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# taz.de -- Diskriminierung in Medien: Fremdgemacht und romantisiert
> Immer wieder berichten deutsche Medien diskriminierend über Sinti:ze und
> Rom:nja, machen sie fremd. Es braucht Gegenerzählungen und
> Sensibilisierung.
Bild: Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, im De…
Es gibt also ein Problem. Es nennt sich Diskriminierung durch Journalismus.
An diesem Donnerstagabend im Studio des Berliner Senders ALEX TV geht es um
eine besondere Ausprägung: um die diskriminierende Berichterstattung über
Sinti:ze und Rom:nja, um Sprache und Bilder, die sie fremdmachen und
kriminalisieren. Doch wie tiefgreifend das Problem ist, darüber ist man
sich auf der Bühne uneinig.
Es sei strukturell verankert, betonen die [1][Journalistin Ferda Ataman]
von der [2][Organisation Neue Deutsche Medienmacher:innen,]der
Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch und die Politikwissenschaftlerin
Andrea Wierich. Es gehe um einzelne Journalist:innen und Medien, wie etwa
Spiegel TV und Sat.1, meint dagegen Romani Rose, [3][Vorsitzender des
Zentralrats Deutscher Sinti und Roma]. So strahlte Sat.1 im August 2019
etwa eine Dokumentation von Spiegel TV aus, sie hieß „Roma: Ein Volk
zwischen Armut und Angeberei“. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
befand die Doku diskriminierend, auch ein Gutachten des Politologen Hajo
Funke bestätigte das.
Die Konfliktlinien verlaufen am Donnerstagabend in Berlin vor allem entlang
der Frage, die in Diskussionen um Antiziganismus und andere Formen der
Diskriminierung immer wieder verhandelt werden muss: Handelt es sich um die
Vorurteile einzelner Individuen? Oder sind es Denkkonstrukte, die
historisch gewachsen sind und sich übergreifend in das kollektive
Bewusstsein gefressen haben? Wer gehört zu unserer Gesellschaft? Und wer
muss seine Zugehörigkeit unter Beweis stellen?
Der Abend zeigt, dass es unmöglich ist, über Repräsentation im Journalismus
zu sprechen, ohne zuvor politische Zuschreibungen zu klären. Deutlich wird
dies, als der Journalist und [4][Moderator Mohamed Amjahid] von seinen
Gästen wissen will, wie sie zu der Herkunftsnennung von Verdächtigen und
Straftäter:innen stehen. Nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln
2015/16 hatte der Presserat seine Empfehlungen gelockert: Wenn ein
allgemeines Interesse bestünde, könne die [5][Herkunft der Täter:innen
benannt] werden. Doch was bedeutet überhaupt Herkunft?
## Gleichwertig behandeln
Sinti:ze würden seit über 600 Jahren in deutschen Städten leben, sagt Rose.
Dennoch würden Journalist:innen sie auf ihre vermeintliche Abstammung
reduzieren, anstatt sie als gleichwertige Deutsche zu behandeln. Wenn es
jedoch um den Schutz des Rechtsstaats gehe, befürworte er, dass die
Nationalität von Menschen ohne deutschen Pass benannt werde – oder der
Aufenthaltsstatus von Geflüchteten. Ataman hält dagegen: Dies solle nur
genannt werden, „wenn es für den Tathergang wichtig ist.“ Andernfalls
würden Journalist:innen nur gehaltlose Stereotype verbreiten.
Die Veranstaltung zeigt auch, wie schwierig es ist, bestehende Narrative
hinter sich zu lassen, sich nicht an ihnen abzuarbeiten, eigene Erzählungen
zu erschaffen. „Wir dürfen nicht weiter über Kriminalität reden“, sagt z…
Ataman zu Recht nach der ersten Hälfte, doch die Diskussion wird sich die
meiste Zeit um das Bild der stehlenden, betrügenden Sinti:ze und Rom:nja
drehen. Es ist ebenjenes Kriminalitätsframing, das den Zuschauer:innen von
diesem Abend vermutlich in Erinnerung bleiben wird. Für Gegenerzählungen
und neue Assoziationen bleibt keine Zeit.
Wie lässt sich dieses Journalismusproblem also lösen? Zumindest werden
Ansätze besprochen: etwa Sensibilisierungsworkshops in Redaktionen, die
Wierich gemeinsam mit der Jugendorganisation Amaro Foro ab März anbieten
wird. Ataman fordert diversere Redaktionen. Diese könnten auch Softwares
installieren, die automatisch rassistische Begriffe markieren und erklären,
schlägt Stefanowitsch vor. Dann könne niemand mehr behaupten: Die Zeit war
zu knapp, ich wusste es nicht besser.
Man brauche mehr positive Repräsentationen von Sinti:ze und Rom:nja in den
Medien, fordert ein Zuschauer aus dem Publikum. Rund 50 Personen schauen im
Studio live zu. Doch hilft das allein gegen eine Homogenisierung von
Minderheiten, dagegen, dass sie – wenn auch gut gemeint – wieder fremd
gemacht, vielleicht romantisiert werden? „Wir wollen eine normale
Berichterstattung“, sagt Wierich, eine, die Individualität zulasse.
Zumindest darin sind sich alle auf der Bühne einig: Dahin ist es noch ein
langer Weg.
24 Jan 2020
## LINKS
[1] /Publizistin-ueber-Staatsbuergerschaftsrecht/!5602467
[2] https://www.neuemedienmacher.de/
[3] /Sinti-und-Roma-Nennung-bei-der-Polizei/!5653940
[4] /Mohamed-Amjahid-ueber-weisse-Privilegien/!5383658
[5] /Herkunftsnennung-bei-Straftaten/!5645189
## AUTOREN
Şeyda Kurt
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