# taz.de -- Sinti und Roma in Deutschland: Mit keinem Wort erwähnt | |
> Deutschland habe eine historische Verantwortung gegenüber Sinti und Roma, | |
> sagt Kelly Laubinger. Sie kritisiert Leerstellen bei den | |
> Koalitionsverhandlungen. | |
Bild: Gefährdet: das europäische Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma i… | |
Berlin taz | „Je länger ich in den Papieren aus den Koalitionsverhandlungen | |
gelesen habe, desto fassungsloser wurde ich“, sagt [1][Kelly Laubinger. Der | |
Geschäftsführerin der Sinti Union Schleswig-Holstein] geht es nicht so sehr | |
darum, was auf den 169 Seiten der Arbeitsgruppen aus CDU, CSU und SPD steht | |
– sondern um das, was dort nicht steht. „Sinti und Roma werden nicht ein | |
einziges Mal erwähnt“, kritisiert Laubinger. | |
Konkret geht es ihr um eine Passage im Papier der Arbeitsgruppe 1 zur | |
Innenpolitik. Dort heißt es: „Deutschland trägt eine besondere | |
Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen | |
Lebens.“ Ein Umstand, den Union und SPD völlig zurecht betonen, sagt | |
Laubinger. „Wenigstens an dieser Stelle hätte auch die historische | |
Verantwortung Deutschlands gegenüber Sinti und Roma erwähnt werden müssen.“ | |
[2][Bis zu einer halben Million Sinti und Roma ermordeten die | |
Nationalsozialisten bis 1945]. Sie wurden systematisch entrechtet, | |
deportiert und ermordet. Doch erst 1982 erkannte Deutschland diesen | |
Völkermord an. Mit dem Ende der NS-Herrschaft habe die Diskriminierung und | |
Kriminalisierung aber nicht geendet, sagt Laubinger. Vielmehr dauere sie | |
bis heute an. | |
Das zeige sich am Umgang der Polizei mit Angehörigen der Minderheit ebenso | |
wie in der medialen Darstellung, an [3][struktureller Diskriminierung im | |
Bildungswesen] oder daran, dass zugewanderte und geflüchtete Roma | |
abgeschoben würden – „obwohl unter ihnen Nachfahren von Überlebenden sind… | |
sagt Laubinger. „Dass wir nun nicht mal erwähnt werden, reiht sich ein in | |
die lange deutsche Tradition, die Geschichte von Sinti und Roma unsichtbar | |
zu machen.“ | |
## Mahnmal droht Beschädigung | |
Dazu passe, dass im Papier zu Kultur und Medien die große Bedeutung der | |
Gedenkstättenlandschaft in Deutschland genannt werde. „Währenddessen droht | |
dem erst 2012 eingeweihten [4][europäischen Mahnmal für die ermordeten | |
Sinti und Roma in Berlin massive Beschädigung], weil die Bahn eine | |
S-Bahn-Trasse darunter bauen will.“ | |
Zusammen mit dem jüdischen Publizisten Max Czollek hat Laubinger ihre | |
Kritik [5][auch in den sozialen Medien verbreitet]. „Gerade in Bezug auf | |
den Völkermord und den historisch tradierten spezifischen Rassismus“ | |
sollten Sinti und Roma „gleichberechtigt“ neben Jüdinnen und Juden und | |
Antisemitismus benannt werden, heißt es in dem Post. | |
Den Unmut könne er gut nachvollziehen, sagt Mehmet Daimagüler. Er ist der | |
erste Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus. Noch zum | |
Gedenktag am 2. August habe CDU-Chef Friedrich Merz betont, „in der Tat“ | |
sei vielen Menschen in Deutschland „das Ausmaß der Verbrechen“ gegen die | |
Minderheit sowie die fortdauernde Diskriminierung und Ausgrenzung noch | |
„viel zu wenig bekannt“, erinnert Daimagüler. | |
Auch ihm sei die Leerstelle in den Papieren aufgefallen, sagt Daimagüler. | |
Er habe die Verhandler eigens angeschrieben. „Aus der Union hieß es, man | |
werde meine Hinweise berücksichtigen.“ | |
Darauf setze er. „Die demokratischen Parteien im Bundestag [6][haben vor | |
etwa anderthalb Jahren umfassende Forderungen im Kampf gegen Antiziganismus | |
beschlossen]. Auch mit den Stimmen von Union und SPD“, sagt Daimagüler. | |
„Ich gehe davon aus, dass diese Beschlüsse auch in einer neuen Regierung | |
Gültigkeit haben.“ | |
7 Apr 2025 | |
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[5] https://www.instagram.com/p/DH-_gORKpE_/?img_index=1 | |
[6] /Kampf-gegen-Antiziganismus/!6002660 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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