfolgsversprechend sei, das werde derzeit | |
noch geprüft. | |
Nicht gehört und von der Politik übergangen zu werden, dieser Eindruck | |
scheint sich bei den Sinti- und Roma-Verbänden in Deutschland verfestigt zu | |
haben. Das wurde auf dem Kongress nicht nur beim Thema Mahnmal deutlich. | |
Die Sorgen und Nöte innerhalb der Communitys sind groß, davon zeugten die | |
Diskussionsrunden. Antiziganismus sei verbreitet wie eh und je, erfuhr man | |
wenig überraschend. Dazu kommt nun auch noch die Stärke der AfD und das | |
Bekanntwerden deren Pläne einer sogenannten „Remigration“. Einige der | |
Sprecher und Sprecherinnen diverser Roma-Verbände, die auf den Panels zu | |
Wort kamen, machten deutlich, dass sie sehr genau wissen, wen die AfD mit | |
als Erstes aus dem Land werfen würde, wenn sie denn könnte: natürlich die | |
auch in breiten Schichten der deutschen Mehrheitsgesellschaft so | |
unbeliebten Sinti und Roma. | |
Kern des Kongresses war der Umgang der Politik mit dem Abschlussbericht der | |
Unabhängigen Kommission Antiziganismus, dem UKA-Bericht, der vor drei | |
Jahren vorgelegt wurde und der erstmalig in der BRD wissenschaftlich den | |
mentalen und strukturellen Antiziganismus untersuchte. Seitdem hat sich an | |
der Lage der Sinti und Roma in Deutschland, so könnte man die Diskussionen | |
auf dem Bundes Roma Kongress hier zusammenfassen, kaum verbessert. Roma, | |
von denen viele in mehreren Einwanderungswellen nach Deutschland kamen, | |
etwa nach dem Zerfall Jugoslawiens und aktuell seit dem Krieg in der | |
Ukraine, hätten kaum eine Lobby in Deutschland. | |
## Historische Schuld | |
Trotz der historischen Schuld Deutschlands müssten sie sich weitgehend mit | |
dem Status der Duldung zufrieden geben, und das auch über viele Jahre | |
hinweg. Sie dürften nicht wählen, andauernd drohe die Abschiebung. Und mit | |
den Plänen der Ampelregierung, Migranten und Migrantinnen schneller die | |
Einbürgerung zu ermöglichen, würde es kaum Verbesserung geben. Wichtige | |
Voraussetzung dafür, deutscher Staatsbürger zu werden, sei der Beleg, | |
aktuell nicht auf das Bürgergeld angewiesen zu sein und einen Job zu haben. | |
Doch viele Roma, so Kenan Emini vom Göttinger Roma Center, hätten in diesem | |
Kreislauf aus Duldungsstatus und fehlender Fortbildung, wenn überhaupt nur | |
schlecht bezahlte Mc-Jobs. Vielen sei das gar nicht richtig klar, sagte er, | |
aber Frauen seien deswegen am stärksten von der Abschiebung betroffen, und | |
das auch nach Verabschiedung des geplanten Einwanderungsgesetzes. | |
Die Roma in Deutschland wollen gehört und selbstverständlicher Teil des | |
Land werden. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg zu gehen, wenn man etwa | |
hört, was sich jemand wie Jeany Poschauko-Seitz vom Landesverband Deutscher | |
Sinti und Roma in Bayern anhören muss. Bei einem Disput in einem | |
Landratsamt wurde ihr gesagt, so berichtete sie auf einem der Panels: „Ihre | |
Kultur und unsere passen halt nicht zusammen.“ | |
Es gab aber auch Selbstkritik auf diesem Kongress. Patriarchalische | |
Strukturen etwa seien in den Roma-Communitys immer noch weit verbreitet, | |
wurde beklagt. Zur Stärkung der eigenen Sichtbarkeiten müssten die | |
einzelnen Verbände in Zukunft besser zusammenarbeiten. Mit dem Berliner | |
Roma Kongress, so hieß es von der Bühne des Grünen Salons, verfolge man | |
auch diesen Gedanken. | |
21 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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