# taz.de -- Kunsttipps der Woche: Menschen und Berge und Tiere | |
> Fluide Installationen in der Galerie Bärenzwinger, komplexe Lichtspiele | |
> bei Ebensperger und kräftige Malereien im Projektraum Sangt Hipolyt. | |
Bild: Installationsansicht „Birds and Buoys“, Nadja Abt und Barbara Marcel,… | |
Ganz gelinde kommt [1][die Ausstellung „Birds and Buoys“] in diesen | |
Frühsommertagen zunächst daher. Die schwarz und hellrot von der Decke des | |
Bärenzwingers hängenden Bojen von Nadja Abt schunkeln im leichten Juniwind, | |
auf Barbara Marcels Videoprojektion dahinter schwirren computeranimierte | |
Kanarienvögel über eine Berglandschaft im Takt eines grammophonartig | |
knisternden Walzers. | |
Als feine Indikationen ziehen die beiden Künstler:innen die Motive von | |
Meer und Berg, Schiff und Grube weiter durch den Bärenzwinger und schüren | |
doch tief in die historischen Verkrustungen dieses immer noch seltsamen | |
Orts, in dem ja bis vor kurzem tatsächlich Bären leben mussten. | |
Nadja Abt kehrt den Spirit der Architektur um und stellt sie mit einer | |
fluiden Installation, die zwischen Alphabet, Text, Objekt und schließlich | |
Arrangement der Objekte hin und herfließt, als reisendes Schiff vor, dessen | |
mitreisende Frauschaft ebenso fluide Identitäten annehmen können. | |
Barbara Marcel reflektiert in ihren Videoarbeiten und dezenten, fast | |
übersehbaren Interventionen über die Verzahnung von Natur, Mensch und | |
Menschmachung. Dabei verknüpft sie ihre eigene queere Biografie mit einem | |
historischem Kuriosum: Kanarienvögel, die sogenannten „Harzer Roller“, die | |
mit ihrem rollenden signalisierenden Gesang für den Bergbau im Harz | |
gezüchtet wurden. | |
Der Schnitt ist für Heiner Franzen die zentrale Technik. Eigentlich aus der | |
Zeichnung kommend, hat er nun in der Galerie Ebensperger mit „W A K E“ | |
[2][ein komplexes Lichtspiel aus sieben Kanälen installiert]. Auf | |
labyrinthisch angelegten Wänden flackert in allen Richtungen der digitale, | |
in 3D überführte Mitschnitt vom Gesicht des Schauspielers Patrick Magee. | |
Magees Konterfei – abgeschnitten vom Körper – ist in dem Moment | |
festgehalten, als er selber in der Rolle als Marquis de Sade von 1967 mit | |
psychopathisch-nüchterner Mimik vom Abtrennen anderer Köpfe erzählt. Doch | |
selbst seine Sätze sind zerschnitten, so dass nur noch einzelne Worte aus | |
ihm herauskommen. Mentale Prozesse und motorische Impulse werden in dieser | |
dunklen wie haarscharf dekonstruierenden Installation Heinar Franzens zu | |
einer technischen Aufzählung. | |
Wer macht die Bilder von uns? Wer will sie, wer besitzt sie? Im Projektraum | |
Sangt Hipolyt ist man sich nicht so sicher. Dort zeigen Carla-Luisa Reuters | |
kräftige Malereien [3][verschiedene Frauen, die in werbebekannten Posen] | |
und Szenerien in der Anonymität des Stereotyps untergehen. Ambivalente | |
Figuren. Will die „Grüne Designerin“ tatsächlich den Overall in dieser | |
lässigen, halb liegenden Pose mit weit geöffneten Beinen so in Szene | |
setzen, oder oblag ihrer Darstellung ein anderer Wille? | |
Der Titel zumindest positioniert sie als Objekt und Gestalterin zugleich. | |
Carla-Luisa Reuter stellt mit ihren wild figurativen, teils mit | |
Produktverpackungen zusammencollagierten Malereien die Frage nach der Regie | |
der Bilder. Dabei eröffnet die von ihr dargestellte Welt des Konsums und | |
des Kapitals das Denkspiel, wer oder was hier eigentlich die Regie | |
übernommen hat. | |
9 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.baerenzwinger.berlin/Programm/Birds-and-Buoys/ | |
[2] http://ebensperger.net/franzen-w-a-k-e/ | |
[3] https://sangthipolyt.eu/tagged/herrchen | |
## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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