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# taz.de -- Erinnerung an die Verbrechen in Namibia: Landschaft an Straße
> Werbeflächen, die gerade im „Afrikanischen Viertel“ auftauchen, halten
> dem kolonialistischen Zerrbild von Afrika einen schwarz-weißen Realismus
> vor.
Bild: Ansicht im Straßenraum: „We have to see but not to see – Namibia“ …
Der Exotismus fällt eigentlich in das späte 19. Jahrhundert. Doch diese
kolonialistische Kulturtechnik spukt noch heute herum. Im „Afrikanischen
Viertel“ mit seiner „Kongostraße“ und seinen Schaufenstern, die auch mal
mit kleinen Stoffgiraffen als alltägliche Verfestigung eines exotistischen
Bildes vom vermeintlich „wilden Afrika“ dekoriert sein können, ist der Spuk
besonders sichtbar.
Doch die Fotografien einer in staubigen Weiten verschwindenden Straße oder
des knochigen Geästs eines Köcherbaums, die derzeit im Afrikanischen
Viertel auf Werbeflächen auftauchen, halten diesem Zerrbild von Afrika
einen schwarz-weißen Realismus vor.
[1][Die Macher:innen des Weddinger Projektraums] Changing Room haben
diese Bildserie der Künstlerin Abrie Fourie aus den 1990er Jahren ausfindig
gemacht und lassen den Sommer über ihre nüchternen Aufnahmen von flachen
Wüstenlandschaften im Berliner Stadtraum aufhängen, aus deren Horizont die
verlassene Zugstation Grasplatz oder die verwaiste Diamantenstadt
Kolmannskuppe hervorkommen.
Die Orte, die dann plötzlich zwischen Maggi-Werbung und Autoparkplatz auf
einer Werbewand erscheinen, zeigen auch Relikte der [2][deutschen
Kolonialzeit im heutigen Namibia]. Die 21 Jahre deutscher
Kolonialherrschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind ein dunkles Kapitel.
Es brachte Figuren wie den Kaufmann und Kolonialverbrecher Adolf Lüderitz
hervor, der bis heute im besagten Afrikanischen Viertel mit einer
Lüderitzstraße geehrt wird (eine Straßenumbenennung ist derzeit im Gang).
Changing Room hat seine Adresse in dieser Lüderitzstraße.
Zu einem Zeitpunkt, an dem die deutschen Verbrechen in Namibia langsam in
das öffentliche Bewusstsein gelangen – gerade erst erkannte die
Bundesregierung die Gräueltaten an die Herero und Nama als Völkermord an –,
stoßen die Macher:innen von Changing Room diesen zähen
Bewusstseinswandel mit ihrem feinen, künstlerischen, im Alltag platzierten
Dekolonialisierungsprojekt an.
Virtuell ergänzen sie die Plakatkampagne mit einem [3][Online-Filmprogramm
auf ihrer Website]. Derzeit läuft mit „Indifference“ von Nicola Brandt eine
Aufarbeitung der emotionalen Relikte der deutschen Kolonialherrschaft in
Namibia.
20 Jun 2021
## LINKS
[1] https://www.changing-room.com/
[2] /Kolonialverbrechen-an-Herero-und-Nama/!5775510
[3] http://www.changing-room.com/
## AUTOREN
Sophie Jung
## TAGS
Fotografie
Namibia
Kolonialgeschichte
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