# taz.de -- Roma-Denkmal im Berliner Tiergarten: Gedenkstätte in Gefahr | |
> Gegen den Bau einer S-Bahn unter dem Mahnmal für die von den Nazis | |
> ermordeten Sinti und Roma erhebt sich Protest. Er sollte auf offene Ohren | |
> treffen. | |
Bild: Das vom S-Bahn-Bau bedrohte Denkmal für die im Nationalsozialismus ermor… | |
Die Deutschen sind stolz auf ihre Erinnerungskultur. Viele sind überzeugt, | |
dass wir unsere Vergangenheit angemessen aufgearbeitet hätten. Dafür | |
sprechen in der Tat die vielen Denkmäler, Gedenkstätten und Feiertage, | |
deren Zahl in den vergangenen Jahrzehnten erkennbar zugenommen hat. | |
Erinnern steht hoch im Kurs, und das ist gut so. Aber [1][Sonntagsreden und | |
Gedenktage] sind das eine. Der alltägliche Umgang mit einer diskriminierten | |
Minderheit ist das andere. | |
Da zeigt sich oft eine Kluft zwischen schönen Worten und echter | |
Sensibilität. Der aktuelle Streit über das [2][Denkmal für die im | |
Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma] Europas ist da | |
symptomatisch. Der Porajmos, der Völkermord an den Sinti und Roma Europas, | |
stand lange im Schatten der Schoah, dem deutschen Völkermord an rund sechs | |
Millionen Jüdinnen und Juden in Europa. | |
Erst der unermüdliche Einsatz von Betroffenenverbänden und Roma-Aktivisten | |
sorgte dafür, ihn in den vergangenen Jahrzehnten stärker ins | |
gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken und den Blick auf Vorurteile und | |
Ausgrenzungen von Sinti und Roma zu schärfen, die bis heute fortwirken. | |
Einige dieser Betroffenenverbände fürchten nun, dass ihr hart erkämpftes | |
Mahnmal unter die Baggerräder kommt, wenn in Berlin eine neue, | |
unterirdische Bahnverbindung gebaut wird, die unter dem Regierungsviertel | |
und direkt unter dem Mahnmal verlaufen soll. | |
Sie fürchten nicht nur, dass die Bauarbeiten den Zugang zu dem Mahnmal über | |
Jahre hinweg versperren könnten. Sondern auch, dass es danach nicht mehr | |
das Gleiche sein könnte. Werden die Bäume, die Teil des Gedenkorts sind, | |
wieder nachwachsen? Werden die S-Bahn-Züge, die darunter fahren sollen, die | |
Stille des Ortes stören und das Mahnmal erschüttern? Das kann keiner sagen. | |
Aber eine Bahntrasse hat ohnehin einen besonderen Hautgout. | |
Denn mit der Reichsbahn, deren Rechtsnachfolger die Deutsche Bahn ist, | |
wurden einst sowohl Juden als auch Roma in Vernichtungslager deportiert. | |
Unter dem nahe gelegenen [3][Holocaust-Mahnmal] hätte man wohl kaum einen | |
solchen Tunnel gegraben – zu groß die Furcht, die Würde des Ortes dadurch | |
zu verletzen und alte Wunden wieder aufzureißen. Dagegen wirkt der Umgang | |
mit dem Roma-Mahnmal hemdsärmelig und wurschtig: Die Trasse wird geplant, | |
ohne dass die Folgen für das Mahnmal absehbar sind. | |
Die Betroffenen fühlen sich überfahren und fordern zumindest Gutachten, die | |
das Risiko bemessen, bevor es zu spät ist. Darauf Rücksicht zu nehmen, ist | |
das Mindeste, was der Berliner Senat und die Deutsche Bahn tun könnten. Wir | |
sind es ihnen schuldig. | |
2 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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