# taz.de -- Kolumne Habseligkeiten: Der Coup der internationalen Leimlobby | |
> Rasenflächen, Briefkästen, Heckscheiben – woher kommt es eigentlich, dass | |
> die Deutschen überall Ankündigungen draufpappen? | |
BERLIN taz | Neulich ging ich beim Spazieren an einer Baustelle vorbei. Die | |
Fahrbahn sollte ausgebessert werden, deswegen wurde der Verkehr auf eine | |
andere Spur umgeleitet. "Schauen Sie sich das an!", nörgelte ein anderer | |
Fußgänger. Er war deutlich jenseits der 70, auf seinem Rollator thronte ein | |
kleiner Hund. "So viele Schilder für so eine kleine Baustelle!" Ich | |
schaute, aber fand daran gar nichts Besonderes. Es waren, meiner Meinung | |
nach, genauso viele Verkehrszeichen angebracht wie nötig. | |
"Geht doch", antwortete ich. Aber der Mann war mir schon längst voraus. | |
Wahrscheinlich, dachte ich, geht er jetzt in seine Wohnung zurück, an der | |
vorne an der Tür eines dieser gelben Rechtecke klebt, auf denen trotz | |
seines mickrigen Yorkeshire-Terriers ein Schäferhund mit dem gruseligen | |
Slogan "Hier wache ich!" abgebildet ist. Es gehört nämlich zu den | |
Eigenarten der Deutschen, alle möglichen Ankündigungen und Androhungen zu | |
plakatieren. | |
Was sagt schon das Schild "Rasenfläche nicht betreten" aus? Werde ich, | |
falls ich es tue und mich dabei auch noch jemand erwischt, ermahnt oder | |
bestraft? Neulich habe ich es in einem ruhigen Wilmersdorfer Vorgarten | |
probiert, habe sogar die Kinder vorgeschickt, um die Grashalme | |
plattzutreten. Passiert ist nichts. Denn ein Schild aufzuhängen bringt | |
genauso wenig, wie sein Fahrrad mit einem Bindfaden abzuschließen. | |
Apropos abschließen: Die absurdesten Schilder hängen sich die Menschen an | |
ihre Haustüren. Ich spreche nicht von den selbstgetöpferten | |
Klingelschildern, die herausschreien, dass hier Schnuppi, Wuppi und Puppi | |
Schmidt wohnen. Sondern all jene, die ein bestimmtes Verhalten anmahnen. | |
Mal sollen Türen leise geschlossen werden, dann kräftig, ganz oder nur | |
angelehnt werden. | |
Bei uns hing bis vor ein paar Jahren noch: "Haustür nach 20 Uhr bitte | |
abschließen." Uns Bewohnern des vierten Obergeschosses bereitete das | |
besondere Freude, zum Glück haben sich die Sitten inzwischen geändert. Ein | |
Schild, das sagt: "Dieses Haus wünscht keine Werbung" haben wir bis heute | |
nicht angebracht. Das wäre eh überflüssig, weil an fast jedem Briefkasten | |
ein rotes Stoppschild hängt. | |
Das bringt uns zu einem weiteren Ungemach: die Imitation von | |
Straßenschildern in Form von Aufklebern. Wer zwingt die Menschen dazu, sich | |
ein "Vorsicht! Elch!"-Dreieck ans Auto zu pappen? Die schwedische | |
Regierung? Ich tippe auf die internationale Leimlobby, der daran gelegen | |
ist, dass immer und überall geklebt wird und auch das Gerücht verbreitet, | |
Kreuzberger stünden nun auf das "Berlin doesn't love you"-Zeichen. | |
Kompletter Unfug! | |
Ein Schild aber fehlt, vor allem in Kiosknähe, und ich gebe meine Stimme | |
demjenigen Kandidaten (rechte Parteien ausgeschlossen), der es statt all | |
der markigen Sprüche auf sein Wahlkampfplakat druckt. Es zeigt ein | |
durchgestrichenes silbernes Rechteck und bedeutet: "Liebe Schüler, wenn ihr | |
nun, statt ein richtiges Mittagessen einzunehmen, trockene Asianudeln esst, | |
ist das eure Sache. Aber bitte schmeißt die den Packungen beiliegenden | |
Gewürzmischungen nicht auf den Gehsteig, sondern in den Müll, wo sie | |
hingehören!" | |
9 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Natalie Tenberg | |
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