# taz.de -- Ramadan-Festival in Dortmund: Burger und Bubble Tea zum Iftar | |
> Das Ramadan-Festival in Dortmund läuft. Die Veranstalter mussten lange | |
> dafür kämpfen, weil sich Behörden und Anwohner wehrten. | |
Bild: Dieses Jahr mit strengen Auflagen: das Ramadan-Festival in Dortmund | |
DORTMUND taz | Die auf die Zelte geschmierten Hakenkreuze beendeten den | |
Protest gegen das Ramadan-Festival. Mit so etwas wollten die Nachbar*innen | |
des Geländes nichts zu tun haben. Sie hatten doch nur Probleme mit dem | |
Lärm. | |
Seit 2012 findet das nach Angaben der Veranstalter größte Ramadan-Festival | |
Europas in Dortmund statt. Rund 200.000 Besucher reisen aus ganz | |
Deutschland an, aber auch aus den Niederlanden und Belgien. In diesem Jahr | |
stand es fast vor dem Aus: Drei Wochen vor dem Beginn des muslimischen | |
Fastenmonats am 5. Mai hatte man immer noch kein geeignetes Gelände | |
gefunden. Die Gespräche zwischen Veranstalter, Oberbürgermeister und den | |
Ämtern liefen ohne Unterlass. Eigentlich gehe es natürlich um etwas | |
anderes, wird ein junger Festivalbesucher später sagen. Es geht um die | |
Frage, die seit Jahren ständig gestellt wird: Gehört der Islam zu | |
Deutschland? Der Fastenmonat testet die Toleranz der Mehrheitsgesellschaft. | |
Am Remydamm, wo seit Anfang Mai das Dortmunder Ramadan-Festival | |
stattfindet, ragen die weißen Zeltspitzen wie auf Cupcakes gespritzte | |
Sahnehäubchen zwischen den Bäumen hervor. Schon auf dem angrenzenden | |
Parkplatz hört man mehr von der B1 auf der einen, als vom Feiern auf der | |
anderen Seite. An Wochentagen kostet der Eintritt zwei, am Wochenende vier | |
Euro. | |
Auf Schotter läuft man an Ständen vorbei, an 30 Buden gibt es Essen und | |
Trinken, an 130 stellen Händler ihre Ware aus. Man kann Immobilienanteile | |
für Häuser in der Türkei erwerben, seinen orientalischen Teppich reinigen | |
oder sich zu einem anderen Strom- und Gasangebot überreden lassen. Aber es | |
gibt auch mit Koranversen bestickte Kopfkissenbezüge zu kaufen, Bücher, | |
frisches Obst und pinkfarbene Ballons mit Disney-Prinzessinnen darauf. Die | |
meisten Aussteller kommen aus der Türkei, immer mehr aber auch aus | |
arabischen Ländern. Mittendrin im ovalen Gelände stehen drei große Zelte, | |
in denen auf Bierbänken das Fasten gebrochen wird, Mitte Mai beginnt das | |
sogenannte Iftar gegen 21.20 Uhr. | |
## Ringen mit den Ämtern | |
Der Veranstalter Fatih Ilhan kommt selbst aus Dortmund, sie wollen mit dem | |
Fest die multikulturelle Identität der Stadt widerspiegeln, sagt seine | |
Sprecherin, Ceren Kaya. Im europablauen Blazer läuft sie mit in die Taschen | |
gedrückten Händen über das Gelände. „Wir haben in Dortmund den Bäcker ne… | |
dem Baklava-Laden, wir leben das Miteinander längst. Aber eine Plattform | |
für Muslime und Nichtmuslime, auf der sie sich während des Ramadan begegnen | |
konnten, die fehlte.“ Für ein paar Euro könne man ein Stück Kultur mit nach | |
Hause nehmen, sich wie im Urlaub an der Strandpromenade fühlen oder wie auf | |
einem türkischen Basar, sagt sie. | |
Dass das Festival heute hier stattfinden kann, ist das Ergebnis eines | |
langen Ringens mit den zuständigen Ämtern. Immer wieder musste das Festival | |
auch in der Vergangenheit schon ausweichen, der Veranstalter sich nach | |
neuen Plätzen umsehen. Fast überall entstanden mit der Zeit | |
„Nutzungskonflikte“, so nennen es die Behörden. Die Argumente: Die | |
Parkplätze reichten nicht aus, der An- und Abfahrtslärm könnte die | |
Anwohner*innen stören, das Festival als solches, das erst um 18 Uhr beginnt | |
und dann bis spät in die Nacht läuft, sei zu laut. Die Brandschutzauflagen | |
wurden strenger, die Termine kollidierten mit anderen Veranstaltungen in | |
Dortmund, nicht zuletzt mit den Heimspielen des BVB. | |
Als „Trauma“ beschreiben manche Medien das Jahr 2013, als das Festival | |
ebenfalls am Remydamm stattfand, einem Großparkplatz in der Nähe des | |
Stadions: 30 Tage lang sei vor 3 Uhr nachts an Schlaf nicht zu denken | |
gewesen, sie seien überhaupt nicht mehr zur Ruhe gekommen, beschwerten sich | |
die Anwohner*innen. Der Ramadan verschiebt sich jedes Jahr um zwei Wochen | |
nach hinten, je später die Sonne untergeht, desto weiter rückt auch Iftar, | |
das Fastenbrechen, zurück. Entsprechend spät begannen die Menschen zu | |
essen, sie saßen lange draußen, mitten in der Nacht reisten sie ab, weckten | |
die Nachbarn. | |
In den nächsten Jahren wichen die Veranstalter auf andere Flächen aus, die | |
aus verschiedenen Gründen nun aber auch nicht mehr infrage kamen. Man | |
überlegte, die Veranstaltung erneut am Remydamm stattfinden zu lassen. Dann | |
aber lehnte die zuständige Bezirksvertretung den Antrag im Sommer 2018 | |
vorerst ab. Der Veranstalter musste ein Konzept vorlegen, wie es am | |
Remydamm funktionieren soll. Erst Ende April genehmigte die Stadt die | |
Veranstaltung dann doch. Die Behörden waren einverstanden, manche | |
Dortmunder*innen nicht. | |
## Keine Angst vor Neonazis | |
Die Veranstalter gingen in die Offensive und luden Anwohner*innen zum | |
gemeinsamen Fastenbrechen auf das Gelände ein, gaben ihnen für alle Fälle | |
ihre Handynummer. Auch die Stadt hat ein Beschwerdetelefon installiert. | |
Als Hakenkreuze und Kot noch während des Aufbaus an die Zeltwände | |
geschmiert wurden, erstattete der Veranstalter Anzeige gegen unbekannt. | |
Dass die Neonazis aus dem Stadtteil Dorstfeld dahinterstecken, liegt für | |
viele jedoch auf der Hand. „Die machen uns keine Angst“, sagt | |
Festival-Sprecherin Kaya. | |
Eine Anwohnerin, die seit 1983 an der nahe gelegenen Joseph-Scherer-Straße | |
lebt und möchte nicht, dass ihr Name in der Zeitung steht, besteht darauf, | |
dass ihr Ärger sich nicht gegen das muslimische Fest an sich richte. „Wir | |
haben dauernd Probleme, wenn in der Nähe Großveranstaltungen stattfinden, | |
egal von wem. Ich habe mir schon angewöhnt, dann über die Wochenenden | |
wegzufahren.“ Trotzdem hatte sie gehofft, dass der Bürgermeister sein | |
Versprechen wahrmache und das Festival nicht mehr dort stattfinden lasse. | |
2013 habe nun einmal „ziemlichen Ärger“ mit sich gebracht: Weil die | |
Parkplätze am Gelände damals noch kostenpflichtig waren, seien die | |
Besucher*innen in ihre Straße gekommen, um umsonst zu parken. Sie hätten | |
für lange Staus gesorgt. Außerdem, erzählt die Anwohnerin, habe sie täglich | |
benutzte Windeln und Essensreste in ihrer Einfahrt gefunden. | |
In diesem Jahr aber gehören strenge Auflagen zu dem Konzept für den | |
Remydamm: So muss das Fest um Mitternacht beendet sein, die Parkplätze | |
dürfen nichts kosten, und es darf keine Livemusik mehr gespielt werden. Ein | |
Parkdienst regelt den An- und Abfahrtsverkehr, und in die | |
Joseph-Scherer-Straße gelangt man nur noch mit Genehmigung. Die Anwohnerin | |
sagt: Bisher sei ihr, außer etwas Grillgeruch, „nichts Negatives“ | |
aufgefallen. Auch von anderen Anwohner*innen gab es dieses Jahr noch keine | |
Beschwerden, weder bei der Stadt noch bei den Veranstaltern. | |
Über den Schotter auf dem Festivalgelände weht mal dichter Rauch vom Grill, | |
anderswo duftet es bäckersüß. „Es ist ein kulturelles Fest, kein | |
religiöses“, sagt Sprecherin Ceren Kaya. Sie selbst ist Agnostikerin und | |
findet besonders die Begegnung und das Zusammenkommen faszinierend. | |
## Volksfest ohne Alkohol und Bratwurst | |
Das Publikum ist wild gemischt, Menschen mit und ohne erkennbaren | |
Migrationshintergrund, große Gruppen von Freundinnen, Paare, Familien. | |
Viele kommen nur wegen dieser einen Süßigkeit oder des einen Stoffes, den | |
sie sonst im Jahr nirgendwo finden. Alkohol und Bratwurst werden nicht | |
verkauft, abgesehen davon unterscheidet sich das Festi Ramazan kaum von | |
anderen Volksfesten. Es gibt den „Best Burger in Town“, Bubble Tea, aus | |
flüssigem Stickstoff gewonnenes Popcorn, Aktionen für Kinder und | |
zwischendurch ein bisschen Folklore. | |
Michael Taranczewski sitzt seit 2005 für die SPD im Integrationsrat der | |
Stadt Dortmund. Die Diskussion um das Festival bringt ihn auf: „Ich bin es | |
leid, dass wir unseren muslimischen Mitbürger*innen nicht die Anerkennung | |
entgegenbringen, die sie verdienen“, sagt er am Telefon. Der 70-Jährige | |
diskutierte mit seinem Parteigenossen, Oberbürgermeister Ullrich Sierau, | |
der kurzerhand im Dezember 2018 das Ende des Festivals ausgerufen hatte. Er | |
diskutierte auch mit seiner eigenen und den anderen Fraktionen und | |
erreichte, dass die Zuständigkeit vom Bezirk auf den Stadtrat überging. | |
Dieser entschied im Februar 2019, das Festi Ramazan in Dortmund erhalten zu | |
wollen. „Der Weihnachtsmarkt läuft sechs Wochen, der stört niemanden, auch | |
nicht die grölenden Fußballfans des BVB. Das muslimische Fastenbrechen ist | |
dann plötzlich zu laut. Wir müssen unseren muslimischen Mitbürger*innen | |
versichern: Ihr seid ein Teil von uns“, poltert Taranczewski ins Telefon. | |
Mowafak Almahamid hat sich auf dem Festival zum Nachtisch eine Künefe | |
geholt, ein türkisches Gebäck aus Teignudeln, Käse und Zuckersirup. Seit | |
fünf Jahren wohnt er in Dortmund, geflohen ist er aus Syrien. Seine Familie | |
lebt verstreut in der arabischen Welt, mittlerweile hat Almahamid viele | |
deutsche Freunde. Den Ramadan kann er mit ihnen aber nicht verbringen, sagt | |
er. Deswegen findet er das Ramandan-Festival gut. Aber er sagt auch: „Die | |
letzten Jahre war es besser und kultureller. Jetzt geht es nur noch ums | |
Geldmachen.“ Er würde lieber wieder mehr Bräuche sehen, Tanz und | |
Vorführungen, die etwas über die islamische Kultur ausdrückten. | |
Auch für Almahamid steckt hinter dem Streit um das Ramadan-Festival die | |
Frage, ob der Islam wirklich zu Deutschland gehöre. Die Künefe zieht lange | |
Fäden, Almahamids Augen folgen den Teigschlieren. Ende des Jahres will er | |
Deutscher werden, „Wenn es klappt, bin ich Deutscher und Muslim. Also ist | |
es klar, oder?“ | |
27 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Hanna Voß | |
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