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# taz.de -- Bubble tea: Aufploppen und Tee trinken
> Übersüßter Tee ist der Renner bei Teenagern. Überall tauchen neue
> Filialen auf, die so grellbunt sind wie die Kugeln im Becher. Zwei
> Freundinnen haben die Idee aus Taiwan nach Berlin gebracht.
Bild: Seifenblasen sind deutlich gesünder als Bubbles im Tee.
Ha Tran ist guter Dinge. Er wischt über den Tresen und blinzelt in die
Sonne über dem Alexanderplatz: Es wird ein heißer Tag, durstige Leute – und
Herr Ha wird ihnen eine Menge Tee verkaufen können. Kalten Tee, grün oder
schwarz, mit Sirup oder Milch drin und natürlich diesen bunten,
erdnussgroßen Kügelchen: Bubble Tea.
Seit ungefähr einem Jahr ploppen sie überall aus dem Boden, kleine,
quietschbunte Läden, die nur ein einziges Produkt verkaufen: süßen Tee aus
dem Shaker. Bubble Tea heißt so, weil er ursprünglich schaumig geschüttelt
wurde – nicht etwa wegen seiner auffälligsten Zutat, den „Bobas“: platze…
Kügelchen aus geliertem Saft oder Kügelchen aus Stärkemehl zum Kauen, die
man mit dem Tee durch einen überdimensionierten Strohhalm aus dem Becher
schlürft. Ha leitet am Alexanderplatz die Filiale von Bobo Q, dem
deutschlandweit größten Franchisegeber in diesem so jungen wie
einträglichen Geschäft. Allein in Berlin hat die Kette in den letzten
anderthalb Jahren 19 Läden eröffnet, gut 100 sind es in Deutschland und
Europa: Schweiz, Niederlande, Slowakei. Die Türkei folgt demnächst. Bobo Q
ist aber nicht das einzige Franchiseunternehmen, das am Geschäft mit dem
Kugeltee verdient. Im Netz gibt es Seiten, die nur dazu dienen, alle
Bubble-Tea-Shops Deutschlands zu lokalisieren: Die Google-Karten sind voll
von roten „Treffer“-Fähnchen.
Die Filiale von Franchisenehmer Ha läuft bestens: Mindestens 500 Becher
gingen an einem guten Tag über den Ladentisch, sagt er, und auch heute
reißt der Kundenstrom nicht ab. Die 14-jährige Amely und ihre Freundin
Shelly, 15, navigieren geübt durch die verwirrend umfangreiche Menükarte:
„Honeydew Green Tee mit Orangen-Bobas, kein extra Topping“, ordert Amely
schließlich, Shelly saugt rote Erdbeer-Bobas aus einem Becher Green Apple –
Green Tea. 600 Kombinationen gebe es theoretisch, sagt Has Angestellte
Trinh Le. „Aber am besten gehen Mango Green Tea oder Joghurt Erdbeere.“
Eine mittelalte Frau mit ihrer Tochter ist an der Reihe. Fix gibt letztere
ihre Bestellung auf und schaut ein bisschen genervt auf die zögernde Mutter
– „Ich mach das ja erst zum zweiten Mal!“ –, die sich schließlich zu e…
Yoghurt Green Tea mit Maracuja-Bobas durchringt. Die Oma wartet draußen,
beäugt misstrauisch das Getränk – und probiert vorsichtig: „Ah, ja“, sa…
sie und wiegt bedächtig den Kopf.
Wer zuerst die Idee hatte, Tee mit glibberigen Kugeln aus Tapioka-Stärke
aufzupeppen, ist unklar. Fest steht nur: Bubble Tea kommt ursprünglich aus
Taiwan. Dort kennt man ihn schon seit Mitte der 80er Jahre – weit weniger
süß und bunt, als schaumiges Gemisch aus Tee, Milch und schwarzen,
kaubonbonartigen Kügelchen aus dem mit Ahornsirup gekochten Mehl der
Maniokwurzel. Da endet die Faktenlage aber auch schon. Umso schöner sind
die PR-Geschichtchen, die sich mittlerweile auf den Websites diverser
Kugeltee-Ketten um die Entstehung des asiatischen Exportschlagers ranken:
Da liest man von taiwanesischen „Visionären“, die um die Beliebtheit des
Nationalgetränks bei der jungen Generation fürchteten und auf die Idee
kamen, das langweilige Glas Grüntee mit ein bisschen Kugelzauber
interessanter zu machen. Die taiwanesische Possmei International GmbH, nach
eigenem Bekunden weltgrößter Exporteur und Zulieferer von
Bubble-Tea-Zutaten, hat die Variante des „gemütlichen Teehauses in
Zentraltaiwan“ im Angebot. Auch Tan Huynh, Sprecher der Germany Bobo Q
GmbH, ist sich nicht ganz sicher: Es gebe wohl „zwei Familienunternehmen“
in Taiwan, die sich bis heute stritten, wer denn die Idee zu dem
Erfolgsprodukt gehabt habe.
Klar ist hingegen, wem Berlin die derzeitige Kugeltee-Schwemme zu verdanken
hat: „In Asien gibt es Bubble Tea schon seit 25 Jahren an jeder
Straßenecke“, sagt Frau Zhu, die zusammen mit ihrer Freundin Frau Zhou die
Geschäfte von Bobo Q führt. Ihr kleiner Sohn, sagt Zhu, habe hier in
Deutschland den bunten Teecocktail schmerzlich vermisst. Da habe man sich
gedacht, vielleicht funktioniere das Rezept hier genauso gut. Man könne es
ja mal probieren. Zunächst seien sie, Zhu und Zhou, regelmäßig nach Taiwan
gereist, hätten Produkte und Rezepte getestet, „25 Becher Bubble Tea, jeden
Tag“, seufzt Zhu.
## Von Neukölln nach Europa
Im Februar 2010 dann die erste Ladeneröffnung in der Marburger Straße, Nähe
Breitscheidplatz. Zulieferer Possmei stieg ins Geschäft ein, in Neukölln
mietete man zusammen Lagerhalle und Büroräume – und lenkt von hier aus
gemeinsam das europäische Geschäft mit dem Blubbertee. Von Possmei kommen
Tee, Tapiokakugeln und Sirup, Shaker, Boba-Messlöffel und natürlich die
Maschine, die die To-go-Becher vollautomatisch mit Plastikfolie zuschweißt.
Bobo Q verkauft das fertige Produkt. Zwei Jahre nach dem ersten Laden
scheint Zhu vom durchschlagenden Erfolg ihrer Geschäftsidee noch immer ein
wenig überrascht. Auch Tan Huynh sagt etwas ratlos: „Irgendwie war wohl der
Zeitpunkt einfach reif.“ Warum? „Vielleicht liegt’s am Design, dem
exotischen Gefühl der platzenden Kügelchen im Mund.“ Vielleicht ist auch
einfach die Idee, den Langweiler Tee zum Trendgetränk machen zu wollen,
abwegig genug, dass junge Menschen sie cool finden. Von der „großen
Zielgruppe der 8- bis 16-Jährigen“, spricht Tan Huynh.
Im Verkaufsraumsimulator, einer original nachgebauten Filiale in der
Neuköllner Zentrale, demonstriert Chefin Zhu dem Bobo-Q-Verkaufspersonal
per Video, wie der neue „Mango Icy“ – eine Art Milchshake: Crushed Ice,
Milchpulver, Mangosirup, Bobas, aber kein Tee – zusammengerührt wird. Das
Ergebnis ist lecker. Und so süß, dass nach einem halben Becher der Wunsch
nach einem Leberwurstbrot aufkommt.
Etwa 30 bis 50 Milliliter Sirup finden in einem Viertelliter Bubble Tea
Platz. Dazu kommt der süße Saft aus den „Popping Bobas“, der auch mehr na…
Farbstoff als nach Frucht aussieht. Bedenklich? „Kinder mögen es halt süß
und bunt“, sagt Huynh. Aber hat man nicht eine Verantwortung als
Hersteller? „Wir haben nie behauptet, dass Bubble Tea ein Diätgetränk ist �…
und bei den Farb- und Zusatzstoffen schauen wir natürlich hin“, versichert
Huynh etwas vage. Im Übrigen, findet er, komme es auf das richtige Maß an.
Wie bei Pommes, Chips und Schokolade auch.
Oder man übertreibt es mal so richtig: „Hier, unsere
Ein-Liter-Jumbo-Becher“, sagt Huynh und deutet auf einen Stapel Kartons. In
der Lagerhalle von Bobo Q und Possmei am hinteren Ende der Karl-Marx-Straße
sausen Gabelstapler zwischen Boxen mit Tee und Sirup umher, zweimal am Tag
wird frische Ware geliefert. Es riecht nach grünem Tee, ein bisschen
Großmarktgefühl kommt auf. Ein Liter Bubble Tea? „Na ja, das ist was für
die ganz Wilden“, sagt Huynh. Er selbst trinkt an diesem Vormittag Kaffee.
29 Jun 2012
## AUTOREN
Anna Klöpper
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