# taz.de -- Zustand der Luftfahrtbranche: Fliegen bleibt vorerst billig | |
> Airlines hoffen mit dem Ende der Pandemie auf eine Rückkehr zur | |
> Normalität. Doch der Sektor steht vor langfristigen Veränderungen. | |
Bild: Es fliegen noch immer nicht viele: Frau am Flughafen | |
Hin und zurück nach Mauritius mit der Lufthansa-Tochter Eurowings für rund | |
670 Euro? Oder doch lieber ein Städtetrip mit Ryanair für 12.99 Euro in | |
Europa? Die Angebote der Billigairlines wirken, als habe es weder eine | |
Pandemie mit Reisebeschränkungen noch eine Diskussion um die ökologischen | |
Folgen des Fliegens gegeben. Es ist anscheinend alles beim Alten. | |
Doch die Kund*innen sind weiterhin zurückhaltend. Frankfurts Flughafen | |
verzeichnet noch immer 80 Prozent weniger Passagiere als im Vorkrisenjahr | |
2019. Zwar läuft der Luftverkehr in Richtung touristischer Ziele allmählich | |
wieder an. Doch selbst bei einem guten Verlauf erwarten Experten in diesem | |
Jahr nicht einmal die Hälfte des Passagieraufkommens normaler Zeiten. Der | |
Geschäftsreiseverkehr, der den Airlines satte Margen einbringt, ist noch | |
immer nahezu vollständig eingebrochen. Mit einer deutlichen Besserung | |
rechnen die Unternehmen erst, wenn die Reisebeschränkungen bei Fernflügen, | |
insbesondere nach Nordamerika, wieder aufgehoben werden. | |
Mit einer grundsätzlich veränderten Haltung zum Urlaub in der Ferne oder | |
dem Besuch bei Geschäftspartner*innen rechnet langfristig kaum jemand. | |
In diesem Jahr scheint Fliegen allerdings verpönt. Einer Umfrage des | |
Portals idealo.de zufolge verzichten fast zwei Drittel der Befragten auf | |
einen Ferienflug. Hier wirkt die Pandemie nach. Knapp die Hälfte misstraut | |
den Hygienevorkehrungen an Bord; mit abnehmender Ansteckungsgefahr könnte | |
sich das bald ändern. | |
## Propellerturbinen statt Düsenjets | |
Zwei Trends sind allerdings erkennbar und zum Teil auch politisch gewollt. | |
In der Geschäftswelt haben Video-Konferenzen den Durchbruch geschafft. | |
Viele Unternehmen möchten Dienstreisen deshalb dauerhaft auf ein | |
notwendiges Maß reduzieren. Das spart enorm an Kosten für Transport und | |
Unterkünfte. Für eine virtuelle Messe müssen beteiligte Unternehmen so 80 | |
Prozent weniger zahlen – ein großer Anreiz. | |
Auch Kurzstreckenflüge haben keine große Zukunft mehr. [1][Ein Verbot | |
fordert keine der großen Parteien.] Doch zumindest innerdeutsch soll die | |
Bahn die Zubringerdienste zu den Luftkreuzen nach und nach übernehmen. Die | |
Bahn kooperiert dabei schon länger mit der Lufthansa, so werden Fahr- und | |
Flugplan aufeinander abgestimmt. Bei Zugverbindungen mit weniger als vier | |
Stunden Fahrzeit hat die Schiene gegenüber dem Luftverkehr ohnehin die Nase | |
vorn. Wenn die Kapazitäten der Bahn wie geplant weiter ausgebaut und immer | |
mehr kleine Orte ans Netz angebunden werden, wird der innerdeutsche | |
Reiseverkehr vor allem von Autos und Zügen abgewickelt. | |
Mittel- und Langstreckenflüge sind dagegen nicht leicht zu ersetzen. Die | |
Airlines wollen die klimaschädlichen Transporte langfristig CO2-frei | |
durchführen – mit Wasserstoff und synthetischem Kraftstoff. Bis die | |
Technologien eingesetzt werden können, werden noch Jahre vergehen. „Derzeit | |
lassen Preise und Mengen noch zu wünschen übrig“, räumte Kanzlerin Angela | |
Merkel auf der Nationalen Luftfahrt-Konferenz kürzlich ein. Und | |
Lufthansa-Chef Carsten Spohr fordert offen eine staatliche Unterstützung | |
beim Einsatz klimaneutraler Treibstoffe. Sonst gerät sein Unternehmen auch | |
in Gefahr, auf langen Strecken mit der Konkurrenz aus dem Nahen Osten nicht | |
mithalten zu können. | |
Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, hat recht konkrete | |
Vorstellungen vom künftigen Luftverkehr. Auf der mittleren Langstrecke, | |
etwa in die Ferienregionen am Mittelmeer, sollten Maschinen mit | |
Propellerturbinen eingesetzt und mit Wasserstoff betrieben werden, sagt er. | |
Dies sei kostengünstiger und energieeffizienter als Düsenjets. Mitte der | |
30er Jahre könnte die Technik so weit sein. Allerdings sind diese Flieger | |
auch langsamer. Laut Hofreiter wären damit 80 Prozent des | |
Passagier-Luftverkehrs klimaneutral abgedeckt. Reiner Winkler, Chef des | |
Triebwerkherstellers MTU Aero Engines, sieht noch weiter voraus. | |
„Brennstoffzellen könnten Mitte des Jahrhunderts zur Anwendung kommen“, | |
glaubt er. | |
## Wie geht es nach Corona weiter? | |
Doch wie geht es mit den Fluglinien weiter? Corona hat tiefe Spuren in | |
deren Bilanzen gerissen. Ohne [2][Milliardenspritze in Form einer | |
Beteiligung des Bundes] wäre beispielsweise die Lufthansa wohl in schwere | |
finanzielle Turbulenzen geraten. Viele Beschäftigte haben die Krise nicht | |
überstanden. 26.000 Stellen, vor allem im Ausland, baute der Konzern ab. | |
Weitere 10.000 werden wohl in Deutschland gestrichen. Auch der größte | |
deutsche Reisekonzern TUI brauchte Hilfe vom Staat. Statt 35 eigenen | |
Fliegern bringt die Tochter Tuifly nur noch 22 in die Luft. | |
Noch sind die wichtigsten europäischen Fluglinien am Markt. Ob das auch in | |
Zukunft der Fall sein wird, darf aber bezweifelt werden. Der Preiskampf | |
einerseits und die hohen Investitionen für den Klimaschutz andererseits | |
könnten manche Airline überfordern. | |
30 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Wolfgang Mulke | |
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