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# taz.de -- Von TikTok in die Fußgängerzone: Es bubblet wieder in Deutschland
> Vor zehn Jahren mussten zahlreiche Bubble-Tea-Läden nach einer
> Medienkampagne schließen. Dank Social Media feiert das süße Getränk nun
> sein Comeback.
Bild: Die mit Sirup gefüllten Tapiokaperlen werden aus der Stärke der Maniokp…
Das Trendgetränk der Stunde besteht aus kaltem Tee mit Sirup und bunten
Perlen. Dafür bilden sich derzeit nicht nur in Berlin meterlange Schlangen.
[1][Der Hype um Bubble Tea] ist nämlich mittlerweile auch in den
Kleinstädten angekommen und belebt die von der Pandemie hart getroffenen
Fußgängerzonen. Dabei ist der Bubble Tea kein neues Phänomen. In Taiwan
trinkt man bereits seit den 1940er-Jahren kalten Milchtee. Die Perlen, auch
Bobas genannt, kamen in den 80er-Jahren dazu.
Der erste Bubble-Tea-Laden im deutschen Raum öffnete in Berlin im Jahr
2010. Bald kamen viele weitere in ganz Deutschland dazu. Jedoch war es
schnell vorbei [2][mit dem süßen Getränk]. „Jede Menge Dreck“ attestierte
der Forscher Manfred Möller dem Bubble Tea [3][in der Rheinischen Post im
August 2012]. In seiner unveröffentlichten Studie der RWTH Aachen wurden
zunächst krebserregende Stoffe in den Perlen gefunden, später wurde der
Befund von weiteren Studien widerlegt.
Der Abwärtstrend des Bubble Teas konnte davon nicht mehr aufgehalten
werden. Nahezu alle Läden mussten schließen, zahlreiche Existenzen von
vorwiegend asiatischen Ladenbetreiber*innen wurden zerstört. Der
Wissenschaftler Manfred Möller bezeichnete die Medienkampagne bereits ein
Jahr später als „verleumderisch“. Er habe in seiner Studie keine
Gesundheitsaussage über das Getränk treffen wollen, es sei lediglich um den
Test eines neuen Messgerätes gegangen. Doch die mediale Berichterstattung
über die Bubble-Tea–Läden hat weiterhin einen rassistischen Beigeschmack,
ähnlich wie die über die Verwendung von Glutamat in asiatischen
Restaurants.
Nam Nguyen hat die tragische Entwicklung aus erster Hand mitbekommen. „Es
gab einige traurige Stories, viele Leute haben dort ihr Erspartes für
geopfert, um sich selbstständig zu machen. Dass eine falsche Pressemeldung
die eigene Existenz in Gefahr bringt, war bitter. Ich habe Freunde und
Bekannte, denen das passiert ist“, erinnert sich der 29-Jährige.
## Hunderte pinke Winkekatzen
Dennoch entschied er sich mit seiner Schwester und seiner ehemaligen
Partnerin, selbst ein Bubble-Tea-Geschäft zu eröffnen, das „Pao Pao Modern
Tea“. In Berlin-Mitte nahe der Torstraße sind sie 2019 damit nicht allein.
Ende des Jahres ploppten immer mehr Teeläden auf, die vor allem von der
jungen asiatischen Community gut besucht wurden. Fast drei Jahre später
gibt es im Umkreis von 500 Metern sogar sieben Läden, berichtet Nguyen. Das
sind taiwanesische Ketten wie The Alley und Comebuy, aber auch die Berliner
Kette Boboq, die bereits in der ersten Welle ein Bubble-Tee-Imperium
innehatte.
Mit seinem ausgefallenen Interieur und kreativen Teekreationen sticht „Pao
Pao“ unter der starken Konkurrenz hervor. Der Laden vereint Bubble Tea mit
raffinierten popkulturellen Referenzen. Die Wände sind in auffälligem Pink
gestrichen, davor sind hunderte ebenso pinke Winkekatzen angebracht. In der
Auslage befinden sich die heißbegehrten Toppings. Am auffälligsten sind
bunte Kügelchen – die sogenannten Tapioka-Perlen. Die Perlen bestehen aus
Maniokstärke, eine Mischung aus Wasser und Sirup. Aus dem Teig werden
Kugeln geformt, die anschließend in heißem Wasser gekocht werden.
Anschließend werden sie in Zucker und Fruchtsirup eingelegt. Neben
Tapioka-Perlen gibt es auch die deutlich süßeren „Popping Bobas“. Diese
bestehen aus Algenstärke und Fruchtsäure, beim Kauen zerplatzen sie im
Mund.
Es gibt aber auch gesündere Toppings, wie frische Erdbeeren oder Aloe Vera.
Der Klassiker unter den Toppings ist Tapioka, erklärt Nguyen. Mittlerweile
sind die schwarzen Kugeln aus Maniokstärke dermaßen beliebt, dass es schon
Lieferengpässe gibt. Die Kugeln und andere Zutaten werden aus Taiwan
importiert. Bei Pao Pao arbeitet man indes aber an einer eigenen Rezeptur,
sodass man die Perlen frisch in Berlin herstellen kann.
Die Betreiber*innen verstehen ihre Getränke als „modern tea“, eine
Neuinterpretation des klassischen taiwanesischen Milchtees. Der neue Bubble
Tea ist weniger zuckerhaltig und auf Wunsch auch vegan. Die vor zehn Jahren
beliebten Sirups sind vereinzelt immer noch im Menü vorhanden, der Fokus
liegt mittlerweile jedoch auf gesünderen Optionen. Das beliebteste Getränk
des Ladens ist der „Purple Moon Litchi“, den es ab vier Euro zu kaufen
gibt. Der Tee besteht aus Butterfly Pea Tea, Aloe Vera, Litchi-Gelee und
Basilikumsamen. Das ergibt eine besondere Optik: Die obere Hälfte des
Bechers ist lilafarben, die untere weiß. Gerade deshalb posten ihn
Bubble-Tea-Fans gerne in ihren Instagram-Feeds.
## Stechen ohne hinzuschauen
Die Plastikbecher mit Tee und bunten Perlen sind nicht mehr nur im
Straßenbild, sondern auch in den sozialen Netzwerken zu einem neuen
Statussymbol geworden. Besonders auf der chinesischen Videoplattform TikTok
hat der Bubble Tea-Hype in den vergangenen Wochen rasant an Fahrt
aufgenommen. Der Hashtag #Bubbletea hat auf der Plattform über eine
Milliarde Aufrufe, die #Bubbleteachallenge über 45 Millionen Aufrufe. Dabei
versuchen Bubble-Tea-Fans, den versiegelten Plastikbecher mit ihrem
Strohhalm aufzustechen, ohne dabei hinzuschauen.
Nicht nur Nguyens Geschäft hat vom TikTok-Trend profitiert, auch neue Läden
sind während der Pandemie hinzugekommen. Eine von den neuen
Ladenbesitzer*innen in Berlin ist Hua Xu. Vor 20 Jahren ist sie von
Shanghai nach Berlin gezogen. Die Idee, Bubble Tea zu verkaufen, kam ihr
bereits vor der Pandemie. Damals arbeitete sie im Restaurant ihres Mannes.
Eröffnen konnte sie den Laden erst im Dezember vergangenen Jahres. Er liegt
fußläufig zwischen Potsdamer Platz und Brandenburger Tor.
Mimi Tea ist schlicht und hell gestaltet. Im Ladeninneren gibt es nur eine
Theke, keine Sitzmöglichkeiten. Im Laden und an der Außenfassade sind bunt
gestrichene Holzpfähle angebracht. Im Gegensatz zu „Pao Pao“ wirkt Mimi Tea
weniger hip, dafür so süß wie Bubble Tea. An der Wand prangt in
Leuchtschrift der Slogan “have a mimi break“. Den Namen haben sich Xus
Kinder ausgedacht, die auch Bubble-Tea-Fans sind. Die Plastikbecher ziert
ein Bär, dessen Bauch voller Perlen in Bärchenform ist.
Die Wintermonate während der Pandemie waren hart, berichtet Xu. Die
Hochsaison des Bubble Teas ist schließlich im Frühling und Sommer, auch
wenn es im Winter heiße Alternativen gibt. Den Betrieb hat sie in den
ersten Monaten alleine gestemmt, derzeit arbeitet sie zwei neue
Mitarbeiter*innen ein. Nachdem sie eine Schulung belegte und fleißig
YouTube-Tutorials schaute, brachte sich Xu eigene Rezepte bei.
## Gute Laune
Die Anfangszeit im Laden bezeichnet sie als Versuchslabor. Sie testete,
welche Getränke gut bei den Kund*innen ankommen und welche nicht. Auch
sie setzt auf frische Zutaten, empfiehlt Optionen ohne Zucker. Dabei berät
sie jede*n umfassend, welche Toppings zu welchem Getränk passen. „Manche
nehmen zu viel Eis, das verringert den Geschmack. Mein Tipp lautet: Nehmt
nicht zu viel Eis“. Schon haben einige TikToker*innen und
Youtuber*innen ihren Laden besucht, erzählt sie stolz. Nun kommen immer
mehr Kund*innen, vor allem Jugendliche aus Berlin, um Kreationen wie
„Nutella Milk Tea“ oder „Sago Coconut Milk“ zu bestellen. „Bubble Tea…
gute Laune. Die Leute verabreden sich extra, um ihn zu trinken“, erklärt
sich Xu die Beliebtheit des Getränks.
Während der Coronamaßnahmen ist das Treffen auf einen Bubble Tea eine der
wenigen Freizeitoptionen für Jugendliche gewesen, berichtet auch Nam
Nguyen. Seine Zielgruppe besteht vor allem aus Sechs- bis Achtzehnjährigen,
wobei die Jüngeren mit ihren Eltern in den Laden kommen. „Die Eltern sind
noch etwas vorsichtiger, weil sie die Geschichten von vor zehn Jahren
mitbekommen haben“, berichtet Nguyen. Er ist dennoch überzeugt, dass es
sich bei Bubble Tea nicht bloß um einen temporären Trend handelt: „Das
Produkt hat wieder seine Daseinsberechtigung. Bubble Tea ist nicht nur ein
Social-Media-Trend, sondern wie der Kaffee um die Ecke.“
Tatsächlich erfreut sich der Bubble Tea zumindest bei der jüngeren
Zielgruppe größerer Beliebtheit als der Coffee to go. Um die Mittagszeit
ist der Besucheransturm bei „Pao Pao“ wetterbedingt noch überschaubar,
wenige Tage vorher ist bei „Mimi Tea“ Ähnliches zu beobachten.
Wenige Tage später steigen die Temperaturen. Bei „Comebuy“ in der East Side
Mall in Friedrichshain bildet sich gegen 16 Uhr eine lange Schlange. Es
sind vor allem Teenager*innen, die nach Schulschluss dort anstehen. Manche
kommen auch mit einem Elternteil. „Viele aus meiner Klasse trinken das, wir
wollten das auch mal ausprobieren. Ich hab es auch schon öfter bei TikTok
gesehen“, berichtet die 12-jährige Emma, die einer Freundin zum ersten Mal
Bubble Tea zeigen will. „Ich hab mich informiert und gehört, dass man sich
an den Perlen verschlucken kann“, sagt sie. Sorgen macht sie sich aber
keine: „Bis jetzt ist noch niemand aus meiner Klasse daran gestorben.“
8 Jul 2021
## LINKS
[1] /Bubble-tea/!5090116
[2] /Stiftung-Warentest-kritisiert-Bubble-Teas/!5090290
[3] https://rp-online.de/leben/gesundheit/news/gladbach-giftspuren-in-bubble-te…
## AUTOREN
Louisa Zimmer
## TAGS
Tee
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