# taz.de -- Senat beschließt Ausgaben für 2022/23: Ein Haushalt der Extreme | |
> Der Haushaltsentwurf des Senats sieht hohe Investitionen und eine hohe | |
> Verschuldung vor. Beschließen muss ihn aber eine neue Koalition. | |
Bild: Herren der Zahlen: Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), r., und Staatsse… | |
BERLIN taz | Drei dicke Aktenordner hat der SPD-Finanzsenator neben sich | |
aufgebaut. Hunderte Seiten, vor allem mit Zahlen. Der rot-rot-grüne Senat | |
hat gerade den Entwurf des Landeshaushalts für 2022 und 2023 beschlossen, | |
und an [1][Matthias Kollatz] ist es nun, ihn in einer Pressekonferenz im | |
Roten Rathaus am Dienstag zu erklären. | |
Das Besondere daran: Die vielen Seiten könnten zwar nicht komplett | |
Makulatur sein, aber auf dem Prüfstand stehen, wenn diese Ordner zur | |
eigentlichen Entscheidung ins Abgeordnetenhaus gehen. Denn nach der Wahl am | |
26. September könnte eine neue Koalition regieren, die andere Akzente | |
setzt. Kollatz weiß das, nennt den Entwurf aber „eine wichtige Grundlage“. | |
Von Änderungen geht er allerdings aus: „Es wird so ähnlich, aber nicht | |
exakt so sein.“ | |
Fast 70 Milliarden Euro ist dieses Finanzpaket für die kommenden beiden | |
Jahre schwer. Für 2022 sind 34 Milliarden Euro Ausgaben vorgesehen, für | |
2023 35,7. Gegenüber dem laufenden Haushalt ist das eine Steigerung um rund | |
4 Prozent. Eine Milliarde, nur zur Erinnerung, das sind tausend Millionen; | |
eine Eins mit neun Nullen. | |
Kollatz gibt sich trotz der in Coronazeiten wegen der vielen | |
[2][Hilfsprogramme für Unternehmen] auf einen neuen Rekordstand gestiegenen | |
Landesverschuldung optimistisch: Die wirtschaftliche Entwicklung gehe | |
wieder nach oben; im Haushalt sei das laufende Jahr 2021 der Tiefpunkt mit | |
einem Minus von fast 3,8 Milliarden Euro. Nächstes Jahr soll sich dieses | |
Minus auf 2,3 Milliarden, 2023 auf knapp unter 2 Milliarden Euro | |
verringern. Da noch Rücklagen zu Verfügung stehen, fällt die zum Ausgleich | |
nötige Neuverschuldung deutlich geringer aus: 750 Millionen Euro nächstes | |
Jahr, 436 Millionen Euro im darauf folgenden. | |
## Ein bisschen ist übrig | |
Wobei Kollatz davon ausgeht, dass das Land gar nicht so tief in die roten | |
Zahlen rutscht: Er verweist auf die vergangenen Jahre, in denen nicht alles | |
Geld wie geplant ausgegeben worden sei. Das soll auch weiter so sein: „Wir | |
werden in der Haushaltsführung große Anstrengungen unternehmen, dass wir | |
das nicht in Anspruch nehmen.“ | |
Der Senator bestreitet ausdrücklich, dass, wie zuvor gemutmaßt und bereits | |
kritisiert, Streichungen bei der täglichen Reinigung von Schulen und | |
Kürzungen bei den Bezirken vorgesehen seien. „Nein“, antwortet Kollatz auf | |
Fragen dazu. Bei den Bezirksfinanzen etwa stünden 9,5 Milliarden Euro in | |
diesem Jahr 9,9 Milliarden im nächsten und 10,0 Milliarden Euro im | |
übernächsten Jahr gegenüber. „Das ist keine Senkung“, betont Kollatz. | |
Große Ausgabenposten in den nächsten Jahren sind [3][die Verkehrswende], | |
wobei der milliardenschwere Kauf eines eigenen Fuhrparks von S-Bahn-Wagen | |
eine große Rolle spielt, der Schulneubau und die Sanierung der | |
[4][Komischen Oper]. Für [5][die Schulbauoffensive] sind pro Jahr rund 900 | |
Millionen Euro eingeplant. Die Opernsanierung ist mit insgesamt 227 | |
Millionen Euro veranschlagt. | |
Der Haushalt ist in mehrerer Hinsicht einer der Extreme: So groß wie noch | |
nie; begleitet von einem so hohen Schuldenstand wie noch nicht, aber auch | |
mit einer so hohen Investitionsquote wie – laut Senatsangaben – seit 1997 | |
nicht. Diese Quote beschreibt den Anteil, den Investitionen am | |
Gesamthaushalt haben. „Wir müssen mit erheblichen Einnahmerückgängen | |
umgehen, wollen aber gleichzeitig das allmählich wieder anziehende Wachstum | |
mit Investitionen, insbesondere in Innovationen, stärken“, sagt der | |
Finanzsenator. | |
## Investieren als Erfolgsstory | |
Die Wirtschaftskraft Berlins sei in der Pandemie weniger stark eingebrochen | |
als in den meisten anderen Ländern – „es muss beim Investieren bleiben, | |
damit es bei dieser Erfolgsstory bleibt“. Deshalb soll es auch einen | |
Extra-Investitionstopf geben mit rund einer Milliarde Euro für | |
Landesunternehmen. | |
Keine Investition aus Steuergeldern soll mittelfristig in den [6][im | |
Oktober eröffneten Flughafen BER] fließen, der zu je 37 Prozent Berlin und | |
Brandenburg und zu 26 Produzent dem Bund gehört. Der BER soll 2025 „in der | |
Profitzone sein“ und dann den Landeshaushalt nicht mehr belasten. | |
Was davon alles Wirklichkeit wird, klärt sich erst nach der Wahl. Das | |
Abgeordnetenhaus tagt zwar vorher noch zwei Mal, aber ohne einen | |
Haushaltsbeschluss. Das neue Parlament soll erstmals am 4. November | |
zusammensitzen. Nach der Wahl 2016, ebenfalls im September, stand die neue | |
Koalition Anfang Dezember fest. Ein Haushaltsbeschluss vor Beginn des | |
jeweiligen neuen Haushaltsjahres ist zwar stets Ziel, aber nicht | |
vorgeschrieben. Eine neue oder auch nur neu angeführte Koalition im | |
Abgeordnetenhaus wäre also zumindest rechtlich nicht unter Zeitdruck. | |
Die Opposition zeigt sich wenig begeistert. „Mit dem vorgelegten letzten | |
Doppelhaushalt der rot-rot-grünen Regierung beweist die Koalition, dass sie | |
nicht willens ist, die dringendsten Probleme der Stadt anzugehen“, reagiert | |
FDP-Finanzexpertin Sibylle Meister, „dass sie sich im Klein-Klein verliert | |
und keinen langfristigen Wachstumskurs beschreitet.“ | |
CDU-Haushälter Christian Goiny gesteht zwar zu: „Manches klingt gut.“ Aber | |
bei der Finanzierung sei alles irgendwie Verfügbare zusammengekratzt | |
worden, werde neben Krediten auf nicht realistische Minderausgaben gesetzt. | |
„Solide ist das nicht.“ | |
22 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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