# taz.de -- Stereotype über Roma und Sinti: Jetzt sind wir dran | |
> Roma und Sinti finden noch immer zu wenig statt in den Medien. Mehr | |
> Repräsentation ist dringend notwendig. Auch über Gedenktage hinaus. | |
Bild: Zumreta Sejdović und Zingovala „Maja“ Adzovic vom Hamburger Verein R… | |
Dass ich Rom bin, habe ich lange verheimlicht. Es ist nicht so, dass ich | |
mich für meine Identität geschämt habe, aber ich hatte [1][Angst vor | |
Diskriminierung]. Angst davor, in der Schule und später im Berufsleben | |
Nachteile zu erfahren. Und das ist nicht unbegründet, wie ich feststellen | |
musste. | |
Nach meinem Fachabitur vor gut elf Jahren musste ich ein sechswöchiges | |
Praktikum absolvieren. Schon immer war es mein Traum, beim Radio zu | |
arbeiten, doch obwohl ich nicht als Rom geoutet war, hatte ich als jemand, | |
der ursprünglich aus dem Kosovo stammt, Schwierigkeiten, einen Platz zu | |
bekommen. Mit etwas Glück fand ich schließlich ein Praktikum bei einer | |
Produktionsfirma, die für die öffentlich-rechtlichen Sender Beiträge | |
produziert. An meinem ersten Tag sollte in einer Flüchtlingsunterkunft in | |
Trier ein Beitrag über Roma aus Kosovo und Nordmazedonien gedreht werden – | |
denn Roma aus dem Balkan [2][sollten abgeschoben werden], da die Länder als | |
sichere Herkunftsländer galten. Auf dem Weg zur Unterkunft, einer kurzen | |
Autofahrt von Mainz nach Trier, fand ich heraus, dass wir zwar einen | |
Beitrag über Roma machen sollten, es aber keinen Dolmetscher gab. Etwas | |
naiv outete ich mich: „Ich bin Rom und kann den Journalisten und der | |
Kamera-Crew beim Übersetzen helfen.“ | |
Ich konnte helfen, nicht nur beim Übersetzen, sondern auch dabei, einen | |
Zugang zu den Menschen in der Unterkunft zu finden. Denn unter ihnen war | |
das Misstrauen gegen die Medien groß. Mein erster Praktikumstag war ein | |
Erfolg, so dachte ich zumindest damals. Schnell bereute ich es aber, mich | |
als Rom geoutet zu haben. Denn von da an hatte ich leider das Gefühl, in | |
der Produktionsfirma nicht willkommen zu sein und dass die Kollegen mich | |
loswerden wollten. | |
Meine Erlebnisse sind kein Einzelfall: Viele Sinti und Roma outen sich | |
nicht und verheimlichen ihre Identität. Tun sie es doch, erleben sie | |
Diskriminierung im Alltag und im Berufsleben – [3][auch im Journalismus]. | |
Dabei ist es gerade in den Medien wichtig, dass mehr Sinti und Roma dort | |
arbeiten. | |
## Fortbildungen für Medienschaffende | |
Oft ist die Berichterstattung antiziganistisch. Das heißt: In vielen | |
Beiträgen und Texten wird (ob bewusst oder unbewusst) rassistische Sprache | |
reproduziert. Das Wissen darüber, was Antiziganismus ist und welche | |
Begriffe schwierig sind, wächst zwar in der Medienbranche, doch die | |
Fortschritte kommen zu langsam. Daher fände ich es wichtig, dass es in | |
Zukunft mehr verpflichtende Fortbildung für Journalisten und | |
Medienschaffende gibt. | |
Auch damit die Anliegen von Sinti und Roma nicht nur an Gedenk- und | |
Feiertagen beachtet werden. Am 8. April oder dem 2. August, dem offiziellen | |
Gedenktag für den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma, | |
gibt es dann vereinzelt Interviews und Beiträge von Vereinen oder | |
Aktivisten. Das ist zwar wichtig, aber es reicht nicht aus. Sinti und Roma, | |
die keine Aktivisten sind, kommen in der deutschsprachigen Medienbranche | |
quasi nicht vor. | |
Damit mehr Menschen aus der Community der Sinti und Roma in der | |
Medienbranche arbeiten, braucht es gezielte Förderung. Das kann ich auch | |
aus eigener Erfahrung sagen. Nach meiner negativen Erfahrung mit meinem | |
ersten Praktikum hat mich die Motivation, in den Journalismus zu gehen, | |
erst einmal verlassen. Erst als ich 2020 gemeinsam mit Nino Novakovic den | |
„RymePodcast“ ins Leben gerufen habe, konnte ich mein Können unter Beweis | |
stellen. Es sollte nicht an der Initiative von Einzelnen hängen, sondern | |
eigene Sendungen im Radio oder Fernsehen geben von und für die Community. | |
Andere marginalisierte Communitys haben in den letzten Jahren die Chance | |
erhalten, haben eigene Fernsehshows, Podcasts oder Kolumnen bekommen. Eine | |
gute Entwicklung – doch nun sind auch wir an der Reihe. Wie es gehen kann, | |
zeigen europäische Länder wie Schweden oder Österreich mit der | |
ORF-Redaktion „Volksgruppen.orf“ und der schwedischen Radiosendung „Radio | |
Romano“ vom Sender Sveriges Radio. Zeit, dass der öffentlich-rechtliche | |
Rundfunk in Deutschland gemeinsam mit der Sinti-und-Roma-Community eigene | |
Programme entwickelt. Damit wir künftig mehr als zweimal im Jahr vorkommen. | |
8 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Diskriminierung-von-Sinti-und-Roma/!5929965 | |
[2] /Umgang-mit-Roma-aus-Moldau/!5933465 | |
[3] /Diskriminierung-in-Medien/!5659213 | |
## AUTOREN | |
Sejnur Memisi | |
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