Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Habseligkeiten: Plopp, plopp, blubb, blubb
> Das trinkt man jetzt so: Wer schnell reich werden will, sollte einen
> Bubble-Milk-Tea-Laden eröffnen. Obwohl das neue In-Getränk nicht
> besonders schmeckt, sind alle verrückt danach.
Vor ein paar Tagen fühlte ich mich glücklich wie Zonengabi mit ihrer ersten
Banane. Ich hatte nämlich bei meinem gemütlichen Spaziergang durch die
Nachbarschaft einen Laden entdeckt, der ein mysteriöses Getränk verkaufte.
"Schau, schau", dachte ich, "selbst in der Nähe gibt es noch so viel zu
entdecken. Also ging ich in dieses Geschäft und sagte: "Ich hätte gern
einen Bubble Milk Tea!"
Das war schon mal der falsche Ansatz. Denn ein solches Getränk zu bestellen
erfordert einiges Kommunikationsgeschick, was ich ja nicht wusste, weil ich
unsere paar Sommertage damit verbracht hatte, wie alle anderen, die über 30
sind, Sekt Aperol zu trinken. Wäre ich jünger, hätte ich schon gewusst,
dass ein Bubble Milk Tea kein fertiges Produkt ist, sondern eine Mischung.
Einfach nur einen zu bestellen ist so, als ginge man ins "Haus der 100
Biere" und sagte: "Geben Sie mir eins dieser leckeren Getränke mit dem
Schaum drauf!"
Bubble Milk Tea besteht aus einer Basis, entweder grünem oder schwarzem
Tee. Diese Basis wird mit ein ganz bisschen - für meine Verhältnisse
lächerlich wenig - Milch und einem minikleinen Löffel Zucker entweder mit
Eis oder ohne verquirlt. Danach folgt die Frage nach der Geschmacksrichtung
der "Perlen". Das sind kleine Kügelchen, ebenjene Bubbles, aus Tapiokamehl,
die entweder nach Johannisbeer, Mango, Lychee oder Sonstigem schmecken. Auf
den Becher wird ein Deckel gepackt und, damit man den Tee und die Kügelchen
überhaupt wieder rauskriegt, wird ein dicker Strohhalm durch eine Öffnung
gesteckt.
Ich setzte mich in die Sonne, probierte und - schwupps! - fühlte ich mich
schon nicht mehr im Glück. Ich hatte ein kaltes, nicht besonders süßes,
überhaupt nicht besonders schmackhaftes Getränk in der Hand. Es war
definitiv leckerer als das Glas vergorene Stutenmilch, das uns ein Freund
aus Kirgistan zu leeren genötigt hatte, aber nicht so lecker wie etwa eine
Bionade. "Das trinkt man jetzt also in Taiwan oder Hongkong", dachte ich,
denn dort kommt das Ganze her.
Während die Kügelchen in meinem Mund zerplatzten, versuchte ich die
Gewinnspanne der Teeverkäufer auszurechnen. Die Mehlkugeln konnten nicht
viel kosten, ebenso der Tee oder das Eis, und Milch und Zucker war, wie
gesagt, nicht viel drin. Im Grunde also verkaufte mein
Bubble-Milk-Tea-Laden Wasser zum Preis von Wein, also für 3,30 Euro pro
kleinem Becher. Fantastisch! Kein Wunder, dass dieses Getränk dabei war,
den Frappucino zu verdrängen, denn jeder, der in einen
Bubble-Milk-Tea-Laden investiert, ist innerhalb von zwei Wochen Millionär.
Ich investierte nicht, sondern kaufte eine Wohnzeitschrift, wie dumm von
mir.
Ich war folglich immer noch arm, als ich ein paar Tage später ein neues
Bubble-Milk-Tea-Geschäft bemerkte. Die Jugendlichen standen bis zum
Bordstein an und kamen dann mit riesigen Bechern aus dem Laden. Dass es den
Kunden aber auch wirklich schmeckt, davon war ich nicht überzeugt, denn an
der Glasscheibe des Ladens klebte ein Schild: "Liebe Gäste", schrieb der
Besitzer, "wir bitten höflich, keine Tapiokaperlen vor den Hauseingang zu
spucken."
20 Sep 2011
## AUTOREN
Natalie Tenberg
Natalie Tenberg
## TAGS
Tee
## ARTIKEL ZUM THEMA
Von TikTok in die Fußgängerzone: Es bubblet wieder in Deutschland
Vor zehn Jahren mussten zahlreiche Bubble-Tea-Läden nach einer
Medienkampagne schließen. Dank Social Media feiert das süße Getränk nun
sein Comeback.
Kolumne Habseligkeiten: Von Hipstern und Nerds
Die Mode verläuft zyklisch und trotzdem stecken wir in den Achtzigern fest.
Warum wir die Loser von damals lieben.
Kolumne Habseligkeiten: Good Cop, Bad Cop, Papst & Obermann
Was haben die katholische Kirche und die Deutsche Telekom gemeinsam?
Kolumne Habseligkeiten: Die Tiefkühlministerin
Manchmal weiß man einfach nicht, was man tun soll. Gut, wenn das
Bundeskabinett hilft!
Kolumne Habseligkeiten: Solidarität mit Schwaben
Schützt es mich vorm Autoanzündler, dass ich aus NRW komme? Nein, denn der
Berliner kennt nur sich selbst. Und auch den mag er nicht besonders.
Kolumne Habseligkeiten: Der Coup der internationalen Leimlobby
Rasenflächen, Briefkästen, Heckscheiben – woher kommt es eigentlich, dass
die Deutschen überall Ankündigungen draufpappen?
Kolumne Habseligkeiten: Das asoziale Spartenprogramm
Facebook bekommt Konkurrenz, und zwar von Google+. Aber gieren die Menschen
vielleicht ganz umsonst nach dem Eintritt in das neue Netzwerk?
Kolumne Habseligkeiten: Die Pashminarisierung der Gesellschaft
Ein Tuch kann wärmen und ganz viel mehr. Hübscher macht es das nicht. Und
mal ehrlich: Braucht man im Sommer wirklich einen Schal?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.